Auch, wenn er darauf hofft, dass seine Leser nicht so doof sind wie „Facebook-User“, so hält Dietmar Wischmeyer es doch für nötig, in einem Warnhinweis vorweg darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem Buch um SATIRE handelt. Und benutzt dabei Worte, die eine anständige Lady nicht in den Mund nehmen würde. Was sich ein bisschen durch seine kurzen Exkurse in die Welt da draußen hindurchzieht. Auf der einen Seite ist der Satiriker genervt von seinen Mitmenschen, auf der anderen Seite profitiert er von deren Dummheit. Denn was wäre sein Programm ohne auf dem Balkon stehende qualmende Assis, ohne Veganer, ohne den Deutschen an sich und das Internet der Dinge?
Seine Art muss man mögen, den Blick in den Spiegel auch mal aushalten können, Zynisches verstehen – und wenn das so ist, dann kann man mit diesem Buch mal so richtig einen der größten Ablästerer dieser Welt genießen.
(3,0 / 5)
Archiv der Kategorie: Satire
Bernard Mourad: Kauf mich!
Es ist das Werk eines Libanesen, der normalerweise sein Geld mit Investmentbanking verdient. Man ahnt daher schnell, wie die Hauptfigur Alexandre Guyot auf die Idee kommt, sich selbst an der Börse anzubieten. Zunächst stehen die Aktien im wahrsten sinne des Wortes gut: Der zweiundreißigjährige Pariser ist das erste menschliche Wesen, das an der Börse notiert ist – und damit für kurze Zeit der Nabel der Welt. Nach einem Emissionspreis von rund 30 Euro liegt der offizielle Preis bei der Erstnotiz bereits beim Dreifachen – die Individualgesellschaft hat eine Marktkapitalisierung von über 12 Millionen erreicht. Das freut vor allem diejenigen, die an Alex prozentual Anteil haben. Guyot liebt seinen Job, wohnt angemessen, lebt gut und erfüllt alle Erwartungen, die sein Prospekt verspricht – allerdings nur solange, bis ihn Gefühle aus dem Tritt bringen, denn sobald die Ich-AG schwächelt, schwächelt auch der Kurs und es kommt zu einer feindlichen Übernahme….
Die Idee zu „Kauf mich!“ ist genial, der Wert eines Menschen bekommt eine ganz neue Bedeutung, die Umsetzung allerdings ist an manchen Stellen etwas gewöhnungsbedürftig. Bernard Mourad spart nicht mit Fremdwörtern. Wären diese nur dem Börsenjargon entnommen, so könnte man es als durch die Umstände gegeben hinnehmen. Doch um dieses Taschenbuch flüssig zu lesen, sollten Worte wie gastroösophageal oder priapisch unbedingt zum eigenen Wortschatz gehören – denn teilweise ist sogar das Fremdwörterbuch hier überfragt. Wer allerdings sein Wissen um ein paar extravagante Ausdrücke erweitern will und so ganz nebenbei noch auf der Suche ist nach einer guten Geschichte, der kann sich auf 270 spannende Seiten freuen.
(5,0 / 5)
Tom Perrotta: Little Children
„Little Children“ von Tom Perrotta ist ein Roman. Irgendwie aber ist er auch eine Satire! Oder sogar ein Thriller? Das People Magazine nannte das Buch auch eine Komödie. Egal, eines ist es auf jeden Fall: klasse! Es beinhaltet alles, was man sich wünschen kann: eine gute Story – nicht die Neuste, zugegeben. Spannende Nebenschauplätze, wunderbar verbunden mit der Rahmenhandlung und einen spitzfindigen Einblick in die heutige Gesellschaft.
Die Hauptfiguren sind Sarah und Todd. Beide sind verheiratet, beide haben ihre Karriereträume für sich schon begraben. Beide sind Eltern und mit den Kindern zuhause. Sarah war als Studentin engagierte Feministin, Todd als ehemals umjubelter Footballstar genau das Gegenteil. Sie treffen sich auf einem Spielplatz und verlieben sich ineinander. Im Laufe der Affäre, die zwangsläufig daraus folgen muss, wird beiden immer deutlicher, dass sie genau da gelandet sind, wo sie nie hinwollten: in einer miefigen Vorstadtatmosphäre, die sich überall auf der Welt so oder so ähnlich wieder findet. Sie beschließen zu flüchten….
Parallel dazu erzählt Perrotta die Geschichte des aus der Haft entlassenen Sexualstraftäters Ronnie McGorvey, einem perversen Pädophilen, der bei seiner Mutter Unterschlupf gefunden hat und von dem ehemaligen Cop Larry hasserfüllt gejagt wird. Wie ein Zopfstrickmuster werden die Handlungsstränge immer wieder zusammengeführt und gipfeln dann im Finale. Absolut lesenswert!
Das Buch, das bei uns erst jetzt im Herbst herauskam, ist in Amerika bereits 2004 erschienen und wurde mit Kate Winslett in der Hauptrolle verfilmt. Filmstart ist in Deutschland am 18. Januar 2007. Es ist nicht das erste Werk Perrottas, das seinen Weg auf die Leinwand gefunden hat. Auch die Komödie „Election“ kam mit Reese Witherspoon und Matthew Broderick in die Kinos.
(4,0 / 5)