Anna Brüggemann: Trennungsroman

“Thomas steht am Flughafen und wartet. Er hat sich weder die Haare gekämmt noch ein frisches T-Shirt angezogen.“ Dieser erste Satz sagt eigentlich schon alles. Denn Thomas wartet auf seine Freundin Eva, die nach zwei Jahren Fernbeziehung aus Paris zurückkommt und wieder in die gemeinsame Wohnung einzieht. Thomas ist mit der Situation überfordert, um genau zu sein, ist er eigentlich mit der ganzen Eva überfordert. Die junge Frau ist ihm zu perfekt, zu durchgeplant, zu gut organisiert. Wovon er selbst während seines Medizinstudiums profitiert hat, ist ihm jetzt Last.

Der Roman beschreibt die letzten Wochen vor und die ersten Wochen nach der Trennung. Von beiden Seiten. Man leidet mit, man schämt sich fremd, manchmal freut man sich auch für einen der beiden Protagonisten. Und letztendlich ist man froh, dass man selbst gerade nicht in dieser verfahrenen Situation steckt, die eine Trennung irgendwie immer ist .

Anna Brüggemann, Baujahr 1981, weiß, wie Schreiben geht – auch wenn das Ihr Debüt als Romanschreiberin ist. Sie schrieb unter anderem mit am Drehbuch fgür den Spielfilm Kreuzweg, der bei der Berlinale 2014 mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. 2019 war sie als Drehbuchautorin an Als Hitler das rosa Kaninchen stahl beteiligt.

Davide Cali/Benjamin Chaud: So was tun Erwachsene nie!

“Tu dies nicht und das nicht“, „sowas macht man doch nicht“ oder „hast du schon einmal einen Erwachsenen gesehen, der mit Schimpfwörtern um sich geschmissen hat?“ Natüüüüüüürlich nicht. Könnte man auf den ersten Blick vielleicht auch glauben, aber auf den zweiten? Und genau mit diesem zweiten Blick arbeitet dieses Bilderbuch. Denn die Zeichnungen – und damit die Realität – widersprechen den Aussagen. Ein Heidenspaß, wenn sich Erwachsene und Kinder das Buch gemeinsam ansehen.

Agnese Baruzzi: …und wo machst Du es?

Es gibt ein Alter, da ist kaum etwas spannender als Pipi-Kacka-Pups. Und lässt man die Zwerge, hört man auch tagelang manchmal nur wenig anderes, sie beschimpfen sich sogar gegenseitig mit Wortgebilden wie „Du Pupskackawurst“, die einen innerlich schon mal die Nase zuhalten lassen. Das kann man doof finden, braucht man aber nicht. Je weniger man sich nämlich darüber aufregt, desto schneller ist es wieder vorbei. Bilderbücher wie „Der kleine Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ sind gerade in dieser Phase der Renner im Kinderzimmer. Jetzt kommt ein neues Bilderbuch dazu, das durchaus Qualitäten in dieser Richtung hat. Hier wird mit wenigen Worten beschrieben, wie unterschiedlich Fäkalien sein können und wer es sich dann immer noch nicht vorstellen kann, der darf mal ziehen … und sieht dann ganz genau, dass Nilpferdkacka deutlich dicker und runder ist als die kleine Zisch-Kacka vom Fisch. Und erfährt zuguterletzt, dass es auch für ihn ein Plätzchen gibt, das fürs Geschäft vorgesehen ist und dass er oder sie sich darüber mindestens genauso glücklich schätzen kann wie die Katze. Denn die ist heilfroh, hat sie doch ein eigenes Katzenklo.

Ein wunderschönes Mitmach-Bilderbuch für die Allerkleinsten von Minedition.

