Markolf H. Niemz: Lucy im Licht

Was geschieht beim Übertritt vom Leben zum Tod? Gibt es überhaupt ein Jenseits? Die Beantwortung dieser Fragen war bisher immer Glaubenssache. Doch jetzt hat sich ein reiner Naturwissenschaftler mit diesem heiklen Thema auseinandergesetzt – und er kommt zu interessanten Schlüssen.

Prof. Dr. Markolf H. Niemz ist Medizintechniker und Physiker an der Universität in Heidelberg und neben seinen Forschungen zur Lasermedizin interessiert ihn ganz besonders ein bestimmter Grenzbereich zwischen Theologie, Medizin, Philosophie, Psychologie und Naturwissenschaft: der Tod, bzw. genauer gesagt das Sterben an sich.

Man kennt die typischen Nahtoderfahrungen: das gleißende Licht am Ende eines Tunnels, der schnelle Durchlauf des eigenen Lebens, das Wiedersehen mit bereits Verstorbenen – Aussagen klinisch toter Menschen nach dem Wiedererwachen, die sich interessanterweise rund um die Welt und durch alle Kulturkreise gleichen. Man kennt aber auch wissenschaftliche Annahmen darüber, dass es sich sozusagen um die „letzten Zuckungen“ des Gehirns handelt, um Halluzinationen also.

Beweisen lässt sich hier erst mal gar nichts, aber das ist bei den Naturwissenschaften ja nicht zum ersten Mal so. Man stellt eine These auf, eventuell sogar mit ein oder zwei Unbekannten und überprüft sie soweit es geht. Das hat Herr Niemz getan. Bzw. nicht er selbst, sondern seine Kunstfigur Lucy, eine junge Wissenschaftlerin, die man bereits aus dem Buch „Lucy mit c“ kennen könnte. Lucys Axiom: Mit dem körperlichen Tod wird unsere Seele (unser geistiges Ich, unser Bewusstsein) auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, damit sie ins Jenseits übergehen kann. Auf Basis dieser Annahme verbindet der Autor theologische Begriffe (Ewigkeit und Omnipräsenz), Erkenntnisse der modernen Sterbeforschung (Tunnelerlebnis) und Effekte der modernen Physik (spezielle Relativitätstheorie). Die Inhalte verschiedenster Fachgebiete verzahnen sich und ergeben nur zusammen das vollständige Bild, das Niemz malt.

Einigermaßen verständlich erklärt er die notwenigen Grundlagen – vor allem die der Physik, anschaulich untermalt mit zahlreichen Graphiken und ergänzt durch kleine Experimente. Aber genau hier rutscht das Buch etwas ab vom eigentlichen Niveau. Mir persönlich gefällt schon die Kunstfigur Lucy nicht, sie wirkt albern und macht bisweilen aus einem ernsten Thema Slapstick. Ich habe auch keine Lust, Alufolie auf eine bestimmte Seite in einem Buch zu kleben, um mir auf diese Weise das Phänomen eines Spiegels bewusst zu machen. Hier bekommt das Ganze dann doch eher den schalen Geschmack eines schlechtens Meditationswochenendes.

Aber: Der Inhalt des Buches an sich ist super-interessant. Niemz gelingt es, interdisziplinär zu argumentieren und so gut zu „beweisen“, dass man glauben möchte, was er sagt. Bzw. dass man für das, was man glaubt, endlich meint, wissenschaftliche Beweise gefunden zu haben. Je nachdem.
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