Markus Heitz: Exkarnation – Krieg der alten Seelen

Claire führt ein ganz beschauliches Leben. In einer Kleinstadt. Mit einem lieben Mann und einer wohlgeratenen Tochter. Bis eines Tages ihre persönliche Welt untergeht. Ihr Mann wird überfallen und erschossen, fast schon hingerichtet, sie selbst wird von einem auf sie zurasenden Wagen überrollt. Doch einfach so zu sterben, das lässt sich Claire nicht gefallen. Sie wehrt sich gegen den Tod, was zur Folge hat, dass ihre Seele die Erde nicht verlässt. Und stattdessen in einem Körper erwacht, der eigentlich für jemand ganz anderen präpariert wurde.Eine „alte Seele“ sollte hier einziehen und dadurch ihre Macht vergrößern. Claire steckt in einer Zwickmühle. Zum einen muss sie verstehen, was vor sich geht, zum anderen kann sie niemandem vertrauen und auch nicht zu ihrer alten Familie zurück – wer würde ihr glauben? Bleibt nur Eric – den Heitz-Lesern bereits aus früheren Büchern bekannt…

Gesichter werden weggerissen, Blut spratzelt, Kinder geraten in Gefahr und sind dann selbst die Bösen – Markus Heitz ist erneut nicht zimperlich mit der Wahl seiner Szenerien. Wobei ein bisschen weniger Splatter dem Buch auch nicht geschadet hätte. Die Charaktere sind auch diesmal wieder ganz typisch für den Zwergenmeister, genau wie die Beschäftigung mit einem solchen Thema. Die Varianten, von denen die einzelnen Seelenwanderer überzeugt sind, sind nicht einheitlich und somit bleibt, wieder einmal viel Spielraum offen – auch für die Phantasie. Heitz bedient sich bei den Religionen genauso wie bei der Esoterik und gönnt dem Leser nur kleine Ruhepausen – zum Beispiel in Form von Zitaten rund um das Thema Seele. Und damit gibt er zu denken. Schließlich sieht er es nicht als seinen Job an, das Unerklärliche zu erklären – würde er sich doch so auch um seine eigenen Geschichten bringen. Und dadurch auch uns.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Guillaume Musso: Vierundzwanzig Stunden

Nicht umsonst ist der ehemalige Gymnasiallehrer Musso immer wieder auf den ersten Plätzen der französischen Bestsellerlisten (und nicht nur dieser) zu finden. Seine Figuren sind extrem durchdacht, haben in der Regel einiges durchgemacht und sind echte Charakterköpfe. Nie perfekt, dafür umso liebenswerter. So wie Arthur Costello. Er kommt einem Familiengeheimnis auf die Spur und reist auf den Spuren seiner Vorfahren durch die Zeiten. Für ihn vergehen nur Tage, für seine Umwelt sind es Jahre – und alles, was er sich aufbaut, wird zum Ende hin verschwinden, das prophezeit ihm sein Großvater, von ihm in einer spektakulären Aktion aus der Psychiatrie befreit und sein einziger wirklicher Verbündeter – egal, welche Worte man wählt, man würde diesem Buch nicht gerecht. Zum einen, weil man zu viel verraten würde und damit das Konstrukt Mussos zerstören würde, zum anderen, weil die Geschichte so komplex ist, dass man sie keinesfalls in wenige Zeilen fassen kann.

Das Buch ist ein typischer Musso, ein Spiel mit den Zeiten, den Realitäten einzelner Persönlichkeiten, ein bisschen Liebesroman, ein bisschen Thriller und ein völlig überraschendes Ende. Und das ist das wirklich einzige Manko dieses Buches, das Ende kommt viel zu überraschend, viel zu schnell und lässt dem Leser keinen Atemzug – genial auf der einen Seite, ein bisschen zu heftig auf der anderen. Beim Buch mag das noch gehen, blättert man eben zurück, liest noch mal nach. Beim Hörbuch, das übrigens von Richard Barenberg sehr gut vertont ist, wird es da schon schwieriger. Am besten, man beginnt gleich wieder bei Track eins.
Doch trotz aller schlussendlichen Verwirrung hat dieses (Hör)Buch die Note eins verdient. Mit Stern.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Kate Brian: Shadow Lands