Sonja Danowski: Im Garten mit Flori

Linns Opa muss ins Krankenhaus. Doch wer soll sich denn jetzt um seine vielen Blumen im Garten und das Gemüse im Gewächshaus kümmern? Kein Problem, das übernimmt Linn – schließlich hat sie sich immer alles genau aufgeschrieben, was Opa über seine Pflanzen gesagt hat. Gemeinsam mit ihrem Hund Flori und ihrer Freundin Emi gießt sie, hegt und pflegt und sammelt die verflixten Schnecken ein, um sie dort wieder auszusetzen, wo sie keinen Schaden anrichten können. Doch dann finden die kleinen verfressenen Tierchen ihren Weg ins Gewächshaus und fressen genau an dem Tag, an dem Opa aus dem Krankenhaus entlassen wird, alles nieder. Doch wie sind sie reingekommen? Flori!

Diese Art von Bilderbuch muss man mögen, denn so wirklich bilderbuchalterkindgerecht ist sie nicht, wirkt mit ihren detailgenauen und sehr realistischen Zeichnungen antiquiert, unterstrichen noch durch die nicht wirklich immer altersangepasste Sprache. Aber gerade das kann auch den Charme eines Bilderbuchs ausmachen: Dass es eben nicht so ist, wie alle anderen und damit dem kleinen Leser die große Vielfalt auf dem Büchermarkt erst so richtig eröffnen kann.

Werner Holzwarth: Mein Freund Fred

Tim ist Einzelkind und wie viele Einzelkinder – aber natürlich nicht nur diese – hat der Junge einen unsichtbaren Freund: Fred. Fred macht jeden Blödsinn mit, steht auch mal für Tim gerade und ist einfach immer da, wenn dieser ihn braucht.

Das Schöne an dieser „Bilderbuchfamilie“ ist, dass Tims Eltern ziemlich entspannt sind, was Fred angeht. Sie machen sich – zu Recht – keine Sorgen um Tims seelische Gesundheit. Denn die ist absolut im Reinen. Aber manchmal wird auch ihnen Fred zu viel – und dann fliegt er raus. Theoretisch zumindest. Denn praktisch ist es eben ganz praktisch, dass Fred unsichtbar ist …

Charlie Farley/Layn Marlow: Ziemlich beste Brüder

Kleine Brüder können ziemlich nervig sein. Das geht auch Max, dem Hasen so. Und damit Mika ihm ein bisschen Ruhe lässt, schickt er ihn auf eine Mutprobe. Doch als ihm klar wird, wie gefährlich das ist, geht er seinem kleinen Bruder lieber mal nach und hält ihm den Rücken frei … ohne, dass dieser es merkt.

Es ist, wie es sein soll. Geschwister gehen sich auf die Nerven, aber, wenn es darauf ankommt, dann halten sie zusammen. Ein schönes und goldig bebildertes Büchlein über Geschwisterliebe und Geschwistersorge, über Familie und Zusammenhalt. Hier vielleicht schon mal an Ostern denken – gerade in diesem Jahr, wo viele Kinder so sehr auf ihre Geschwister als Spielkameraden angewiesen sind.

Daniel Fehr/Lotte Bräuning: früh los

Jon darf mit Opa einen Ausflug machen. Sie wollen auf den großen Berg, den Opa vor vielen, vielen Jahren schon einmal bezwungen hat. Der Weg dahin ist spannend, der alte Mann und der kleine Junge entdecken überall Faszinierendes, sie lassen Steine über den Gebirgssee springen, beobachten Waldmäuse und machen immer wieder Rast. Und irgendwann beschließen sie umzudrehen.

So einen Opa wünscht sich jedes Kind. Einen mit Zeit. Einen mit Geduld. Und einen, der in der Lage ist, die richtigen Entscheidungen im richtigen Augenblick zu treffen. Ein sehr süßes Bilderbuch, das mit wenig Worten viel ausdrückt.

