Petrowitz/Spang: Kung-Fu im Turnschuh

Normalerweise drehen sich die Erstleserbücher um Piraten und Prinzessinnen, manchmal auch um Tiere oder Erlebnisse welcher Art auch immer in der Schule – da hebt sich „Kung-Fu im Turnschuh“ mal erfreulich von der Masse ab.

Robin wird bald zehn und ist eher der schüchterne Typ. Endlich hat er seinen Vater überredet, ihm die neuesten Turnschuhe zu kaufen – in der Hoffnung, dadurch ein bisschen weniger Außenseiter zu sein. Doch dann purzelt etwas aus dem Schuh, das aussieht wie ein klitzekleiner Mann. Mit Glatze, langem Bärtchen und einem orangefarbenen Gewand. Es handelt sich um Meister Ming, einem Großmeister der Shaolin. Der Turnschuh-Shaolin. Eine sehr seltene und geheime Form.
Und er weigert sich, den Schuh aufzugeben. Also muss Robin mit einem neuen und einem alten Turnschuh an den Füßen in die Schule und wird prompt wieder Opfer der anderen. Doch dank Meister Ming lernt der Junge sich gegen Unfaires zu verteidigen…

Mal abgesehen von der Idee sind vor allem die Zeichnungen witzig. Sechs- bis Zehnjährige können sich kaputtlachen, wenn Robin auf dem Klo sitzt und der Meister auf der Klorolle meditiert. Und letztendlich wünscht sich vielleicht jeder ganz insgeheim einen kleinen Turnschuh-Shaolin für schwierige Situationen.

Lesestufe 3 ist aber der dritten Klasse, aber mit ein bisschen Hilfe kann man das Buch auch schon mit einem Erstklässler lesen und wenn es noch nicht geht, dann liest man es eben einfach mal vor. Auch kuschelig.
4.6 Stars (4,6 / 5)

Nadine Ahr: Das Versprechen

Eine Geschichte von Lieben und Vergessen – so lautet der Untertitel dieses Romans, der auf einer wahren Begebenheit beruht.
Protagonisten sind Ria und Edwin, die Großeltern der Autorin, die eigentlich füreinander bestimmt sind, dies eigentlich auch wissen, aber trotzdem sehr lange aufeinander warten müssen. Da ist der Krieg, da sind falsche Entscheidungen – doch letztendlich wird alles gut. Und Edwin verspricht seiner Ria, sie nie mehr zu verlassen. Aber so einfach, wie er dachte, ist ein solches Versprechen nicht zu halten, wenn der Partner zunehmend dement wird, einen nicht mehr nur nicht mehr erkennt, sondern einen auch noch verwechselt und aufgrunddessen täglich aufs Übelste beschimpft.

Edwin muss eine Entscheidung treffen, so schwer es ihm auch fällt, aber glücklich wird er damit nicht. Manchmal wünscht er sich sogar, ebenfalls dement zu sein. Denn alles wäre besser als die Tatsache, Ria einfach nicht vergessen zu können.

Diese Liebesgeschichte geht einem so richtig zu Herzen, das Buch ist eines von denen, die in der Seele noch nachklingen, lange, nachdem man die letzte Seite gelesen hat. Die „taz“ spricht von „glasklar und tieftraurig“ und besser könnte man es nicht beschreiben.

Die Autorin, 1982 geboren, erhielt ein Stipendium für begabte Journalisten der Süddeutschen Zeitung und schreibt seit 2011 für die Zeit.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Scout: Mein Weltatlas

Einen Atlas sollte jeder zuhause haben, selbst in Zeiten des Internets. Aber wenn man dann seinem Kind etwas zeigen möchte, stellt man schnell fest, dass die normalen Atlanten alles andere als kindgerecht sind. Und deswegen gibt es spezielle Kinderatlanten. Mit zahlreichen Bildern, wenig Grafiken, schön bunt und mit den wichtigsten Informationen zu jedem Kontinent. Der von Scout, erschienen beim Helmut Lingen Verlag, bietet darüber hinaus noch einiges mehr: Natur und Kultur, Flaggen, Infos über die Ozeane, über typisches Essen und ein paar Hintergrundinfos, mit denen man gut mal im Heimat- und Sachkundeunterricht punkten kann. Denn wer weiß denn schon, dass ganz Kanada eigentlich ein Dorf ist? Das Wort kommt nämlich aus der Sprache der Irokesen und bedeutet übersetzt Siedlung/Dorf.

