Dietmar Wischmeyer: Achtung Artgenosse

Auch, wenn er darauf hofft, dass seine Leser nicht so doof sind wie „Facebook-User“, so hält Dietmar Wischmeyer es doch für nötig, in einem Warnhinweis vorweg darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem Buch um SATIRE handelt. Und benutzt dabei Worte, die eine anständige Lady nicht in den Mund nehmen würde. Was sich ein bisschen durch seine kurzen Exkurse in die Welt da draußen hindurchzieht. Auf der einen Seite ist der Satiriker genervt von seinen Mitmenschen, auf der anderen Seite profitiert er von deren Dummheit. Denn was wäre sein Programm ohne auf dem Balkon stehende qualmende Assis, ohne Veganer, ohne den Deutschen an sich und das Internet der Dinge?
Seine Art muss man mögen, den Blick in den Spiegel auch mal aushalten können, Zynisches verstehen – und wenn das so ist, dann kann man mit diesem Buch mal so richtig einen der größten Ablästerer dieser Welt genießen.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Bastian Biehlendorfer: Mutter ruft an

Er ist ein Lehrerkind und als solches hat er es ja schon nicht leicht. Aber seine Eltern sind wirklich etwas ganz Besonderes. Bastian, ein preisgekrönter Poetry-Slammer und Gewinner von immerhin 32.000 Euro bei Günther Jauch wurde nach seinem Auftritt dort von Verlagen umkämpft. Seine bald darauf erschienenen Bücher schafften es problemlos über Wochen an die Spitze der Spiegel-Bestsellerliste. Doch der arme Bastian kämpft trotzdem hart um die Anerkennung seiner Eltern. In ihren Augen ist er arbeitslos und wenn sie sich überhaupt damit befassen, dass er so etwas wie ein Autor sein könnte, dann höchstens in der Form, dass sie bei seinem Verlag anrufen und hier mal was klarstellen. Aber seine Mutter ruft nicht nur beim Verlag an, sondern auch dauernd bei Basti und seiner Freundin. Und wenn sie mal nicht anruft, gerät ihr Sohn in Panik. Unter dem Titel „Mutter ruft an – Mein Anschiss unter dieser Nummer“ erzählt er mit gewohntem Wortwitz über die Standleitung zu seiner Mum und Papa, der sowieso immer voll hinter ihr steht ohne je zu wissen, worum es überhaupt geht. Prinzip ist Prinzip.

Mama ruft an, wenn sie das Internet kaputt gemacht hat, ihr W-Lan-Kabel nicht funktioniert, der Hund tot ist oder sie gerade mal wieder jemand in den Wahnsinn getrieben hat – wobei ihr Festnetz des Grauens stilvoll ergänzt wird durch SMS.

Wer mal wieder so richtig herzhaft lachen möchte und das gilt vor allem für die, die sich ein kleines bisschen selbst wiedererkennen – in einer der beiden Rollen – dem sei dieses Hörbuch sehr ans Herz gelegt. Denn keiner kann Bastian Biehlendorfer besser als er selbst.
4.5 Stars (4,5 / 5)

Claudius Pläging: Not am Mann

Blöder hätte es ja eigentlich nicht laufen können: Eigentlich wollten sie nur miteinander schlafen, doch dann kommt es zwischen Miriam und Sebastian zu einem Missverständnis, das glatt einen Wohnungsbrand auslöst, Sebastian in eine äußerst verzwickte Lage bringt und Miriam eine ganze Weile im Krankenhaus beschert. Da es gegen Eigenverschulden keine Versicherung gibt, sind die beiden innerhalb kürzester Zeit nicht nur ihre Wohnung, sondern auch die gesamte Existenz los. Alles gerät aus den Fugen und letztendlich landet Sebastian für kurze Zeit im Knast. Gemeinsam mit Kiki, einem Schwerverbrecher mit kindlichem Herz. Doch damit nimmt das Elend erst recht seinen Lauf, denn Sebastian schlittert slapstickmäßig von einer beschissenen Situation in die nächste, wird in Dinge reingezogen, mit denen er im Leben nichts zu tun haben wollte und versucht letztendlich das Blatt zu wenden und doch noch der Held zu werden, den Miriam immer gern in ihm gesehen hätte. Doch die Rechnung geht nicht auf und Sebastian muss feststellen: Das Leben ist ein Arschloch.