Steven Gätjen/Andreas Karlström: Schmitt mit Geduld und Spucke

Schmitt ist ein Chamäleon und auf der Reise. Es schaut sich die Welt an und landet dabei auf einer Hasenwiese. Die Hasen sind erst ziemlich skeptisch – schließlich dürfen sie nicht mit anderen Tieren spielen. Aber Schmitt ist in der Lage, sich ihnen anzupassen – zumindest rein optisch – und damit darf er doch. Einem allerdings passt das nicht und er versucht, Schmitt mit einem fiesen Trick wieder loszuwerden – aber Schmitt ist schlauer.

Dieses Bilderbuch in Reimform erzählt ganz schön von Motiven, Absichten und dem, was daraus werden kann. Und im Prinzip ist es ja auch egal, wer es geschrieben hat, ob Otto-Normalverbraucher, ein erfahrener Bilderbuchautor oder ein Schauspieler und ein Moderator – was allerdings nicht so schön ist, ist, dass der Illustrator dabei unter ferner liefen geführt wird – dabei ist er es doch, der dieses Buch erst richtig schön gemacht hat.

Tenzin Priyadarshi: Dem Sinn des Lebens ist es egal, wo er dich findet

Es ist sein Weg, den er gehen muss. Und er findet, obwohl er erst zehn Jahre alt ist, das Ziel, bzw. die erste Etappe dorthin, ganz von selbst. Erstaunlich wie ihn irgendeine Macht regelrecht in ein verstecktes buddhistisches Kloster zu ziehen scheint – ein Kloster, das ihm zuvor immer wieder in seinen Träumen erschienen ist. Es ist erstaunlich, wie groß der Wille dieses Kindes ist, den eigenen Weg zu gehen. Und auch, wenn seine hinduistische Brahmanenfamilie ihn dank ihrer Verbindungen ins ganze Land findet, ihn zurückholt, damit er erst einmal in Ruhe groß werden kann, es zieht ihn noch einmal dorthin. Und er findet seine Bestimmung.

Der buddhistische Mönch Tenzin Priyadarshi, vom Dalai Lama geweiht, ist erzählt in diesem Buch von seinen Gedanken, von guten Gesprächen und Hinweisen, die ihm immer wieder den richtigen Weg gewiesen haben. Er ist bescheiden, wie man es von einem Mönch wie ihm nicht anders erwartet, offen für alles Neue und sich dessen bewusst, dass er noch lange nicht am Ende seines Weges angelangt ist. Beim Lesen wünscht man sich, man hätte nur ein winziges bisschen seiner Demut in sich.

Tenzin Priyadarshi ist heute Präsident und CEO des Dalai Lama-Zentrums für Ethik und transformative Werte am Massachusetts Institute of Technology.

Julia Zweig: Glück. Allein. (K)ein Liebesroman.

Laura ist Ende dreißig, im besten gebär- und bindungsfähigen Alter, sieht ganz gut aus, hat einen Job, der durchaus passabel ist und ne beste Freundin. Ganz gute Voraussetzungen eigentlich. Und trotzdem ist sie Single. Kein Mann in Sicht, der mit ihr Vater-Mutter-Kind spielen möchte. Da fasst sie einen Plan und sucht sich einfach, ganz pragmatisch, einen Vater für ihr zukünftiges Kind. Dass sich da die ein oder andere absurde Situation von allein ergibt, ist klar. Soweit, so gut. Denn die Idee hat was, der Beginn hat was und man denkt, man hätte ein Buch gefunden, das einen durchaus mal wieder zum Schmunzeln bringen kann. Bis das Ganze in echt ziemlich viel Kitsch ausartet und so unrealistisch weitergeht, dass man für jede Leserin nur hoffen kann, dass sie nicht an Märchen glaubt auf der Suche nach dem perfekten Mann.

Es erstaunt, wenn man liest, dass die Autorin eine Journalistenschule besucht hat und diesen Beruf auch ausübt, denn das Buch ist irgendwie nicht aus einem Guss – wirkt eher ein bisschen verkrampft. Schade. Denn wie gesagt, die Idee hatte was.