Hauptperson ist Rory, das Mädchen ist um die 14 und das ausgesuchte Opfer eines seit langem gesuchten Serienmörders, der bereits mehr als ein Dutzend junge Frauen auf dem Gewissen hat. Sie entkommt, indem sie ihn überrumpelt und flüchtet. Das FBI wird eingeschaltet, keiner aus der Familie darf das Haus mehr verlassen. Doch der Killer lässt sich so leicht nicht ausschalten. Er installiert Webcams, legt Rosen in ihr Zimmer – Rory flieht, gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Schwester im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms auf eine unbekannte Insel. Dort fasst die Familie schnell Fuß, doch der Killer ist Rory auf den Fersen. Auch jetzt hinterlässt er wieder Spuren, entführt Rorys Schwester, wird aber von der Clique überführt. Was dann passiert, ist dermaßen unglaublich, dass man es selbst lesen muss. Dass man sich selbst verwirren lassen muss.

Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive von Rory, sich selten abwechselnd mit der Sicht des Mörders erzählt. Die Autorin schreibt extrem fesselnd, es ist ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen kann. Zunächst arbeitet sie extrem mit dem Gruselfaktor, spannt dann aber geschickt den Bogen hin über den Krimi zum Psychothriller. Wobei der Thrill alles andere als zu kurz kommt. Es ist keines der Bücher, die man nachts mit der Taschenlampe unter der Bettdecke lesen sollte. Was man aber trotzdem tun wird.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Mirjam Mous: Boy 7

Theoretisch könnte es jedem von uns passieren, dass er eines Tages irgendwo aufwacht, unter Gedächtnisverlust leidet und schnell zu der Erkenntnis kommt: Vertraue niemandem. Nicht einmal dir selbst. Keine schöne Vorstellung.

‚Was auch passiert – ruf auf keinen Fall die Polizei an!‘ – diese Nachricht , mit seiner eigenen Stimme gesprochen, findet Sam Waters auf einem Handy, das er bei sich trägt. Er kann sich an nichts erinnern. Nicht, wie er in die kahle Grasebene kommt, in der er wieder zu sich kam, nicht, wer er ist und woher er kommt. Lediglich der Rucksack, den er in der Nähe findet, scheint einige Indizien zu enthalten. Unter anderem einen Flyer einer Pizzeria, das Foto eines seltsamen Gebäudes und einen kleinen Schlüssel.

Das Mädchen, das Sam aufsammelt und zu einer kleinen Pension mitnimmt, scheint hilfsbereit und nett. Vertrauenswürdig. Doch auch wenn sich Boy Seven, so nennt sich Sam, weil es so in seiner Kleidung steht, nach wie vor an nicht erinnern kann, so kommt er doch Stück für Stück hinter das Geheimnis. Hinter seines und hinter Laras: Der Junge wurde zu Versuchszwecken festgehalten, genau wie andere auch. Ihnen wurde ein Chip hinter das Ohr gepflanzt, mit dem sie komplett steuerbar waren. Es war jederzeit möglich, Teile ihres Gehirns oder auch den gesamten Inhalt zu löschen. Perfekte Voraussetzungen für Verbrechen…

Diese Mischung aus Thriller und Dystopie, gedacht für Jugendliche, nimmt auch ältere Semester komplett in seinen Bann. Die Autorin Mirjam Mous hat sich eine Szenerie ausgedacht, die so abgefahren ist, dass sie wahr sein könnte. Mit Boy 7 ist ihr ein Buch gelungen, das definitiv das Zeug zum Verfilmen hätte.
4.4 Stars (4,4 / 5)

Wiebke Lorenz: Alles muss versteckt sein

Marie befindet sich in der geschlossenen forensischen Psychiatrie. Und von dort aus erzählt sie im Wechsel zwischen Rückblick und Gegenwart ihre Geschichte. Die Geschichte einer Frau, die zu ermorden schien was sie über alles geliebt hat.

Marie erinnert sich nicht daran, was sie getan hat. Dass sie es aber getan hat, daran scheint kein Zweifel zu bestehen. Schließlich wurde ihrem Liebsten, Patrick, die Kehle durchtrennt und zwar als er neben ihr geschlafen hat.
Die Sachlage scheint klar: Marie leidet seit einiger Zeit unter Zwangsvorstellungen. Ihren Job in einem Kindergarten hat sie bereits aufgegeben, aus Angst sie könnte die fürchterlichen Gewaltfantasien, die sie quälen und die weder die Kinder noch sonst jemand verschonen, je einmal in die Tat umsetzen. Hilfe findet sie nur in speziellen Foren im Internet, in denen sie sich mit anderen Zwangserkrankten austauschen kann und sogar eine Freundin findet. Einen Menschen, der sie durch und durch zu verstehen scheint.

