Man muss nicht ganz fest daran glauben, dann kann man alles werden: Fußballprofi, Rockstar oder sogar der Wissenschaftler, der den Krebs besiegt … das ist die Botschaft dieses Buches, das aufzeigt, wie unterschiedlich die wirklich großen Männer der letzten Jahrhunderte waren bzw. sind und was sie alle miteinander verbindet. Persönlichkeiten wie Prince Harry oder Willy Brandt werden genauso skizziert wie Freddy Mercury, James Dean oder Lawrence von Arabien. Dieses Buch richtet sich gezielt an Juns, erzählt die Lebensgeschichten von 50 Männern und erklärt, was diese so besonders macht. Sie waren nicht alle gut in der Schule, aber sie alle haben an ihre Ziele geglaubt, haben gelernt, an ihren Träumen festzuhalten und mit Niederlagen umzugehen. Und sie alle können jedem von uns – auch den mitlesenden Eltern – den Mut geben, den eigenen Weg zu gehen. Auch, wenn da mal Steine liegen. Denn wie heißt es so schön, frei nach Goethe: Auch aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.
Archiv der Kategorie: Biographie
Sebastian Urbanski: Am liebsten bin ich Hamlet
“Ich bin ein sogenannter Behinderter. Ich möchte mit meinem Buch allen Lesern zeigen, dass man mit uns genauso umgehen kann wie mit allen anderen Menschen auch.“ So beginnt das Buch des Schauspielers Sebastian Urbanski, dessen größtes Vorbild Pablo Pineda ist: der erste Europäer mit Trisomie 21, der einen Universitätsabschluss erlangt hat.
Sebastian Urbanski schreibt über sich, erzählt über seine Kindheit in der ehemaligen DDR, wie seinen Eltern zum Beispiel kurz nach seiner Geburt geraten wurde, ihn möglichst schnell ‚in Obhut‘ zu geben. Was sie nicht getan haben. Stattdessen förderten sie ihren kleinen Sohn, wo sie nur konnten. Der entwickelte eine Liebe zu Brecht, zu Kunst an sich, zum Lesen und zur Schauspielerei. Seine Arbeit im Theater RambaZamba, seinen verwirklichten Traum in ‚Lost Love Lost‘ einmal Hamlet zu spielen und nicht zu vergessen sein Engagement für Menschen mit dem Downsyndrom – all das ist beeindruckend. „Wir sind, verdammt noch mal, alle Menschen“ – das waren seine Worte auf der Bundespressekonferenz im Juli 2012 zum damals neu entwickelten Bluttest.
Im Gegensatz zu vielen anderen Erfahrungsberichten, die holperig zu lesen sind und damit trotz interessanter Geschichten an Faszination verlieren, ist dieses Buch sehr schön geschrieben. Es liest sich flüssig und die Wahl der Worte lässt der Geschichte genug Raum. Auch, wenn ihm mulmig dabei war, wie er sagt, dass fremde Menschen einen so tiefen Einblick in sein Leben und seine Persönlichkeit bekommen, so wollte er doch die Chance nutzen, anderen zu zeigen, wie reich sein Leben ist. Und wie lebenswert. Ein wichtiger Denkanstoß.
(4,1 / 5)
Véronique Poulain: Worte, die man nicht sagt
Das Leben mit gehörlosen Eltern muss für ein Kind, das ganz normal hören kann, sehr seltsam sein. Aber irgendwie auch spannend. Zum Beispiel dann, wenn man seine Eltern mit „Hallo, Ihr Arschlöcher“ begrüßt und eine freundliche Umarmung erntet. Oder dann, wenn alle anderen Kinder einen beneiden, weil man so eine Art Geheimsprache mit seiner Mutter sprechen kann, weil man sich anschreien kann, ohne ein Wort zu hören. Doch so lautlos, wie man sich taubstumme Menschen vorstellt, sind sie nicht. Auch das zeigt das Buch dieser jungen Frau ganz deutlich.
Véronique beschreibt, wie es ist, wenn man sich als Kind etwas einfallen lassen muss, damit die Mutter einen auch über größere Entfernung wahrnimmt und wie es ist, wenn einem später die Mutter einem immer die Kupplung des Autos zerstört, weil sie sie nicht hören kann. Wie es ist, wenn Sinne ausfallen, die für uns andere so selbstverständlich sind.
Nur leider tut sie all dies ohne große Leidenschaft. Das Buch ist wie ein liebloser Aufsatz, den man schreibt, weil man ihn schreiben muss, und der vom Thema her doch so viel mehr Potenzial geboten hätte. Schade. Sehr schade.
(2,0 / 5)
Alois Prinz: Lieber wütend als traurig
Die Diskussion um die RAF-Terroristen, um ihre eventuelle Freilassung, um Reue oder nicht Reue kocht derzeit so richtig hoch. Weder Brigitte Mohnhaupt noch Christian Klar haben je ihre Abkehr vom „Bewaffneten Krieg“ erklärt, im Gegenteil: Klars Statements sagen einiges aus über die Denkweise des Herrn, er scheint nach wie vor voller Hass auf den Staat zu sein. Was einen Menschen überhaupt so weit bringen kann, eine Institution zu hassen und welche Rolle Kindheit und Jugend dabei spielen, versucht Alois Prinz in seinem (Hör-)Buch „Lieber wütend als traurig“ darzustellen. Er verfolgt das Leben Ulrike Meinhofs bis zurück zu seinen Anfängen.