Gerade für Schulanfänger eignet sich dieser Atlas im DINA 4 Format ganz wunderbar. Man kann dann sogar schon ein bisschen selbst drin lesen, die einzelnen Abschnitte sind überschaubar und die Sprache nicht zu kompliziert.
4.5 Stars (4,5 / 5)

Regina Schwarz/Susanne Szesny: Wenn kleine Tiere Pipi müssen

Pipi machen ist für kleine Kinder ein ganz großes Thema. Vor allem dann, wenn sie gerade dabei sind, sauber zu werden. Zu dem Thema gibt es zahlreiche Bücher, das hier fällt allerdings ein bisschen aus dem Rahmen: Es zeigt, wie alle anderen Pipi machen, dass die Tiere dafür keine Windel brauchen und dass es selbst im Tierreich nicht alle einfach laufen lassen, sondern viele ebenfalls ein Klo benutzen. Auch wenn dieses ein bisschen anders aussieht als unseres.
Etwas weniger schön, weil nicht ganz so gelungen in der Versform, sind die Reime, aus denen der Text gestaltet ist. Die Bilder dafür haben genau den altmodischen Charakter, der sich gerade wieder ein wenig durchsetzt. Und der es Kleinkindern ermöglicht, jedes Detail genau zu betrachten. Trotzdem kann auch hier Susanne Szesny ihren Stil nicht verleugnen.

Wenn man übrigens ein Geschwisterkind zuhause hat, das gerade das Lesen lernt, dann wird dieses mit „Wenn kleine Tiere Pipi müssen“ ebenfalls viel Spaß haben. Denn dieses Thema ist und bleibt aktuell – nur bekommt es dann einen humorvolleren Charakter.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Cuno/Kraushaar: Mein erstes Arztkofferbuch

Gerade für die Zweijährigen ist das Thema Arztbesuch ein großes Thema. Zum einen, weil sie selbst öfter hinmüssen, zum anderen aber auch, weil sie beginnen, sich für ihren Körper zu interessieren. Dass es hierzu also zahlreiche Bücher auf dem Markt gibt, ist naheliegen. Dieses Buch fällt da hübsch aus dem Rahmen. Denn es ist tatsächlich aufgemacht, wie ein kleines Köfferchen und die wichtigsten Arztutensilien wie der Reflexhammer, die Spritze oder das Stethoskop kann man herausnehmen, sie wieder hineinpuzzeln oder auch gleich damit spielen. Die Texte sind einfach, kurz gehalten und absolut altersentsprechend.

Eine hübsche Idee aus dem Hause Ravensburger.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Fleur Smithwick: Wo du auch bist

Alice und Sam sind unzertrennlich. Sie spielen jeden Nachmittag zusammen, sie erzählen sich alles, sie gehen sogar in die gleiche Klasse – aber Sam ist nicht real. Er ist einer der häufig auftretenden imaginären Freunde, die viele Kinder haben und die gerade in schwierigen Lebenssituationen sehr hilfreich sein können. Und wie es mit diesen Wesen ist – irgendwann sind sie weg und keiner weiß, wann genau sie nicht mehr gebraucht wurden. Und so war das auch bei Alice.

Bis bei einem fürchterlichen Unfall, an dem sich die junge Frau die Schuld gibt, ihr bester Freund Rory stirbt. Plötzlich ist Sam wieder da. Inzwischen selbst zum Mann gereift kümmert er sich um die angeschlagene Alice, tröstet und unterstützt sie. Und er wirkt völlig real. Sie kann ihn sehen, sie kann ihn fühlen, wenn er mit ihr allein ist, kann er sogar Dinge bewegen. Ihr Umfeld reagiert mit zunehmenden Unverständnis. Was Alice nichts ausmacht, bis auch Sam anfängt, sie unter Druck zu setzen und dabei immer mehr Macht bekommt.

Das ist bei Weitem nicht alles, was diese Geschichte hergibt. Es ist ein wundervolles Buch über die Kraft der Liebe, aber auch die der Trauer und Verzweiflung, über Realitäten und wie diese von jedem unterschiedlich wahrgenommen werden und über die Wucht von Macht.

Das Einzige, was man diesem Buch ankreiden könnte, ist das Cover. Denn das Original trifft es deutlich besser. Das deutsche Cover ist absolut nichtssagend und wirkt, gemeinsam mit dem Titel wie eine dieser langweiligen Liebesgeschichten – dabei ist der Roman, der bisweilen schon Thriller-Aspekte beinhaltet, alles andere als das. Er gehört zu den Besten. Und um die sonst so verhasste Floskel mal wieder zu bemühen: Man darf gespannt sein auf das zweite Buch der Autorin.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Gernot Gricksch: Morgens in unserem Königreich

Nur wenige verstehen es wie Gernot Gricksch, sowohl Männer als auch Frauen zu faszinieren mit ihren Geschichten. Auch diese ist wieder für beide Geschlechter geeignet. Es geht um Arne, die durch das Zusammenkommen einiger ungünstiger Umstände ausgerechnet bei den Zeugen Jehovas unterschlüpfen muss. Eine andere Welt, eine andere Denkweise – und doch irgendwie faszinierend für den jungen Mann, der normalerweise seine paar Kröten in einer Würstchenbude in der Nähe der Rotlichtmeile verdient und sonst am allerwenigstens mit Menschen zu tun hat, die so viel anhaben, so viel denken und so vehement überzeugt sind von etwas, was ihm wie ein völliger Unsinn erscheint. Aber da ist eben auch Johanna, die zwar bis dato nie an ihrem Glauben und vor allem der dazugehörigen Gemeinschaft gezweifelt hat, die aber auch nie wirklich hineingepasst hat.

