Véronique Poulain: Worte, die man nicht sagt

Das Leben mit gehörlosen Eltern muss für ein Kind, das ganz normal hören kann, sehr seltsam sein. Aber irgendwie auch spannend. Zum Beispiel dann, wenn man seine Eltern mit „Hallo, Ihr Arschlöcher“ begrüßt und eine freundliche Umarmung erntet. Oder dann, wenn alle anderen Kinder einen beneiden, weil man so eine Art Geheimsprache mit seiner Mutter sprechen kann, weil man sich anschreien kann, ohne ein Wort zu hören. Doch so lautlos, wie man sich taubstumme Menschen vorstellt, sind sie nicht. Auch das zeigt das Buch dieser jungen Frau ganz deutlich.

Véronique beschreibt, wie es ist, wenn man sich als Kind etwas einfallen lassen muss, damit die Mutter einen auch über größere Entfernung wahrnimmt und wie es ist, wenn einem später die Mutter einem immer die Kupplung des Autos zerstört, weil sie sie nicht hören kann. Wie es ist, wenn Sinne ausfallen, die für uns andere so selbstverständlich sind.

Nur leider tut sie all dies ohne große Leidenschaft. Das Buch ist wie ein liebloser Aufsatz, den man schreibt, weil man ihn schreiben muss, und der vom Thema her doch so viel mehr Potenzial geboten hätte. Schade. Sehr schade.
2.0 Stars (2,0 / 5)

Camilla Läckberg: Die Eisprinzessin schläft

Alexandra Wijkner war schön, klug und reich. Sie hatte alles, was man sich nur wünschen konnte. Und doch war sie nett und normal geblieben. Genau deswegen konnte sich keiner im Ort Fjällbacka vorstellen, wer so etwas Grausames getan haben könnte. Wer die junge Frau so brutal ermordet hat und sie dann nackt in der Badewanne tieffrieren ließ.
Vor allem die Journalistin Erica Falck ist entsetzt. War Alexandra doch ihre beste Freundin in der Kindheit und auch diejenige, die ihrer Seele den größten Schaden zugefügt hat, indem sie einfach von heute auf morgen verschwand. Als Erica bei ihren Recherchen für den Nachruf auf den Polizisten Patrick trifft, trifft beide auch Amor. Dauert aber eine Weile, bis sie dahinterkommen. Schließlich werden sie enorm abgelenkt von dem Mord und von den seltsamen Verbindungen, die Alexandra Wijkner noch zu Fjällbacka hatte.

Die Eisprinzessin ist der erste Fall für Erica Falck und Patrick Hedström und wie auch in den vielen folgenden Büchern löst das Ermittlerduo diesen Fall mit viel Herz und Verstand. Es empfiehlt sich übrigens, den ersten Band erst nach der Lektüre von anderen zu lesen. So macht es noch mehr Spaß, zu entdecken, wie es mit den beiden losging und etwas zu wissen, was sie selbst noch nicht erahnen.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Wünsche an dich

Dieses Büchlein ist das optimale Geschenk zur Konfirmation. Hinter der für den Coppenrath-Verlag üblichen geschmackvollen Aufmachung verstecken sich zahlreiche Gedichte und Gedanken, die genau die weibliche Seele in diesem Alter treffen. Ein Buch, in dem man immer wieder ein bisschen stöbern kann, das einem Halt geben kann in dunkleren Stimmungszeiten und das nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt. Schade nur, dass man keinen Platz gelassen hat für eigene Gedanken. Weder für die des Schenkenden noch für die des Beschenkten.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Shane Koyczan: Bis heute

Shane ist gemobbt worden. Schon ganz früh ging das los. Im Alter von acht Jahren nannten alle den Jungen, dessen Eltern ihn verlassen haben, nur Schweinerippchen. Die Schulflure waren ein Spießrutenlauf, im Erste-Hilfe-Koffer keine Bandage für die Seele. All das hat der sympathische junge Mann in einem Gedicht verarbeitet und niedergeschrieben und damit einen ungeheuren Youtube-Erfolg heimgefahren.

Dieses Gedicht ist nun auch als Hörbuch erschienen, eine CD, zweisprachig und vielstimmig, die zum Nachdenken anregt. Nichts für nebenbei mal, sondern etwas, um in die Tiefe zu gehen. Im Rahmen eines Klassenzimmers genauso wie allein im Auto, wo man dem kanadischen Dichter und Autor lauscht, automatisch in sich geht und sich fragt, wie so etwas vermieden werden kann. Ein Kind, so alleingelassen und doch eines von vielen.
Ein Muss für die Fans des Poetry-Slams und ein Soll für alle.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Hannah Kent: Das Seelenhaus

Das raue Island im Jahre 1828. Agnes ist Magd. Die verschlossene, aber sehr selbstbewusste Frau wird des Mordes verurteilt. Der Landrat will ein Exempel statuieren. Die Zeit bis zur Hinrichtung soll sie auf einem Hof verbringen, was die Bauersleut nicht sonderlich begeistert. Wieder arbeitet die Magd hart, versucht zu vergessen, dass der Mann, den sie über alles liebte, nicht nur tot ist, sondern auch noch sie für seinen Tod sterben soll. Schließlich vertraut sie sich einem Vikar an und so langsam kommt ans Licht, dass die Wahrheit vielleicht gar nicht die Wahrheit ist.

Es ist das Debüt der Autorin und es ist außerordentlich gut gelungen. Die bewegende Geschichte, bis ins kleinste Detail recherchiert, basiert auf einer wahren Begebenheit, die die Autorin während eines Schüleraustauschs in Island zu Ohren kam und sie buchstäblich nicht mehr losließ und so weltweit mal schnell die Bestsellerlisten eroberte.
Das Buch ist schon gut, die, leider gekürzte Lesung noch viel besser. Allein das Timbre der Stimme von Tobias Kluckert – wenn man die Augen zumacht, glaubt man Joaquin Phoenix spreche mit einem – gibt schon die entscheidende Würze. Besonders gut hier aber auch Vera Teltz.
4.0 Stars (4,0 / 5)