Bionik

4.6 Stars (4,6 / 5)
Viele Dinge, die der Mensch erfunden hat, hat er eigentlich gar nicht erfunden. Er hat sie sich abgeguckt und zwar bei der Natur. Bionik nennt sich die Wissenschaft, die bei natürlichen Vorbildern nach Lösungen für technische Probleme sucht. Der Biologe Martin Zeuch erklärt in diesem neuesten „Was ist was“-Band, wie man sich den Ideenreichtum der Natur zu nutze macht.

Der Botaniker Raoul Francé sieht sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Begründer einer neuen Wissenschaft, der Biotechnik, die heute Bionik genannt wird. Er erfand unter anderem den Salzstreuer und zwar nach dem Vorbild der Samenkapsel einer Mohnpflanze. Fassadenfarbe, die sich wie eine Lotusblüte selbst reinigt, Roboter, deren Gang der Stabheuschrecke abgeschaut ist und Schwimmanzüge, die wie die Haut eines Hais aufgebaut sind – die Natur hat oft optimale Lösungen gefunden, um sich der Umgebung anzupassen. In der Bionik werden die beobachteten Vorgänge auf anderes übertragen. Letztendlich genau nach demselben Prinzip, nach dem die ersten Fluggeräte gebaut wurden – Imitation. Heute sieht man immer genauer hin und verfügt über Utersuchungsmethoden, die die Geheimnisse von Tieren und Pflanzen deutlich offen legen.

Anschaulich, kindgerecht und gewohnt übersichtlich verschafft auch Band Nr. 122 aus dieser bekannten Reihe einen guten Einblick ins Thema. Seit 45 Jahren sind die „Was ist was“-Bücher der Inbegriff der Wissensvermittlung. In den Themenbänden mit Titeln wie „Unsere Erde“, „Licht und Farbe“, „Die Zeit“ oder „Der Regenwald“ werden alle offenen Fragen zu beinahe jedem Thema ausführlich beantwortet. „Was ist was“ bietet gerade für diejenigen das Richtige, die sich etwas genauer mit einer Sache auseinandersetzen wollen. Aber auch als Anregung oder sogar als Hintergrundwissen für uns Erwachsene eignen sich diese Bücher optimal. Es macht immer wieder Spaß, darin herumzublättern und Neues zu entdecken und damit auch wieder in der Lage zu sein, Neues zu erklären.

Im Jubiläumsjahr 2006 werden alle Titel aktualisiert, zweimal jährlich erscheint ein neuer Band.

Moritz Petz und Amélie Jackowski: Der Dachs hat heute schlechte Laune

Neu ist es eigentlich nicht, dieses Bilderbuch. Aber neu aufgelegt. Und aufgelegt ist auch die Hauptperson, der Dachs. Allerdings schlecht aufgelegt, sozusagen richtig schlecht gelaunt.

Und diese miese Laune gibt er systematisch an alle weiter, die ihm begegnen. Egal ob Waschbär, Hirsch oder Eichhörnchen, sie werden angesteckt, bis zum Schluss der ganze Wald schlecht gelaunt ist. Ausgenommen die Amsel, die dem Dachs hilft, sein egoistisches Verhalten wieder gutzumachen und spielerisch die schlechte Laune aller zu verscheuchen.

Moritz Petz und Amélie Jackowski ist ein Bilderbuch gelungen, das mit einfachen Mitteln zeigt, wie wichtig es ist, sich auch einmal zurückzunehmen. Nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse zu hören, sondern sich auch Gedanken über die der anderen zu machen. Extrem goldig dabei der von mieser Laune gebeutelte Dachs, den die Französin ganz herrlich mit ihrem Pinsel einfängt.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Graffiti Moon

Lucy liebt Shadow. An sich nichts Besonderes. Doch Lucy kennt Shadow gar nicht. Nur seine Graffitis, die er überall in Zusammenarbeit mit einem gewissen Poet in der Stadt hinterlassen hat und die ihn als wahren Künstler auszeichnen. Das Mädchen fantasiert eine ganze Menge in den Wunderjungen hinein, projiziert seine Träume in die Bilder, die graue Wände zum Leben erwecken. Parallel zu ihrer Suche nach Shadow schlägt sich die hübsche Jugendliche mit Ed herum und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Das erste Date der beiden geht gewaltig in die Hose, denn nachdem er es gewagt hat, sie unflätig anzufassen, hat sie ihm die Nase gebrochen. Ein zweiter Anlauf ist damit so gut wie ausgeschlossen, doch im Laufe einer Nacht, in der Ed ihr verspricht, sie Shadow vorzustellen, kommen die beiden nicht umhin, sich näher miteinander zu beschäftige n und merken, dass sie deutlich mehr gemeinsam haben, als ursprünglich gedacht.