Gemeinsam mit Dr. Jan Falkenhagen, ihrem Psychiater, einem sympthatischen Charakter, versucht Marie zu verstehen, was vorgefallen ist. Doch den beiden kommen immer mehr Zweifel daran, dass sie tatsächlich die Mörderin ist.
Wiebke Lorenz gelingt es, selbst den skeptischsten Leser sofort in ihren Bann zu ziehen. Ihr Plot schlägt gekonnte Haken, trickst geschickt all diejenigen aus, die sich schnell sicher fühlen und bereitet das Thema handwerklich so gut auf, dass das Lesen reinstes Vergnügen ist. Gepaart mit der richtigen Portion Spannung, die man durchaus als absolut fesselnd bezeichnen könnte.

Wiebke Lorenz hat sich im Vergleich zu ihrem bereits schon erstaunlichen Vorwerk ‚Allerliebste Schwester‘ noch einmal literarisch gesteigert. Die Autorin, eine ausgebildete Journalistin, arbeitet neben der schriftstellerischen Tätigkeit bei Magazinen und Zeitungen wie Cosmopolitan, Bild oder Die Welt.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Louise Millar: Allein die Angst

Ein guter Thriller bringt unsere verborgensten Ängste zum Klingen. Und das hier ist ein verdammt guter Thriller für Mütter – denn nichts ist schlimmer, als die Vorstellung, sein eigenes Kind in falsche Hände gegeben zu haben.
Allein die Angst ist das, was immer bleibt.

Callie ist alleinerziehend. Und hat niemand außer Suzy von gegenüber. Denn die anderen Frauen wollen nichts mit ihr zu tun haben. Warum, weiß Callie nicht. Noch nicht. Aber sie leidet sowieso weniger für sich als vielmehr für ihre herzkranke Tochter Rae, die so gerne eine Freundin hätte. Als Callie, die von Beruf Sounddesignerin ist, von ihrem ehemaligen Chef ein Topangebot bekommt, greift sie zu. Und kämpft von nun an mit den typischen Problemen vieler berufstätiger Mütter: die Zerrissenheit zwischen Job und Kind, das gehetzte Gerenne zwischen Arbeitsplatz und Hort, das Angewiesensein auf andere und nicht zu verachten: dieses unglaublich schlechte Gewissen, das sich zu bestätigen scheint, als Rae, betreut von einer Nachbarin, auf der Straße stürzt und ins Krankenhaus muss. Und das ist nur der Anfang.
Wem kann man das Leben seines Kindes wirklich anvertrauen?

So viel zur Grundlage der Geschichte. Aber Louise Millar hat sich damit nicht zufrieden gegeben. Und einen Plot erschaffen, der nicht nur von einer Angst, sondern gleich von mehreren lebt. Von Abhängigkeiten, Bedürfnissen und Vertrauen. Denn, was ist, wenn man nicht mehr weiß, wem man trauen kann, wenn vertraute Personen offensichtlich Geheimnisse vor einem haben, wenn die Verrückten letztendlich die Normalen sind und wenn sich die gesamte Realität als verzerrt herausstellt. Gänsehaut und man weiß nicht, warum!

Noch viel besser als das Buch ist das Hörbuch. Denn der für diese Fassung geschickt gekürzte Psychothriller lebt vor allem von den Stimmen der Schauspielerinnen Caroline Peters, Andrea Sawatzki und Stefanie Stappenbeck, denen es gelingt, die Geschichte, die in verschiedenen Erzählformen geschrieben ist, so subtil vorzutragen, dass man sich ganzer Gänsehautschwärme kaum erwehren kann. Das Geniale an ‚Allein die Angst‘ ist, dass der Text an sich eigentlich nichts Beängstigendes hat. Er ist mehr wie Spannung erzeugende Hintergrundmusik zu harmlosen Bildern. Man fühlt sich beunruhigt, weiß aber nicht genau, warum.

Louise Millar ist selbst Mutter zweier Kinder, hat auch einen Mann und man kann nur hoffen, dass sie eine Freundin hat, auf die sich wirklich verlassen hat.