Die Geschichte ist witzig, viele Situationen sind so hanebüchen an den Haaren herbeigezogen, dass es schon wieder Spaß macht, sich darauf einzulassen. Dieses Buch fällt damit unter die Kategorie Comedy-Roman und ist so in bester Gesellschaft. Claudius Pläging, dessen Frau von ihm behauptet, er hätte mit seinem Antihelden einiges gemeinsam, ist eigentlich ein studierter Politikwissenschaftler, arbeitet heute aber als Autor diverser Comedy- und Unterhaltungsshows wie TV-Total. Und kann damit problemlos mithalten mit Tommy Jaud und Kollegen.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Barbara Ruscher: Fuck the Möhrchen

„Bin noch im Bauch.“ Mit diesen Worten beginnt der erste Roman der Kabarettistin Barbara Ruscher. Erzählt ist er aus der Sicht von Baby Mia und ihrer ersten Zeit auf Erden. Fängt schon alles irgendwie blöd an: Der Mutterkuchen bockt, der eigene Vater wird mit dem Krankenhausclown verwechselt und alle heulen . Alle bis auf die Anthroposophen-Hebamme. Mia fühlt sich hässlich, schreit und bekommt von „Du hast es geschafft mein Schatz“ erst mal eine fette Brustwarze in den Mund gestopft – um ihr diesen zu stopfen. Mia zieht es vor, erst einmal zu schlafen, um dann beim Aufwachen gleich den nächsten Schrecken zu erleben: liegt doch neben ihr eine fürchterlich behaarte Gestalt, der sie nicht entfliehen kann. Was sich letztendlich als positiv herausstellt, ist der leicht pervers veranlagte klugscheißernde Teddy zunächst doch der einzige, der sie mit ihrem Babygegurgle verstehen kann.

Grundsätzlich hätte das ein richtig gutes Buch werden können. Müttergezicke, Schnullervergleiche, der Kampf gegen Teppichmilben, die klassische Kurssituation und die damit zusammenhängende obligatorische „Ich schau dann mal in anderen Betten vorbei bis du abgestillt hast“-Nummer des holden Vaters hätten etwas hergeben können. Wobei die Betonung auch hier eindeutig auf dem Konjunktiv liegt. Denn geworden ist es im Großen und Ganzen eine Ansammlung von möglichen Babyerlebnissen. Aus der Sicht eines Kindes, das nachvollziehbarerweise zwar die einfachsten Dinge nicht kennt, sich aber andererseits auf Gebieten als Spezialist ausweist, die wohl den meisten Erwachsenen fremd sein dürften. Und eines muss noch gesagt sein: Selbst, wenn man offen ist für neue Wege bei der Titelfindung, dieser Titel hätte besser sein können. Das Ordinäre passt nicht im Geringsten zu dem Buch. Wobei, es ist eher bedingt witzig und damit hat es dann doch einiges mit diesem Roman gemeinsam.
1.3 Stars (1,3 / 5)