Das Buch ist schon gut, aber das Hörbuch ist nur schwer zu toppen. Die Stimmen der jungen Schauspieler Birte Schnöink und Mirco Kreibich sind genial gewählt für dieses Hörstück erster Klasse, für das Erzählen der Story aus den verschiedenen Perspektiven. Die Geschichte um die zwei jungen Menschen auf der Suche nach dem Ich, ihre jeweilige Beziehung zu alten, fast schon weisen Männern, die ihnen Halt im Leben geben und die Dynamik der Cliquen in diesem Alter – besser als es der Australierin Cath Crowley in Graffiti Moon gelungen ist, hätte man es kaum treffen können.

Märchenprinz 2.0

Von heute auf morgen gerät Isabelle aus dem Gleichgewicht. Sie, die alles so gut im Griff zu haben schien, hat ihren Mann David mit einem ziemlich eigenwilligen Sex-Experiment vertrieben und ihren Fotografen-Job verloren, weil sie ein Dixie-Klo in die Luft gesprengt hat. Jetzt wohnt sie mit der kleinen Tochter bei der Kampflesbe Pepper, die sich gemeinsam mit ihrer flippigen Oma und der verzweifelt nach Liebe suchenden Miriam ein bisschen um die beiden kümmert. Bei der Suche nach einem Job begegnet sie ihrer Jugendliebe Marc und diese Situation ist so, wie sie keiner erleben möchte: Issy sieht aus wie aus dem Topf gezogen, wohingegen er wie Adonis persönlich wirkt. Aber es handelt sich ja um einen Roman und nicht um die schnöde Realität und damit merkt Marc gar nichts davon, wie sie daherkommt, lädt sie ein, umwirbt sie und bietet ihr, wie es der schriftstellerische Zufall so will, eine Teilhaberschaft an seinem coolen, frisch zu eröffnenden Studio an . Wohingegen Marc sich mit der biestigen Frau Dr. Busenberg vergnügt, die Issy und Pepper logischerweise dabei ertappt, wie sie ihr aufs Peinlichste hinterherspionieren.

Die Protagonistin lässt kein Fettnäppfchen aus und das ist auch das Ziel der Autorin, die zeigen möchte, dass wir alle unsere peinlichen Momente haben. Und dabei hoffentlich nicht der alten Liebe  begegnen. Die 1977 geborene Janine Wilk hat nach einigen Jugendbüchern mit „Märchenprinz 2.0“ ihren Einstand in die Welt der Frauenbelletristik gegeben. Der Roman ist leicht, an manchen Stellen auch ganz witzig, in sich aber auch manches Mal ein bisschen enttäuschend. Das beginnt schon bei der Tatsache, dass das Kind in dieser Geschichte völlig untergeht und die vielgerühmte Vollzeitmutter eine ganze Menge mehr Freizeit hat als man das von vergleichbaren Exemplaren kennt. Auch bei der Umsetzung des in sich vielversprechenden Titels lässt die Autorin einiges zu wünschen übrig. Denn von dem Begriff Märchenprinz 2.0. erwartet man deutlich mehr als ein paar offensichtlich völlig überflüssige ach-wie-bin-ich-modern-Blogeinträge und die dazugehörigen Kommentare auf der untersten Niveauschien. Da haben andere 2.0-Versionen schon mehr zu bieten. 
3.7 Stars (3,7 / 5)

Das verflixte Bummeltier

Bummeltier

Wenn man Kinder beobachtet, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass sie ein völlig anderes Zeitgefühl haben als wir. Sie nehmen sich die Zeit, die wir bräuchten, um unser Leben mal zu entschleunigen. Sie besichtigen ausgiebig Blumen und Schnecken am Wegesrand, sind gedankenverloren ins Spiel vertieft oder finden es spannend, Schneeflocken dabei zuzusehen, wie sie an die Fensterscheibe geweht werden. Doch dieses Wahrnehmen der kleinen Wunder unserer Welt kann Erwachsene rasend machen, sitzt ihnen doch irgendwie immer die Zeit im  Nacken. Der Bus fährt, der Arzttermin muss eingehalten werden, man muss zur Arbeit – Beispiele gibt es viele. So wie bei Lena, deren Mutter ihr am liebsten ein „Bummeln verboten“-Schild umhängen würde Doch was würde es nützen? Gar nichts. Denn nicht Lena ist an der Bummelei schuld, sondern das verflixte Bummeltier. Ein grünes Wesen mit großen Augen, einer kalten Nase, einer warmen Zunge, weichem Fell und einem lustigen Schwanz, dem immer etwas einfällt, wie man die Zeit ein wenig stehen lassen könne. Aus Klopapier Schiffchen falten, statt sich die Zähne zu putzen, mit den Socken Handpuppe spielen, statt sie anzuziehen oder Schuhe im Kindergarten tauschen… Es braucht eine Weile, bis Lenas Mama versteht, dass sie gegen das Bummeltier nicht ankommt, sondern sich besser mit ihm arrangiert.