Lewis Perdue: Die Tochter Gottes

Welche Rolle spielt die Frau in der Religion? Gibt es einen Gott oder gibt es vielleicht sogar eine Göttin? Wer ist Maria wirklich und warum wurden in katholischen Gottesdiensten immer schon und immer wieder die alttestamentarischen Texte der Sophia gelesen? Die Anhänger des Gnostizismus sehen in Sophia gar die Urschöpferin des gesamten Universums. Sie ist die göttliche Weisheit, der weibliche Aspekt eines androgynen Gottes, vielleicht sogar ein Teil der christlichen Trinität. Sophia ist das Rätsel, um das sich Perdues neuestes Werk dreht.

Als für ihr Wissen und können bekannte Kunsthändlerin und Gutachterin ist Zoe es gewohnt, mit den teuersten Werken der Welt wieselbstverständlich umzugehen. Als sie aber in das Haus des Kunstsammlers Willi Max gerufen wird, verschlägt es ihr den Atem. Max möchte, dass sie, da er bald sterben wird, sein Vermächtnis betreut und zwar gemeinsam mit ihrem Mann Seth, einem Experten für religiöse Handschriften und Reliquienschreine. Bei der Sammlung handelt es sich um einen Teil der von Hitler gestohlenen Kunstwerke, die der SS-Mann Max bei der Flucht vor den Alliierten an sich nahm. Max will nun, geplagt von seinem Gewissen und so kurz vor seinem Tod, dass Zoe die Werke ihren rechtmäßigen Eigentümern wieder zukommen lässt. Aber das ist nicht alles, was er von ihr will. Der Kunstsammler hat noch ein weiteres uraltes Geheimnis, eine religiöse Wahrheit – die in Hunderten von Jahren unzählige Menschen das Leben gekostet hat: Das Geheimnis um Sophia. Das Mädchen lebte im vierten Jahrhundert nach Christus in einer Region, die als Brutstätte der frühchristlichen Kirche gilt, in der Nähe der anatolischen Stadt Smyrna. In der Siedlung, in der es weder Kirche noch Synagoge gab, stieg Sophia eines Tages auf einen Ochsenkarren und begann zu predigen. Sie vollführte Heilungen, trieb Dämonen aus und wurde von den Menschen als Lehrerin der Gerechtigkeit, als zweiter Messias bezeichnet. Kaiser Konstantin behagte diese Entwicklung gar nicht. Sophia wurde ermordet. Ihr Grabtuch wird im Laufe der folgenden blutrünstigen Geschichte die Hauptrolle spielen. Denn könnte man beweisen, dass das Weibliche göttlich oder das Göttliche weiblich ist, würden die Mauern der Kirche einstürzen. Die Institution wäre ruiniert. Die Gläubigen würden in Jesus Christus nicht mehr den Erlöser schlechthin sehen und Millionen Menschen würden der Kirche den Rücken zudrehen. Um das Geheimnis zu bewahren, wurde und wird gemordet ohne Ende, selbst das Schweigen der Kirche zum Holocaust hat nur einen Grund: Sophia. Seth und Zoe geraten quer durch das ganze Werk von einer blutigen Schlacht in die nächste – ein bisschen viel vielleicht für ein Taschenbuch mit nur etwas mehr als 400 Seiten. Der Lebenssaft spritzt in allen Varianten, teilweise ist es eklig, teilweise einfach nur langweilig. Aber für die, die es rear medium mögen, ist es genau richtig!

Nazis spielen mit, der Vatikan hat seine Rolle, Amerika darf da nicht außen vor stehen und auch der KGB hat was zu melden. Und keinem ist zu trauen. Der eine jagt den anderen, die Hauptdarsteller entkommen mehr oder weniger problemlos jedem Geschütz, waghalsigste Unternehmen sind von Erfolg gekürt. Aber es handelt sich ja hier schließlich auch um Fiktion – und die Geschichte, um die sich dieser Thriller dreht, ist durchaus mitreißend. Allerdings ist es schade, dass Perdue einzelne Fäden aufnimmt, dann aber nicht zu Ende spinnt. Die Schauplätze wechseln zu schnell, Leichen häufen sich in Hotels, Lagerhallen und Stollen – man kann den Überblick verlieren. Wirklich sympathisch als Figur ist eigentlich nur Zoe. Sie zeigt Gefühle, behält aber auch ihren Verstand und sagt deutlich ihre Meinung – und sie findet ihren Glauben wieder. Allerdings in einer sehr modernen Form, die ihren Ursprung rund 300 Jahre nach Christi Geburt hat.