Philipp Weber: Essen kann jeder

Philipp Weber ist nicht nur ein Kabarettist, er ist auch studierter Biologe und Chemiker. Diese Kombination prädestiniert ihn geradezu zum Autor dieses Buches. Natürlich ist er nicht der Erste, der Ernährungslügen auf den Prüfstand stellt, einem gehörig den Appetit mit diversen Studienerkenntnissen verdirbt und einem klar macht, dass Außerirdische mit Bakterienerkennungssystem im typisch deutschen Haushalt lieber aus dem Klo als aus dem Kühlschrank essen würden. Wissen wir bereits, theoretisch zumindest. Aber er ist der Erste, der es so gekonnt verpackt. Der kaum eine Seite vergehen lässt, ohne dass man über die Gesellschaft an sich, das hanebüchene Handeln der Food-Ketten oder sich selbst lachen muss, obwohl all das doch eher zum Heulen ist. „Ich bin Kabarettist. Und als Kabarettist betrachte ich die Dinge aus einer ganz besonderen Perspektive, nämlich aus dem Blickwinkel der Satire. Die ist hier ausgesprochen hilfreich. Schließlich geht es in manchen Ess-Internetforen beim Diskutieren verbissener zu als in einem Chatroom von al-Quaida:“
Dass die Lebensmittelindustrie hinter dem Wort Aroma rund 2500 verschiedene chemische Substanzen versteckt, dass Kinder vor lauter Vitamin und Co-Zugaben teilweise völlig überdosiert sind und das in der Regel mit Zucker nicht wettzumachen ist oder dass Fleischkonsum ein ökologisches Destaster darstellt, das ist alles nachvollziehbar. Selbst kochen, Produkte aus der Region verwenden, auf Fertigkost verzichten – alles kein Problem. An der Information, dass pro Minute derzeit 12300 Nespresso-Espressi durch die entsprechenden Lifestyle-Maschinen donnern und das umgerechnet am Tag 19 Tonnen Aluminium-Abfall produziert, lässt einen schon eher schaudern. Vor allem dann, wenn man selbst eine solche Maschine besitzt. Da lenkt man sich am besten schnell ab mit einem Spiel, das Tütensuppen- und Fertiggerichteraten heißt. Einfach Zutaten vorlesen und erraten, was für ein Gericht das sein soll. Hervorragend hier eine Mahlzeit mit 63 Zutaten, unter anderem Riboflavin, Glucosesirup, Stabilisator Diphosphate, Ammonsulfit, Monosodiumglutamat, und Mono- und Diacetylweinsäureester: Nürnberger Rostbratwürste mit Kartoffelbrei und Sauerkraut. Natürlich Hausfrauenart. Wie sonst.

Karl Blessing Verlag, erschienen am 18. Mai 2013 unter ISBN 978-3896674937, broschiert 272 Seiten, Preis: 18,99 Euro

Heike Abidi: Wahrheit wird völlig überbewertet

Friederike gerät in einen weiblichen Albtraum: Ihr Wohlfühlbäuchlein wird mit den ersten Anzeichen einer Schwangerschaft verwechselt und ihr gelingt es nicht, das Missverständnis schnellstmöglich wieder aus der Welt zu schaffen und den Ball der Peinlichkeiten zurückzupassen. Die Lawine, die daraufhin ins Rollen kommt, lässt den Leser fast 400 Seiten lang in einem Zustand zwischen Fremdschämen und Dauergrinsen verweilen. Das Lügengeflecht, das sich um die junge Marketingfachfrau spinnt, die ja eigentlich schon mit ihrem bevorstehenden vierzigsten Geburtstag und ihrem durchgeknallten ererbten Papagei genug zu tun hat, wird immer enger. Doch jedes Mal, wenn man glaubt, jetzt kommt sie da nicht mehr raus, findet die Autorin Heike Abidi einen tatsächlich glaubwürdigen Weg, sich noch mehr in die Bredouille zu reiten.

Endlich mal wieder ein Buch, das man als wirklich witzig empfehlen kann. Die Hauptfigur eignet sich ganz wunderbar zur Identifikation. Wobei gerade der krasse Gegensatz zwischen der schonungslosen Ehrlichkeit mit sich selbst und dem Verstricken der Wahrheit anderen gegenüber den Reiz des Buches ausmacht. Chapeau!
Quer durch alle Altersgruppen und Verlage hat Heike Abidi, die auch unter dem Pseudonym Emma Conrad schreibt, übrigens noch einiges vor in den nächsten Monaten und Jahren: Frauenromane, Krimis, Kinder- und Jugendbücher – auf den weiteren Werdegang dieser Autorin darf man gespannt sein.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Christian van der Ploeg: Badewannenblues

Alex hält sich für einen Frauenversteher und das ist ein böser Fehler. Denn anstatt nur im Geringsten zu ahnen, was in den Köpfen der weiblichen Wesen um ihn herum so vor sich geht, verstrickt er sich in die abstrusesten Geschichten.

