Ganz klar – Kinderbücher, die deutschen und auch nicht-deutschen Kindern das Land, in dem sie leben, erklären, gibt es bereits einige auf dem Markt. Auch von Ravensburger, selbst aus der Reihe. Daher ist auch dieses Buch nicht die völlige Überraschung. Aber nichtsdestotrotz schön gemacht. Die Zielgruppe sind Acht- bis Zwölfjährige, die sich für sogenanntes ProfiWissen interessieren, also ein bisschen tiefer gehen wollen ins deutsche System. In Politik und Geschichte. Wobei die Tendenz eher von acht weggeht, denn selbst gewiefte Achtjährige tun sich mit dem Inhalt noch ein wenig schwer.
Besonders schön ist die Themenauswahl: Neben geschichtlichen und politischen Themen und natürlich der Frage, was typisch für die Deutschen ist bzw. worin wir richtig gut sind, kommen aber auch Themen zur Sprache wie die Ausbreitung des Wolfes in unserem Heimatland oder auch unsere Dialekte.
Die Aufmachung ist so, wie man es von dieser Buchreihe erwartet: Kurze, verständliche Texte, die trotzdem Tiefgang haben, viele Bilder, Klappdeckel, Aufzählungen und Abwechslung. Und ganz nebenbei erfährt man, dass Berlin 1600 Dönerbuden aufweist, man in Deutschland Hundewaschanlagen finden kann und es immer mehr Waschbären in deutschen Großstädten gibt.
(4,0 / 5)
Archiv für den Monat: Juni 2017
Susanne Lieder: Pusteblumensommer
Charlotte ist alleinerziehend. Doch das allein genügt der Autorin nicht. Das Kind hat noch Asperger – eine besondere Form des Autismus, die vor allem einen äußerst strukturierten Tagesablauf fordert. Für einen Leser, der weiß, was es bedeutet, einen Autisten zum Kind zu haben, ist es eher verwunderlich, dass es Charlotte trotzdem gelingt, sich selbst zu verwirklichen, ihren Job zu kündigen und auf einer Insel in der Nähe noch mal schnell ein Häuschen zu kaufen, es zu renovieren und dort Ziegen zu halten mit dem Ziel Käse herzustellen – nur mithilfe einer bereits äußerst betagten, aber anscheinend extrem fitten Nachbarin und eines jungen Mannes, der natürlich zunächst aus ganz altruistischen Motiven heraus hilft … Und um das Ganze noch zu toppen, taucht plötzlich der Kindsvater auf, es kommt zu einem Unfall und die junge Dame erinnert sich nicht mehr an ihren wunderbaren Helfer, was dem Ex alle Tore öffnet …
Aber wer fordert in einem Roman schon Realitätsnähe? Schließlich geht es doch darum, zu träumen, sich wegzudenken, zu ersehnen, dass man selbst auch einmal in einer verzwickten Lebenslage auf Unterstützung hoffen darf und dabei noch die große Liebe findet. Wer’s mag, der findet hier sicher, was er sucht. Ansonsten ist das ein Buch, das sich höchstens als Urlaubslektüre eignet – für Urlaube, in denen man ein Buch braucht, das man jederzeit an jeder Stelle aufschlagen kann und auch bei Auslassen mehrerer Seiten nichts verpasst hat.
Susanne Lieder kennt man übrigens auch als Rieke Schermer, wobei auch hier Romane mit Inselflair ihr Thema sind.
(1,0 / 5)
Jochen Siemens: Besuch von oben
Johannes Schweikert erlebt etwas, was sich viele von uns von ganzem Herzen wünschen würden. Er steht plötzlich wieder seinen bereits seit 22 Jahren verstorbenen Eltern gegenüber. Sie haben Ausgang im Himmel, oder wo auch immer sie jetzt sind, und dürfen einen Tag auf der Erde verbringen. Zunächst hat der nicht mehr ganz so junge Familienvater damit ziemliche Probleme, aber nach und nach wird ihm klar, was für eine Chance eine so verrückte Sache birgt. Und auch sein Vater nutzt die Gunst der Stunde – die beiden stellen einiges klar, was vorher immer im Unreinen lag.
Bevor man sich beim Lesen in dem Gedanken verliert, dass einem so etwas auch einmal passieren könnte mit einem lieben Menschen, den man verloren hat, bringt einen das Debüt des Stern-Redakteurs immer wieder zum Schmunzeln. Wie Johannes seinen Vater in seinen Freund Harvey verwandelt, damit sich seine Tochter nicht wundert, wie der Vater mit sich kämpft, um in einer solch kurzen Zeit auch nur annähernd zu verstehen, was es mit Handys und Internet auf sich hat und wie er es auf Teufel komm raus nicht verstehen kann, wieso der Architekt nur Einzelteile eines Hauses baut und nicht das ganze Ding …
Jean-Paul Sartre lässt grüßen
Schön auch die kleine Parallelgeschichte, die sich währenddessen im Reich der Toten abspielt. Ein Buch, in dem nicht wirklich viel passiert, das aber in der Lage ist, die Fantasie richtig anzukurbeln. Immer wieder ist man gewillt, den Roman aus der Hand zu legen und über die eigenen ungesagten Worte nachzudenken. Und darüber, wie viele Chancen man wohl noch hat … hier oder dort.