Teilweise beruht „Die Tochter Gottes“ auf der Wahrheit, teilweise auf Vermutungen, die bereits sehr, sehr alt sind und nie bewiesen werden konnten und teilweise beruht sie rein auf der Fantasie des Autors. Die Tatsache, dass die Kirche nicht mehr wirklich einen hohen Stellenwert in unserer heutigen Gesellschaft einnimmt, führt auf der anderen Seite wieder zu einer gewissen Faszination hinsichtlich religiöser Themen und vor allem religiöser Geheimnisse. Damit lässt sich ganz gut Geld verdienen, man bedenke nur, dass „Die Tochter Gottes“ bereits in zwölf Sprachen übersetzt wurde.

Der Amerikaner Lewis Perdue hat sich auf Verschwörungstheorien und Korruptionsthemen spezialisiert. Aber nicht nur das hat ihn bekannt gemacht, auch der Plagiat-Prozess gegen Dan Brown brachte ihm Schlagzeilen ein. Brown soll bei ihm abgeschrieben haben. Denn Perdue veröffentlichte bereits Anfang der 80er Jahre ein Buch namens „The Da Vinci Legacy“.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Lewis Perdue: Die Tochter Gottes

Welche Rolle spielt die Frau in der Religion? Gibt es einen Gott oder gibt es vielleicht sogar eine Göttin? Wer ist Maria wirklich und warum wurden in katholischen Gottesdiensten immer schon und immer wieder die alttestamentarischen Texte der Sophia gelesen? Die Anhänger des Gnostizismus sehen in Sophia gar die Urschöpferin des gesamten Universums. Sie ist die göttliche Weisheit, der weibliche Aspekt eines androgynen Gottes, vielleicht sogar ein Teil der christlichen Trinität. Sophia ist das Rätsel, um das sich Perdues neuestes Werk dreht.

Als für ihr Wissen und können bekannte Kunsthändlerin und Gutachterin ist Zoe es gewohnt, mit den teuersten Werken der Welt wie selbstverständlich umzugehen. Als sie aber in das Haus des Kunstsammlers Willi Max gerufen wird, verschlägt es ihr den Atem. Max möchte, dass sie, da er bald sterben wird, sein Vermächtnis betreut und zwar gemeinsam mit ihrem Mann Seth, einem Experten für religiöse Handschriften und Reliquienschreine. Bei der Sammlung handelt es sich um einen Teil der von Hitler gestohlenen Kunstwerke, die der SS-Mann Max bei der Flucht vor den Alliierten an sich nahm. Max will nun, geplagt von seinem Gewissen und so kurz vor seinem Tod, dass Zoe die Werke ihren rechtmäßigen Eigentümern wieder zukommen lässt. Aber das ist nicht alles, was er von ihr will. Der Kunstsammler hat noch ein weiteres uraltes Geheimnis, eine religiöse Wahrheit – die in Hunderten von Jahren unzählige Menschen das Leben gekostet hat: Das Geheimnis um Sophia. Das Mädchen lebte im vierten Jahrhundert nach Christus in einer Region, die als Brutstätte der frühchristlichen Kirche gilt, in der Nähe der anatolischen Stadt Smyrna. In der Siedlung, in der es weder Kirche noch Synagoge gab, stieg Sophia eines Tages auf einen Ochsenkarren und begann zu predigen. Sie vollführte Heilungen, trieb Dämonen aus und wurde von den Menschen als Lehrerin der Gerechtigkeit, als zweiter Messias bezeichnet. Kaiser Konstantin behagte diese Entwicklung gar nicht. Sophia wurde ermordet. Ihr Grabtuch wird im Laufe der folgenden blutrünstigen Geschichte die Hauptrolle spielen. Denn könnte man beweisen, dass das Weibliche göttlich oder das Göttliche weiblich ist, würden die Mauern der Kirche einstürzen. Die Institution wäre ruiniert. Die Gläubigen würden in Jesus Christus nicht mehr den Erlöser schlechthin sehen und Millionen Menschen würden der Kirche den Rücken zudrehen. Um das Geheimnis zu bewahren, wurde und wird gemordet ohne Ende, selbst das Schweigen der Kirche zum Holocaust hat nur einen Grund: Sophia. Seth und Zoe geraten quer durch das ganze Werk von einer blutigen Schlacht in die nächste – ein bisschen viel vielleicht für ein Taschenbuch mit nur etwas mehr als 400 Seiten. Der Lebenssaft spritzt in allen Varianten, teilweise ist es eklig, teilweise einfach nur langweilig. Aber für die, die es rear medium mögen, ist es genau richtig!

