Dani Atkins: Wohin der Himmel uns führt

Beth hat ihren Mann verloren, ein gemeinsames Kind wurde ihnen nie geschenkt, trotz aller Versuche. Doch noch ist ein einziger Embryo eingefroren und Beth möchte diesen Weg gehen. Doch dann muss sie erfahren, dass es schon vor Jahren zu einer tragischen Verwechslung gekommen ist und das Kind einer anderen Frau eingepflanzt wurde. Ihr erster Impuls ist, sich ihren Sohn zurückzuholen, koste es, was es wolle. Doch dann treffen die beiden Frauen aufeinander und die jeweiligen Welten geraten vollends ins Wanken. Dieser Schicksalsroman ist so, wie wir es von der Autorin erwarten dürfen: im Zentrum steht die Mutterliebe und um sie herum kreisen die unterschiedlichsten Facetten, Gedankenmodelle und viel Leid. Die entscheidende Frage ist: Wie viel Liebe braucht es, um loszulassen?

Ein Buch, das man kaum aus der Hand legen mag und das wieder einmal ganz großes Gefühlskino ist.

Ulrike Wolff: Die Dame vom Versandhandel

Fulda zu Zeiten des Wirtschaftswunders ist die Zeit einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist. Annie ist eine bewundernswerte, durchgreifende und dazu megaempathische Persönlichkeit und eigentlich führt sie das Unternehmen ihres Mannes – eines der ersten Versandhäuser in Deutschland. Sie hat die Ideen, sie sorgt für den Schwung und gemeinsam sind sie ein echt gutes Team. Doch plötzlich verändert sich etwas bei Kurt, er flüchtet sich in sein Hobby, das Dressurreiten, überlässt ihr immer mehr die Geschäfte und das Schlimmste – er fasst sie nicht mehr an. Annie leidet darunter, weiß nicht, wie sie damit umgehen soll und stürzt sich in die Arbeit.

Stück für Stück kristallisiert sich beim Lesen die unglaubliche Familiengeschichte heraus, die dazu führt, dass Kurt sich so seltsam verhält, dass die beiden fast wie aus dem Nichts heraus plötzlich einen jugendlichen „Sohn“ haben, dass … nein, zu viel soll nicht verraten werden. Denn dieses Buch ist ein Highlight!

Tobias Steinfeld: Scheiße bauen: sehr gut

Vor kurzem war Paul noch ein ganz normaler Achtklässler an einem ganz normalen Gymnasium. Doch plötzlich findet sich der Vierzehnjährige in einem Förderzentrum wieder. Eigentlich zum Schnupperpraktikum, aber aufgrund einer Verwechslung sitzt Paul auf einmal als Per, der Neue, in einer Klasse mit geistig und teilweise auch körperlich eingeschränkten Mitschülern. Was er gar nicht so schlecht findet, bedeutet es doch, dass er nicht nur ums Arbeiten herumkommt, sondern auch noch ganz offiziell zocken und chillen kann. „Fatih zwinkert mir zu. Ich zwinker übertrieben zwinkertickmäßig zurück. ‚Bist du behindert?‘, fragt er. Vielleicht bin ich ja in Wirklichkeit auch behindert. Woher weiß ich das? Wissen die Behinderten denn überhaupt, dass die behindert sind?“ Diese Frage und die Frage, ob nicht vielleicht alle anderen, und zwar die, die sich für ‚normal‘ halten, viel behinderter sind, fragt sich der Per-Paul in den nächsten Tagen immer öfter. Er freundet sich mit Fatih an – eine Freundschaft, die gravierende Folgen hat. Denn auch hier gibt es fürs Scheiße bauen keine Eins.

Der Autor dieses Buches, Tobias Steinfeld, jobbte während seines Studiums an einer Förderschule, sein Coming-of-Age-Roman ist sozusagen so eine Art authentischer Einblick. In eine Schulform, die wie jede andere auch, aus der Individualität der Individuen besteht.

Andreas Völlinger: Burg Tollkühn

Wenn die eigenen Eltern berühmt sind, dann kann das ja eine Menge Vorteile haben. Kann, muss aber nicht. Für Siggi jedenfalls ist es nicht so toll, wenn jeder bei Eltern wie Siegfried und Kriemhild von ihm erwartet, dass er das Heldentum sozusagen mit der Muttermilch eingesogen hat, den Sprössling aber bereits kleine Mäuschen oder Spinnen in die Panik treiben. Was da los ist, wenn auf dem Stundenplan der Heldenschule das Fangen kantropischer Killerhasen oder der Umgang mit Krallenwürgern steht, kann man sich ausmalen. Aber all diese Monster sind gar nichts im Vergleich zu Hagen, eingebildeter Heldennachwuchs und Lebensschwermacher. Doch Siggi ist nicht allein, ihm zur Seite stehen die ehrgeizige Brünhild, der tollpatschige, aber herzensgute Elf Filas und ein Geist – da fallen Heldentaten gar nicht so schwer. Selbst dann, wenn sie eigentlich so nicht geplant waren.

Dieses Buch hat das Potenzial, selbst Lesefaule einzufangen. Und notfalls lässt es sich auch ganz wunderbar vorlesen. Die Charaktere sind mega-sympathisch und auch, wenn die kleinen Helden noch Eingewöhnungsschwierigkeiten haben, diese Schule hat Zukunft – das zeigt sich schon in Band zwei, der bereits erschienen ist und sicher nicht der letzte war.