Auf einer Reise nach Südfrankreich kommt Jan endlich seiner Jugendliebe Laura näher. Doch plötzlich ist die junge Frau verschwunden. Typisch, sagen Jans Schwester Katy und ihr Freund Greg. War Laura doch schon immer so. Wenn es in irgendeiner Form für sie brenzlig wurde, war sie weg. Der einzige, der davon überzeugt ist, dass es diesmal sicher anders ist und Laura nicht freiwillig verschwunden ist, ist Jan. Ein kurzer Film auf ihrem Handy, das im Gegensatz zu ihr noch da ist, bestätigt ihn in seinem Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Die Spur führt ihn zurück nach Berlin, wo Jan in seiner Wohnung die Leiche seiner Nachbarin entdeckt. Ermordet und mit einem blutigen Hinweis auf ihrer Stirn: „Nicht Laura“ steht da geschrieben. Was dann folgt, ist an Spannung, Psychothrill und teilweise auch Perversität kaum mehr zu überbieten.

Auch diesmal setzt der Autor Marc Raabe auf meisterhafte Psychospielchen, auf das Spiel mit den Urängsten und auf brutale Szenen, die so grausam sind, dass sogar hartgesottene Thriller-Leser das Buch nicht mit ins Bett nehmen, geschweige denn das Hörbuch zum Einschlafen hören. Und knüpft damit direkt an seinen Debüt-Erfolg „Der Schnitt“ an, der immerhin als der drittbeste deutsche Krimi 2012 galt.
Die Hörbuchfassung, gesprochen von Sascha Rotermund, Synchronsprecher von Joaquin Phoenix, gewinnt durch die dunkle Stimme des Sprechers noch zusätzlich. Er verzichtet auf stimmliche Spannungseffekte und erreicht genau mit diesem Stilmittel an manchen Stellen den höchsten Grad an Spannung. Nichts für softe Gemüter also. Aber perfekt für alle, die echten Nervenkitzel lieben.

Hörprobe
3.9 Stars (3,9 / 5)

Thomas Glavinic: Die Arbeit der Nacht

Es ist ein Albtraum, ein absoluter Albtraum – doch ist es wirklich ein Traum, ist es Realität, ist es nur seine Realität? Jonas wacht auf am Morgen des 4. Juli, alles scheint wie immer, bis er irgendwann merkt, dass er allein ist, ganz allein. Alle anderen sind verschwunden, Menschen, Tiere – alle weg.

Der Protagonist bleibt erstaunlich cool. Er arrangiert sich mit seiner Situation. Und entwickelt Strategien, um mit ihr fertig zu werden. Eine davon ist, sich selbst beim Schlafen zu filmen. Und festzustellen, dass der „Schläfer“ eine ganz eigene Identität hat. Das erklärt auch, warum Jonas zwar sehr lange schläft, aber nie wirklich Ruhe findet. Seltsame Dinge geschehen, Nachrichten, Zeichen – undeutbar und doch fühlbar relevant. Nichts ist mehr vertrauenswürdig – nicht mal er selbst – nichts ist mehr vertraut. Er beobachtet, wie der Schläfer immer mehr ein Eigenleben entwickelt, wie er Dinge tut, die Jonas völlig unerklärlich sind. Gepeinigte Schreie aus dem Off, Messer, die plötzlich in der Betonwand stecken, Puppen, die sich genau an dieser Stelle in der Wand befinden. Jonas, der früh aufwacht, das Kopfkissen voller Blut und mit vier Zähnen weniger im Mund. Auf dem Film plötzlich alles weiß, inklusive dem Schläfer selbst, seine Augen auf die Kamera gerichtet – starr, kalt, leblos und doch durchdringend bis ins Mark. Die Zeiten, die Orte verschieben sich. Seine überall postierten Kameras verschwinden teilweise, Bänder tauchen wieder auf – darauf bereits Verstorbene, quietschlebendig.

Jonas flüchtet, er will seine Freundin suchen, die am 3. Juli nach England abgereist war. Auf dieser Reise wird ihm klar, dass er nicht mehr schlafen darf. Dass er den Schlaf überlisten muss. Mithilfe von Medikamenten versucht er, sich dem Kampf zu stellen. Doch jeder, der das bereits einmal probiert hat, weiß, dass es letztendlich sinnlos ist. Der Schlaf siegt und als Jonas wieder aufwacht, findet er sich in einem vermeintlichen Sarg wieder. Er nimmt den Kampf gegen den Schlaf erneut auf. Da er und der Schläfer dieselbe Person sein müssen, muss es auch einen Weg hinaus geben….

Jonas Leben ist ein Käfig. Als er versucht, sich daraus zu befreien, wird ihm klar, was Himmel und Hölle bedeuten. Wird ihm klar, welche Dimension die Zeit hat… Jonas kämpft, doch der Schlaf ist stärker als er und letztendlich gibt er ihm nach….

Dieses Hörbuch über den Mann, den der Schlaf übermannte, ist krass. Beim Hören ist man völlig geschickt. Gefangen in dieser Geschichte zwischen den Realitäten und beeindruckt von der Coolness eines Mannes, an dessen Stelle die meisten mit ziemlicher Sicherheit bereits nach ein, zwei Tagen wahnsinnig geworden wären. Die Einsamkeit, die Unsicherheit über das Wie, das Warum und das Was, die Nächte, die sich verselbständigen und dieses unsägliche Schweigen um ihn herum – eine unerträgliche Vorstellung. Sechs CDs und keine Sekunde davon überflüssig, keine Sekunde auch nur ansatzweise langweilig. Das liegt unter anderem auch am Sprecher (der übrigens leider den Namen des Autors falsch ausspricht). Heikko Deutschmann liest dieses Hörbuch ohne große Emotion, ohne große Verwunderung über die Geschehnisse und genau das macht den Reiz aus. Es bleibt dem Hörer komplett selbst überlassen, die Phantasie spielen zu lassen, zu entscheiden, welche Stellen wirklich wichtig sind. Das bedeutet aber nicht, dass das Buch langweilig gelesen werden dürfte oder gelesen worden sei. Es ist – ganz im Gegenteil – dermaßen perfekt, dass es tatsächlich nichts mehr zu wünschen übrig lässt. Allerdings sind die persönlichen Anforderungen und Erwartungen an einen Sprecher durchaus sehr unterschiedlich. Wer sich darauf nicht einlassen möchte, ist sicher gut bedient, sich das 400 Seiten starke Buch zu besorgen. Auch weil die CDs eine gekürzte Fassung sind und das eine oder andere wohl doch etwas verloren geht.
5.0 Stars (5,0 / 5)