Ivonne Keller: Lügentanz

Michaela Michaelsen hat immer wieder Erinnerungs-Aussetzer. Nicht in der Form, dass sie ihren Schlüssel nicht findet, oder sich nicht an die Farbe des Abschlussballkleides erinnert. Die Folgen sind viel gravierender. Zum Beispiel dann, wenn sie sich nicht im Geringsten daran erinnern kann, dass die Lehrerin ihrer Tochter von der Klassenfahrt angerufen hat, um ihr von deren Unfall zu berichten. Oder sie glaubt, ihr Mann habe ihr mitgeteilt, sich trennen zu wollen, obwohl er sich nach wie vor ganz normal zu verhalten scheint. Ist sie verrückt? Spielt er ein böses Spiel mit ihr? Michaela braucht Abstand und nimmt sich eine Auszeit. Dazu übernimmt sie den Job eines Wohnungssitters und trifft in diesem Zusammenhang neben dem Hund Pim zwei Menschen, die bald eine große Rolle in ihrem Leben spielen werden: Lena und Jan. Wobei Lena dabei deutlich der interessantere Charakter ist. Und im Verlauf der Geschichte auch die interessantere Rolle spielt: Denn Lena übernimmt Michaelas Part, bei Mann und Kind…literarischer Sprengstoff sozusagen.

Ivonne Keller, die früher unter dem Pseudonym Jule Engels veröffentlichte, hat sich in letzter Zeit auf ernstere Themen spezialisiert. Hirngespenster ist hier das beste Beispiel dafür. Aber auch ihr Lügentanz lässt keine Langeweile aufkommen. Die sich anbahnende Freundschaft zwischen Lena und Michaela, zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die Spurensuche nach dem Grund für die Erinnerungslücken und deren Auflösung – keines der Bücher, die man nie mehr aus der Hand legen möchte. Aber eines von denen, die einem noch eine Weile im Kopf bleiben.
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