Ulrike wurde 1934 geboren und verlebte ihre ganze Kindheit vor der schrecklichen Kulisse des Zweiten Weltkriegs. Sie war ein gescheites, aber eher unscheinbares Mädchen, das todernst wirkte, selbst wenn es lächelte. Ein Mädchen, das die christlichen Werte seiner Erziehung verinnerlicht hatte. Zu früh verlor sie ihre Eltern, gewann aber mit der Pflegemutter und Professorin Renate Riemeck eine besonders kluge und emanzipierte Frau als weibliches Vorbild. Schülerzeitung, Studentenblatt – das waren ihre Möglichkeiten, ihre immer wohlüberlegte Meinung kundzutun. Sie wollte verändern, bewegen und sie hasste Gewalt. Klaus Rainer Röhl, Herausgeber der KPD-nahen Zeitschrift Konkret, entlockte der intelligenten jungen Frau die weiblichen Seiten. Sie heiratet ihn, wird Chefredakteurin von Konkret und erwartet Zwillinge, die Aufgrund einer unaufschiebbaren Gehirntumorentfernung allerdings zu früh auf die Welt kommen. Die lange Fehlzeit und die unsäglichen Kopfschmerzen, die Ulrike Meinhof nach wie vor plagen, lassen sie bei Konkret in die hintere Reihe rutschen. Doch Ulrike kann sich mit einer Rolle als Nur-Hausfrau und Mutter nicht abfinden, sie ist und bleibt Vollblutjournalistin und findet nie einen richtigen Zugang zu ihren Mädchen. Schon bald trennt sich Ulrike Meinhof von ihrem Mann, zieht mit ihren Töchtern nach Berlin und lernt dort Menschen kennen, die ihr ganzes Leben auf krasseste Weise beeinflussen….
Wie kann aus einer gläubigen Christin und überzeugten Pazifistin eine Terroristin werden? Welche Rolle spielen Muttergefühle, wenn man seinen ganzen „Besitz“ aufgeben soll? Welchen Stellenwert hat in einem solchen Fall der Druck von außen? Der Einfluss durch andere? Wo liegt der Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit?
Auch später, als Namensgeberin der Baader-Meinhof-Bande, galt die inzwischen deutschlandweit bekannte Journalistin als Stimme der RAF. Sie selbst sah sich eher als Drohne, als Arbeitsbiene der Roten Armee Fraktion. Immer wieder musste sie gegen ihre Sehnsucht nach den Kindern ankämpfen, immer wieder kamen ihr Zweifel an der Richtigkeit ihres Tuns und immer wieder spielten Gudrun Ensslin und Andreas Baader entscheidende Rollen in ihrem Leben. Dem Paar fiel es deutlich leichter, sich komplett mit em „Staatshass“ zu identifizieren. Doch all das ist keine Entschuldigung und wird von Prinz auch nicht als eine solche dargestellt. Er polarisiert nicht, er versucht auch nicht, die Sympathien für Frau Meinhof zu wecken, er erklärt nicht – was er tut, ist ein Bild entstehen zu lassen…. Das Bild einer zerrissenen Frau, die statt des friedvollen einen gewaltsamen Weg wählt, um ihre Überzeugungen durchzusetzen. Die für den Tod vieler unschuldiger Menschen verantwortlich zeichnet, die in Deutschland über Jahre Angst und Schrecken verbreitet hat und deren Tod Fragen aufwirft.
Für Mitdreißiger und Ältere ist die RAF ein Begriff, sie war Thema in der Schule, in den Elternhäusern wurde darüber gesprochen, oft auch diskutiert, manchmal sogar sympathisiert, doch viele Jüngere wissen mit der jetzt wieder hoch gekochten Diskussion wenig anzufangen. Für all diejenigen, die mehr über die Hintergründe wissen wollen, ist dieses preisgekrönte Hörbuch gedacht, denn auch die RAF ist ein Stück deutscher Geschichte.
„Wir haben unsere Eltern nach Hitler gefragt, unsere Kinder werden uns nach Franz-Josef Strauß fragen“
Eva Mattes übernimmt mit ihrer sympathischen rauen Stimme die Zitate aus Meinhofs Leben, Axel Milberg die Erzählerrolle. Es wäre gelogen, wenn man von leichter Kost sprechen würde, selbst, wenn das Hörspiel durchaus auch schon Jugendliche als Zielgruppe im Auge hat. Diese Stunden, die man mit dem Leben und Sterben der RAF-Terroristin verbringt, ziehen viele andere Stunden des Nachdenkens nach sich. Parallelen und Gegensätze zu heutigen Terroristen, Ungläubigkeit gegenüber mancher von Meinhofs Reaktionen, Verständnis für einige ihrer Gedanken….
„Der beste Weg zu verstehen, ist für mich, eine Lebensgeschichte zu erzählen. Gerade für Jugendliche, die oft nicht mehr wissen, was die APO oder die RAF waren, ist das Leben der Ulrike Meinhof ein Stück deutscher Geschichte und eine Geschichte über Utopien – warum sie lebenswichtig sind und warum sie lebenszerstörend sein können.“
Alois Prinz hat bereits mehrere Biographien veröffentlicht, unter anderem über Hermann Hesse und auch die Auszeichnung, die er für „Lieber wütend als traurig“ erhalten hat, ist nicht seine erste. Das Werk ist gut recherchiert, der Autor legt Wert auf zunächst unbedeutend erscheinende Kleinigkeiten, die im Laufe der Zeit an Gewicht gewinnen, doch eines hätte er nicht tun sollen: Den Prolog selbst sprechen. Denn ein Sprecher ist er nicht und die Gefahr, dass das rein stimmlich auf den einen oder anderen abschreckend wirken könnte, ist bei einem Hörspiel doch reichlich groß.
(3,7 / 5)