Steve Tesich: Ein letzter Sommer

Eine Kleinstadt irgendwo in Amerika. 1969. Eine Arbeiterstadt, grau, hoffnungslos… und selbst der Highschool-Abschluss bietet keine Alternative. Nur Zukunftsangst. Diese Milieustudie von Steve Tesich ist hervorragend gelungen.

Der 17-jährige Daniel Price hätte Landesmeister im Ringen werden können. Hätte werden können. Das Zeug dazu hätte er gehabt, doch im letzten Moment hat er versagt. Vielleicht hat ihm auch einfach nur das nötige Quäntchen Glück gefehlt. Wie so oft in seinem Leben. Dannys Mutter ist keine Amerikanerin und sie wird auch nie eine werden. Sie ist Frau durch und durch und ihr Mann war ihr nie gewachsen. Dieser Frust lässt ihn krebskrank und noch tyrannischer werden und sie verzweifeln. Nicht gerade eine angenehme Ausgangssituation für einen Jugendlichen, der selbst nicht weiß, was er will, wie er es will und vor allem, wie er es bekommen könnte. Aber es geht nicht nur ihm so. Auch seine beiden Freunde Larry und Billy sind angesichts der auf sie wartenden Zukunft ratlos. Die Freundschaft bricht auseinander, sie ist dem Druck nicht gewachsen. Als Danny Rachel kennenlernt, denkt man die ersten paar Seiten lang, klar, jetzt wird alles gut. Aber nichts wird gut. Denn Rachel steht zwischen dem jungen Danny und dem alternden David, der von der Umwelt und eben auch vom Protagonisten selbst für Rachels Vater gehalten wird. Das Mädchen trägt zunächst nichts dazu bei, diesen Irrtum aufzuklären. Sie zieht es vor, beide zu quälen. Als Danny die ganze Situation nicht mehr ertragen kann, sucht er sich ein Alter Ego….

Das Buch ist keines der Bücher, die einen sofort in Beschlag nehmen. Man muss es sich erobern. Sich hineinfinden in die jeweiligen Figuren, das Geflecht durchschauen. Steve Tesich ist es gelungen, die Charaktere so zu zeichnen, dass man mit ihnen mitfühlt, sich glaubt zu erinnern….

Wer eine wahnsinnig spannende Handlung erwartet, in der etwas Entscheidendes ganz offensichtlich passiert, der ist verkehrt. Wer aber die subtilen Untertöne liebt, von den Abgründen der menschlichen Seele fasziniert ist, der findet mit diesem Buch ein Meisterwerk.

Die Erzählung aus der Perspektive Daniels ist das Erstlingswerk des Autors, 1982 unter dem Titel „Summer Crossing“ erschienen und 2005 auf dem deutschen Markt aufgetaucht. Einen Namen hat sich der serbisch-amerikanische Steve Tesich, der bereits im Alter von 53 Jahren an einem Herzschlag verstarb, vor allem als Drehbuchautor gemacht.
2.9 Stars (2,9 / 5)

Walter Sittler: Malin

Walter Sittler ist Schauspieler, ein ziemlich bekannter obendrein und das bedeutet eine häufige Abwesenheit von seiner Frau und seinen drei Kindern. Die vielen einsamen Abende in Hotelzimmern haben ihn auf die Idee mit Malin gebracht. Zunächst nur für die Familie gedacht, wurde jetzt ein lesenswertes Kinderbuch für alle daraus.

Malin stand eines Tage einfach so am Fenster seines Hotelzimmers. Er war ungefähr so groß wie eine Handpuppe, von oben bis unten behaart wie ein kleines Äffchen und grundsätzlich etwa ebenso quirlig. Am ersten Abend allerdings nicht. Da war er müde, durchnässt und durstig. Und als er frisch geföhnt gewesen ist und etwas getrunken hatte, da legte er sich erst mal eine Runde schlafen. In Herrn Sittlers Bett.

„Da stand ich nun, mit dem Kleinen in meinem Bett, von dem ich nicht wusste, woher er kam, was er wollte oder auch nur, was er brauchte. Ich dachte, er wird es mir dann schon sagen, wenn er wieder aufwacht.“

Und das tat Malin dann auch. Er ist auf einer Einladungsrundtour zu allen seinen Verwandten, um diese zum nächsten Frühlingsfest einzuladen. Aber er hat sich den Fuß verletzt und deswegen nimmt er den Tourbus der Schauspieler. Und jetzt soll der Autor ihm helfen. Für ihn Holunderbeeren besorgen, davon lebt das kleine Wesen nämlich und ihn ein bisschen unterstützen. Erst im Lauf der Zeit merkt Walter Sittler, worauf er sich da eingelassen hat.

All die Abenteuer, die er mit Malin erlebt, schreibt er auf und schickt sie nach Hause. Und schafft somit eine wunderbare Verbindung zwischen sich und seinen Kindern.

