Matthias Morgenroth: Kidnapping Oma

Da ist eine Oma, die aufgrund eines Familienstreits keine Enkel mehr hat, da sind die Enkel, deren alleinerziehende Mama immer mal wieder für ein paar Tage aus beruflichen Gründen weg muss und die eigentlich noch viel zu klein sind, um auf sich selbst aufzupassen. Richtig schlimm wird es für die kleine Leni, als sie in einem Aufsatz einen Tag mit Oma oder Opa beschreiben soll – ist sie doch davon überzeugt, dass es gar keine Oma in ihrem Leben gibt und gab. Doch dann beobachten sie und ihr Bruder Jonas eine seltsame Frau, die ein Shetlandpony spazieren führt, mit äußerst seltsamen Akzent spricht und sich, und das ist ja wohl das Seltsamste, mit einem Fernglas im Gebüsch versteckt und ihr Haus beobachtet. Kann es wirklich sein, dass das ihre Oma ist? Dass Mama sie angelogen hat? Irgendwann sind Leni und Jonas überzeugt und damit ihnen die Oma nicht wieder davonläuft, kidnappen sie sie einfach. Im Campingbus – in den auch das Pony passt – machen sie eine Tour, die die beiden so schnell nicht vergessen werden, bis ihnen die Polizei auf die Schliche kommt. Wie wertvoll sind dann Verbündete …

Das Klischee der überforderten, alleinerziehenden Mutter wird hier mal wieder extrem überstrapaziert – wobei es natürlich nicht zu leugnen ist, dass in so mancher beruflichen Situation es Momente geben kann, in denen die Kinder zurückstecken müssen. Das macht sie, wenn die übrigbleibende Zeit Qualitytime beinhaltet, aber auch selbstständiger als so manches dauerbehütete Kind und das ist ja letztendlich auch der Tenor dieses Buches, wenn man das auch allerdings erst auf den zweiten Blick erkennt. Die Thematik, die jedoch deutlicher zum Tragen kommt, ist die Last, die Kindern mit sogenannten Familiengeheimnissen aufgebürdet wird. Kinder spüren, wenn sie belogen werden, wenn man etwas vor ihnen verheimlicht und dieses Buch zeigt auf, wie einfach es doch sein könnte, so manche Last von der Familie zu nehmen. Denn gerade kleinere Kinder verstehen oft deutlich besser als man glaubt und reagieren liebevoll, selbst dann, wenn man einen Fehler gemacht hat. Und die machen wir doch alle mal.

Ein Kinderbuch, das sich wunderbar zum Vorlesen eignet, gerade dann, wenn es in der eigenen Familie vielleicht doch etwas zu besprechen gibt. Als Aufhänger optimal geeignet, vor allem, weil es an manchen Stellen so schön überzogen ist. Die Tatsache allerdings, dass die Kinder so einfach mit der „Oma“ mitgehen – egal nun, ob sie sie vermeintlich kidnappen oder nicht – ist doch etwas kritisch zu sehen. Und braucht ein wenig Erklärungsbedarf beim Vorlesen – zum Selbstlesen also nur bedingt geeignet.