Arne öffnet ihr die Augen und zwar nicht nur darüber, sondern auch gleich noch über ihren Verlobten Matthias – und sie hilft ihm, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen. Und setzt damit einiges aufs Spiel.

Das Thema Zeugen Jehovas ist extrem gut gewählt, denn darüber weiß man in der Regel wenig. Die Einblicke, die Gricksch einem in die Glaubensgemeinschaft gibt, mögen nicht komplett authentisch sein, aber sie sind sicher überzeugend. Dass er wie fast immer den richtigen Ton trifft, dass seine Bücher echtes Filmpotenzial haben und die reinsten Pageturner sind – das weiß man und da wurde man auch diesmal nicht enttäuscht. Leichte Lektüre mit tiefem Hintergrund.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Schirin Homeier: Sonnige Traurigtage

Hauptperson ist Mona. Sie hat eine psychisch kranke Mutter. An manchen Tagen ist alles gut, an anderen schafft es ihre Mama nicht einmal, vom Sofa aufzustehen, um ihr die Haustüre zu öffnen. Sie ist zu schwach zum Kochen und überall liegt alles herum. Doch nicht nur Mama ist traurig, Mona auch. Vor allem dann, wenn sie das Gefühl hat, alle um sich herum anlügen zu müssen. Die Lehrerin, die Freundin – Mona spürt, dass sie nicht über Mamas Krankheit sprechen kann. Und versucht, alles zu tun, damit Mama sich freut, gibt sich die Schuld, wenn es nicht klappt. Doch manchmal wird sie auch wütend. Zum Beispiel dann, wenn sie sich geniert, Freunde zu sich einzuladen, denn es könnte ja einer der Traurigtage sein. Eines Tages nimmt sie allen Mut zusammen und erzählt ihrer Lehrerin von der Situation und damit ändert sich alles….

Im ihrem Vorwort erklärt die Autorin zunächst einmal, was es für ein Kind bedeutet, wenn ein Elternteil psychisch krank ist. Das fängt schon damit an, dass niemand gerne und vor allem offen darüber spricht, es wird unter den Tisch gekehrt, man schämt sich, auch die Angehörigen. Für die Kinder macht es das nur noch schwerer. „Sonnige Traurigtage“ ist einer der gelungenen Beiträge in der jüngsten Vergangenheit, um Kindern in dieser Situation zu zeigen, dass sie erstens nicht schuld sind und zweitens nicht allein. Auch, wenn es ihnen oft so vorkommt.

Die Autorin geht sehr praktisch an das Thema heran, lässt Mona im zweiten Teil selbst alles erklären, was sie vom Hausarzt, dem Psychiater und den Beratungsstellen weiß – und hilft mit praktischen Tipps wie der Nummer gegen Kummer weiter.

Kleine Kinder, die ja ebenso unter einer psychischen Erkrankung leiden, müssen beim Lesen des Buches noch unterstützt werden, am besten, man sortiert vorher ein wenig aus und sucht altersgerecht heraus, was sich eignet. Aber ab etwa 8 Jahren ist es kein Problem, gerade einem Kind, das sich schwer tut, darüber zu reden, ein solches Buch auch einfach einmal in die Hand zu drücken. Sozusagen als Gesprächsbasis. Zudem sollte es in Beratungseinrichtungen und auch in Kindertagesstätten nicht fehlen. Denn die Zahl der psychischen Erkrankungen scheint zu steigen – vielleicht sieht man aber auch heute nur genauer hin. 4.0 Stars (4,0 / 5)

Antje Szillat: Maja und Motte

Die Hufnagel-Zwillinge sind so, wie man sich Zwillinge vorstellt. Sie ergänzen sich optimal, sind wie zwei Seiten eines Ganzen. Aber das birgt auch Ärgerpotenzial, nämlich dann, wenn die aufgewecktere von beiden, Motte, mal wieder ziemlich dämliche Ideen hat, die schon von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Dabei hat das Mädel ja im Kern Recht, wenn es sich das nicht gefallen lässt, dass an einer Waveboard-AG nur Jungs teilnehmen. Und Gleichberechtigung einfordert. Doch ihr Plan baut auf Lügen auf – und irgendwann wird das Maja zu viel. Und sie bricht den hochheiligen Zwillingsschwur…

Antje Szillat weiß, wie man Kinderbücher schreibt, manchmal allerdings hat man das Gefühl, sie bedient bestimmte Knöpfe und dann läuft das schon. Dieser Band von Maja und Motte, der fünfte übrigens, ist nur bedingt spannend, an manchen Stellen zu überzogen, doch die Zeichnungen, die überall im Buch verteilt sind und diesem einen Tagebuchcharakter verleihen sowie die Briefe, die sich die Zwillinge selbst dann schreiben, wenn sie richtig Knatsch haben, treffen den Geschmack der Zielgruppe genau. Wobei diese bei Mädchen mit etwa sieben, acht, neun, zehn angegeben werden kann und bei Jungs mit sieben – dann wird es ihnen definitiv zu mädchenlastig.
3.4 Stars (3,4 / 5)