Zuerst denkt man ja: nicht schon wieder ein Schauspieler, der sich zum Schreiben berufen fühlt, aber dieser Gedanke übersteht nicht mal die ersten zwei Seiten. Das Buch ist witzig geschrieben, erinnert an manchen Stellen etwas an einen ziemlich bekannten bayerischen Kobold namens Pumuckl und die Aufteilung in die Briefe macht es zu einem perfekten Gute-Nacht-Geschichten-Buch, das sich auch für etwas geübtere Leseanfänger eignet.
4.3 Stars (4,3 / 5)

Christine Keil/Bernhardt Link: Kochen ist (k)eine Zauberei

Könnt Ihr Euch noch an „Lirum, larum Löffelstiel“ erinnern? Ich habe diese Kochsendung von Kindern für Kinder damals geliebt und die in meinen Augen bereits „großen“ Köche bewundert ohne Ende. Und besonders glücklich war ich, als ich das dazugehörige Kochbuch geschenkt bekam. Denn da konnte ich endlich nachlesen, wie lange Nudeln in wie viel Wasser bleiben müssen, was der Unterschied zwischen Salz- und Pellkartoffeln ist und wie das überhaupt geht mit dem Kochen.

An all das hab ich denken müssen, als ich dieses Buch das erste Mal in der Hand hielt. Auch hier gibt es Rezepte für Rühreier und Pfannkuchen, das Sortiment wurde durch Pizza und Hamburger erweitert, aber letztendlich ist es ein Buch, das genau da anpackt, wo Liram Larum Löffelstiel vor dreißig Jahren auch angepackt hat: an der Basis.

Was soll der Reis im Salzstreuer, was hat es mit der Hefe auf sich und wie bringt man eine Rosine zum Tanzen? Das lernt man noch zusätzlich – so ganz nebenbei.

Und so ein Kochbuch für Kinder kann, ganz nebenbei gesagt, eine Anschaffung fürs Leben sein. Ich guck heute noch manchmal rein in mein kleines, blaues Büchlein, wenn ich mir bei Grundsätzlichem in meiner Küche nicht ganz sicher bin.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Heinz Janischle/Silke Leffler: Ich hab ein kleines Problem, sagte der Bär

Ich hab ein kleines Problem, sagte der Bär… aber keiner hört ihm zu. Jeder, den er anspricht, weiß sofort, was dem Bären fehlt – vermeintlich.

Sie alle meinen es gut. An sich. Aber dem Bären mit seinem Problem kann niemand helfen, denn schließlich kommt er nie dazu, es mitzuteilen. Bis er frustriert aufgibt und dann doch überraschend noch jemanden findet, der Zeit hat, ihm zuzuhören….

Dies ist ein Bilderbuch über das Sich-Zeit-Nehmen, übers Zuhören und ein Buch über Freundschaft, die man oft da findet, wo man sie gar nicht erwartet hat. Man kann es wunderbar vorlesen. Wie der Bär immer trauriger wird, die Leute ihn in ihrem Eifer zutexten und das frustrierte „hmmm“ bevor er weiter trottet – zu schön.

Mir persönlich gefällt dieses Buch ausgesprochen gut. Und das bezieht sich nicht nur auf den Text von Heinz Janisch, sondern auch auf die Bilder. Silke Leffler, die Illustratorin, hat gezeichnete mit realen Elementen vermischt und so ein Flair herbeigezaubert, das an sehr alte Kinderbücher erinnert.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Marion und Stefan Jarzombek:

Was macht man, wenn man nicht einschlafen kann? Klar, Schafe zählen. Schlaf-Schafe. Aber was macht man, wenn eines dieser Schafe sich bockig weigert, zu springen?

Hannah kann nicht schlafen und ihre Mama erzählt ihr von der Schlummerwiese. Dort springen Schafe über einen sehr langen Zaun und immer, wenn eins springt, dann wirbelt Traumsand hoch. Und schwuppdiwupp klappt das mit dem Einschlafen. Nicht aber bei Hannah, denn das vierte Schaf bleibt einfach vor dem Zaun stehen, so dass das fünfte direkt in es hineinläuft. Es hat keine Lust zu springen, sagt es. Aber in Wirklichkeit weiß es einfach nicht, wie es geht und Hannah muss nachhelfen…

Ein goldiges Buch zum Einschlafen. Am besten gefällt mir das Trotzkopf-Schaf. Nicht nur von seiner Art her, sondern auch, wie es von Daniel Napp gezeichnet wurde. Und es gefällt mir, dass sich das typische „Weil-ich-halt-nicht-will“ auflöst und erklärt. Weil es halt fast immer so ist, dass es einen Weil-ich-halt-nicht-will-Grund gibt! Und wenn der beseitigt ist, dann schläft es sich gleich viel besser.
3.0 Stars (3,0 / 5)