Und fast stellt er sich dabei selbst ein Bein. Gerade mit dem Studium fertig und sozusagen auf einer Strecke zwischen dem Larifari der letzten Jahre und dem Ernst des Lebens widmet er sich seinem Seelen- und Liebesleben. Schließlich ist da eine Ex-Freundin, ein Two-Nightstand, der mehr will und ein Mädel, in das sich Alex unsterblich verliebt. Und bei dem er sich täglich neu zum Affen macht. Nicht zu vergessen, seine beste Freundin und seine Mutter. Eine Sternenkonstellation, die dem armen Alex, der seine Tage derzeit bevorzugt mit etwas Hochprozentigem in der Badewanne sitzend und sinnierend verbringt, ziemlich zu schaffen macht.

Christian van der Ploeg, der übrigens in Tokio lebt und arbeitet, gibt uns Frauen hier einen netten und wortwitzigen Einblick in die Männerseele. Und an so mancher Stelle erkennen wir in Alex unseren Derzeitigen, unseren Ex, unseren Bruder oder unseren besten Freund wieder – also den ganz normalen Mann. Macho und Softie in einem , ziemlich komisch und gleichzeitig tragisch und einfach irgendwie liebenswert.

Besonders gelungen ist das stilistische Mittel, jedes Kapitel mit einem Rezept für ein gelungenes Bad à la Alex zu beginnen. Vom ‚Im –Siebten-Himmel-Bad‘ über das ‚Der-Morgen-danach-Bad‘ bis hin zum ‚Frustbad‘, das allerdings nicht zum Nachahmen empfohlen werden kann.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Mark Kuntz: Der letzte Raucher

Raucher können einem derzeit wirklich leid tun. Jede gemütliche Nische wird ihnen weggenommen, niemand will sie haben und gerade die, die selbst früher geraucht haben, schwingen manchmal die intolerantesten Reden. Für all diejenigen, die sich trotz aller Hetzkampagnen ab und zu einen Glimmstängel anzünden und auch für die, die nur aus Vernunftsgründen aufgehört haben und wehmütig an die „gute, alte Zeit“ zurückdenken, gibt es jetzt ein Hörbuch auf dem Markt, dessen Thematik nur für echte (Ex-)Raucher verständlich ist – und die werden ihren Spaß haben. Garantiert.

Man kann es wirklich übertreiben mit den rauchfreien Zonen und am schlimmsten sind eben leider genau die, die eigentlich selbst noch süchtig sind, es aber niiieeee zugeben würden. So wie der Dirk, bei dem der Held des Hörbuchs eingeladen ist. Gerade mal ein paar Wochen Nichtraucher und dermaßen selbstgefällig, dass einem der Protagonist wirklich leid tun kann. Da geht er halt erst mal eine rauchen, um seine Nerven zu beruhigen und wird von der illustren Nichtrauchergesellschaft des Abends auf dem Balkon vergessen. Man zieht „um die Häuser“ und unser Held steht draußen. Mit 27 Zigaretten und einer Menge Gedanken, die es zum Thema zu denken gilt.

Bei diesem Hörbuch hat man ein Dauergrinsen im Gesicht. Mark Kuntz trifft es dermaßen auf den Punkt und ab und zu hätt ich mich gerne mit ihm auf den zugigen Balkon gestellt und aus Solidarität eine mitgequalmt.

Schön auch die Umsetzung von Schauspieler Peter Jordan. Seine Stimme liegt irgendwo zwischen entspannt und arrogant – absolut genial und perfekt für diesen Text! Am besten finde ich seine Betonung des Namens Dirk. Sofort kommen einem Assoziationen zu Menschen im Bekanntenkreis, die genau so sind und bei denen man auch nicht wirklich weiß, warum man immer noch Kontakt zu ihnen hält.
4.5 Stars (4,5 / 5)