Ulrike Herwig: Sag zum Abschied leise Blödmann

„Sag zum Abschied leise Blödmann..“ – also eigentlich müsste Charlotte das ziemlich laut sagen, denn sie erwischt ihren Ehemann mit der Klavierlehrerin und die Tastaturen, die die beiden dabei bedienen, sind mehr als schwarz-weiß. Charlotte langt’s. Jetzt hat sie keine Lust mehr, für Sicherheit und Bequemlichkeit alles hinzunehmen. Sie geht. Und findet beim Ausräumen des gemeinsamen Hauses ein uraltes Mobiltelefon mit Nachrichten ihrer Schwester, von der sie seit Jahren nichts mehr gehört hat. Jetzt hat Charlotte einen Auftrag. Auf der Suche nach der verschollenen Doro begegnet sie nicht nur einer ganzen Menge sehr unterschiedlicher Männer, sondern auch sich selbst.

Das Buch ist nett, so richtig was für den Strandkorb – mehr aber auch nicht. Es dümpelt ziemlich an der Oberfläche, lässt manche Charaktere, wie den der kleinen Tochter, stark untergehen und schrammt teilweise sehr knapp an der totalen Kitschgrenze vorbei.
Aber das ist genau das, was nicht nur der Verlag, sondern auch das Buch optisch versprechen und was man von der Autorin kennt. Ulrike Herwig, im Kinder- und Jugendbuchbereich auch als Ulrike Rylance bekannt, festigt ihr Standbein in der leichten Erwachsenenliteratur immer mehr.
2.5 Stars (2,5 / 5)

Martina Steinkühler / Angela Holzmann: Wie schön, dass du mich gefunden hast

Eine kleine Geschichte gegen große Angst – so nennen Martina Steinkühler und Angela Holzmann ihr Bilderbuch über David, die Schafe seines Vaters und das kleinste Lämmchen, das der Junge besonders behütet, auf seinen Schultern trägt und umsorgt. Bis es eines Tages verschwunden ist. David geht los, um es zu suchen, nimmt viele Mühen auf sich und könnte sich nicht mehr freuen, als er es wohlbehalten wieder zurück zu seiner Herde bringen kann.
Doch David fühlt sich auch einsam, fragt sich, wer ihn behütet und vor Schaden bewahrt und wünscht sich, eines seiner Schäfchen zu sein.

Frei nach dem Motto „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ arbeitet dieses Bilderbuch mit einem biblischen Thema. Psalm 23 wird hier kindgerecht umgesetzt. Und mal abgesehen von der für kleine Kinder an manchen Stellen ein wenig zu hochtrabenden Sprache ist den beiden Autorinnen hier ein sehr ansehnliches Bilderbuch gelungen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Zeichnungen sind äußerst gelungen.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Rafik Schami: Der Schnabelsteher

Rafik Schami ist einer der besten Autoren, die Deutschland heute zu bieten hat. Und sein aktuelles Kinderbuch „Der Schnabelsteher“ ist eines der herausragendsten Werke des Jahres 2013.

Auf einem alten Walnussbaum lebten einst viele Raben – so beginnt das Buch, das die Geschichte eines kleinen Vogels erzählt, dessen Vater das Opfer eines Adlers wurde und dessen Mutter ihn nun alleine aufzieht. Und ihn deswegen auch oft alleine lassen muss. Doch anstatt Solidarität von den anderen Rabenmüttern zu erfahren, schimpfen diese nur über den Jungen, der immer wieder aus dem Nest klettert, um mit den anderen zu spielen. Sie sind gemein zu ihm und die einzige, die ihn tröstet, ist Mama. Doch der Kleine wird von Tag zu Tag selbstständiger und kommt auf immer irrwitzigere Ideen, seine Zeit zu verbringen. Unter anderem perfektioniert er das Schnabelstehen – tief beneidet von seinen Freunden, die das auch gern könnten, denen ‚solche Flausen‘ aber schnell ausgetrieben werden. Doch als Mini-Rabe dann auch noch die Daseinsberechtigung des Vogelkönigs anzweifelt und dem eitlen Pfau Paroli bietet, wandelt sich das Blatt.

Diese Geschichte über einen kleinen Rabenjungen, der so viel Mut hat, seinen eigenen Weg zu gehen und der von seiner Mama in einer kalten Welt so viel Liebe erfährt, dass er mühelos diesen Mut aufbringt, ist rührend. Und sie öffnet die Augen. Für Kinder, die es im Leben nicht leicht haben, weil ihre Eltern einen dornigeren Weg gehen müssen, als andere. Die aber umso mehr von deren Liebe profitieren.
4.7 Stars (4,7 / 5)