(4,0 / 5)
Endres/Wiemers: Die Prinzessin und die Erbse
Richtig gelesen. Es ist nicht die Prinzessin AUF der Erbse, sondern die mit der Erbse. Eine Erbse, die dem kleinen Frollein, das sonst immer bekam, was es wollte, tierisch auf der Nase herumtanzt. Sie springt ihr übermütig vom Teller und lässt sich von dem geplärrten „Soooooofort stehenbleiben“ nicht im Geringsten beeindrucken. Sie verfolgt sie durch den Park, durch Mäuselöcher, auf Bäume und sie landet ihretwegen im Schweinetrog und wird dabei immer und immer wütender – dass das Personal kein Mitleid mit ihr hatte, war klar. Wer sich sonst so herrisch aufführt … Da wird es der kleinen Prinzessin irgendwann zu bunt, sie schmeißt sich auf den Boden und heult und heult. Und die Erbse tanzt um sie herum, als würde sie sie auslachen. Erst als die Prinzessin ihr etwas ins Ohr flüstert, lässt sie sich von ihr einfangen – und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute miteinander. Was die Prinzessin der Erbse wohl gesagt hat … das soll der kleine Leser selbst herausfinden.
Wer die Prinzessin auf der Erbse erwartet, weil er nicht so genau hingesehen hat, der wird im ersten Moment enttäuscht sein. Aber eigentlich ist es dann doch ein sehr ähnliches Märchen – denn die Protagonistin ist und bleibt ein verzogenes Gör.
Das Buch wird mit einem Poster fürs Kinderzimmer geliefert. Den Stil der Zeichnerin allerdings, den muss man mögen.
(3,0 / 5)
Theil/Lange: Die Händlerin der Worte
Die Geschwister Jonas und Leonie und ihr neuer Freund Pico versuchen der Händlerin der Worte zu helfen Man hat ihr genau die Wörter gestohlen, die die Menschen brauchen, um gut miteinander auszukommen. Doch ohne „Bitte“ oder „Danke“, ohne „Entschuldigung“ oder „Ich helfe Dir“ funktioniert das Zusammenleben nicht und es gilt, sich zu beeilen, bevor der Streit und die Missgunst komplett um sich greifen. Und die Kinder haben durchaus einen Verdacht: Gibt es da doch jemanden, der gerade einen ziemlichen Reibach macht mit verletzenden und äußerst unschönen Wörtern.
Die Idee dieser Händlerin der Worte ist eine sehr schöne. Wie sie ihre Worte pflegt, wie sie sie hortet, poliert und bewundert – jeder, der Sprache liebt, kann sich die Frau sofort bildlich vorstellen. Wie sie an ihrer Waagschale steht und abwägt, welches Wort in welcher Ausarbeitung für den einzelnen Käufer das Richtige ist. Wie sie sich sorgt, um den Verfall der Sprache und dafür kämpft, dass auch Wörter, die nicht jeder kennt, ihren Menschen finden. Sie zeigt, wie man sich mit guten Wörtern vor bösen schützen kann.
Eine sehr schöne Idee, die leider nur bedingt gut umgesetzt ist. Denn ein Buch über die Macht der Worte dürfte nicht einen einzigen Schreib- oder Grammatikfehler enthalten. Schade, dass es doch passiert ist.
(3,0 / 5)
Peter Wohlleben: Gebrauchsanweisung für den Wald
Der Wald ist das Thema schlechthin zur Zeit. Und war es irgendwie schon immer: Der Deutsche und sein Wald. In dieses Horn hat schon Goethe geblasen. Da passt die Gebrauchsanweisung für den Wald, geschrieben von einem passionierten Waldliebhaber und gelesen von Stephan Schad, genau zum Trend. Allerdings geht der leidenschaftliche Förster nicht esoterisch an die Sache – auch, wenn es einem beim Thema Gruppenkuscheln in der Natur schon mal in den Sinn kommen könnte – sondern ganz praktisch: Er gibt sein Wissen weiter über die Waldbewohner – tierisch und planzlich. Man erfährt viel über die heimischen Bäume, darüber, wie der Wald in Zukunft aussehen wird, was man dort erleben kann, ob es eine Jahreszeit gibt, in der er am schönsten ist und warum man im Winter eigentlich durch Klopapier läuft, wenn man einen Spaziergang durch den Wald macht. Man weiß nach dieser CD, warum man Buchen bei Gewitter lieber nicht suchen sollte und dass es Bäume gibt, die ein bisschen zickig, aber trotzdem liebenswert sind. Nicht jeder erfährt hier etwas wirklich Neues (Je größer das Tier, desto seltener kann man es sehen) über eines der letzten fast noch intakten Ökosysteme – aber interessant ist es trotzdem, wenn sich der Jagd- und Monokulturgegner Wohlleben über die vermeintlichen Hüter des Waldes auslässt und darüber, welches Holz sich für was wirklich eignet. Man nennt ihn den Baumflüsterer – ob er das ist, können wir nicht beurteilen, aber irgendeinen Nerv muss er getroffen haben, der Herr Wohlleben, wenn er mit seinen Büchern solchen Erfolg hat. („Das geheime Leben der Bäume“ -über 700.000 verkaufte Exemplare und „Das Seelenleben der Tiere“ – über 250.000 verkaufte verkaufte Exemplare).
Peter Wohlleben ist 1964 geboren und es war schon immer sein Trau, ein Naturschützer zu werden. Wohlleben hat Forstwirtschaft studiert und es zum Beruf gemacht, andere in Seminaren, Führungen und eben Büchern in seine Passion einzuführen. Um den Gedanken des Waldschutzes und der Nachhaltigkeit im Wald weiterzuverbreiten, hat der Autor eine Waldakademie gegründet. Also doch ein Baumflüsterer?
(4,0 / 5)