Nazis spielen mit, der Vatikan hat seine Rolle, Amerika darf da nicht außen vor stehen und auch der KGB hat was zu melden. Und keinem ist zu trauen. Der eine jagt den anderen, die Hauptdarsteller entkommen mehr oder weniger problemlos jedem Geschütz, waghalsigste Unternehmen sind von Erfolg gekürt. Aber es handelt sich ja hier schließlich auch um Fiktion – und die Geschichte, um die sich dieser Thriller dreht, ist durchaus mitreißend. Allerdings ist es schade, dass Perdue einzelne Fäden aufnimmt, dann aber nicht zu Ende spinnt. Die Schauplätze wechseln zu schnell, Leichen häufen sich in Hotels, Lagerhallen und Stollen – man kann den Überblick verlieren. Wirklich sympathisch als Figur ist eigentlich nur Zoe. Sie zeigt Gefühle, behält aber auch ihren Verstand und sagt deutlich ihre Meinung – und sie findet ihren Glauben wieder. Allerdings in einer sehr modernen Form, die ihren Ursprung rund 300 Jahre nach Christi Geburt hat.

Teilweise beruht „Die Tochter Gottes“ auf der Wahrheit, teilweise auf Vermutungen, die bereits sehr, sehr alt sind und nie bewiesen werden konnten und teilweise beruht sie rein auf der Fantasie des Autors. Die Tatsache, dass die Kirche nicht mehr wirklich einen hohen Stellenwert in unserer heutigen Gesellschaft einnimmt, führt auf der anderen Seite wieder zu einer gewissen Faszination hinsichtlich religiöser Themen und vor allem religiöser Geheimnisse. Damit lässt sich ganz gut Geld verdienen, man bedenke nur, dass „Die Tochter Gottes“ bereits in zwölf Sprachen übersetzt wurde.

Der Amerikaner Lewis Perdue hat sich auf Verschwörungstheorien und Korruptionsthemen spezialisiert. Aber nicht nur das hat ihn bekannt gemacht, auch der Plagiat-Prozess gegen Dan Brown brachte ihm Schlagzeilen ein. Brown soll bei ihm abgeschrieben haben. Denn Perdue veröffentlichte bereits Anfang der 80er Jahre ein Buch namens „The Da Vinci Legacy“.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Alan Glynn: Stoff

MDT-48 ist eine Designerdroge, aber nicht irgendeine, sie ist Viagra fürs Gehirn.

Wer sie nimmt, durchschaut in Windeseile sämtliche Zusammenhänge, lernt Sprachen in wenigen Stunden und kann problemlos zum erfolgreichen Day-Trader werden.

Wer sie nimmt, wird über kurz oder lang mit Blackouts zu kämpfen haben, mit Zeitsprüngen und mit tierischen Kopfschmerzen. Beides kann und wird tödliche Folgen haben. Doch das alles weiß Eddie Spinola noch nicht, als er mehr oder weniger zufällig an Hunderte dieser kleinen weißen Pillen gegen den Alltagsfrust gerät. Und als er beginnt, die Sache zu durchschauen, ist es zu spät. Die Lifestyle-Droge nimmt Besitz von ihm, die Sucht schleicht sich fies von hinten an, erst psychisch, dann physisch. Die Dinge nehmen unweigerlich ihren Lauf….

Wer Thriller nicht nur mit Killer gleichsetzt, sondern auf der Suche ist nach einer wirklich guten Story, der liegt mit Alan Glynns „Stoff“ genau richtig. Der Tod, der subtil in diesem Werk die Hauptrolle spielt, hält sich trotzdem dezent zurück. Glynn weiß den Leser zu fesseln, der Spannungsbogen ist geschickt aufgebaut und hält bis zur letzten Silbe an. Ein Buch, das man kaum mehr aus den Händen legen mag!

Die Filmrechte am Erstlingswerk des Iren, das im Originaltitel „The Dark Fields“ heißt, sind bereits nach Hollywood verkauft.
3.4 Stars (3,4 / 5)