Pauli/de Weck: Richtig giftig

Wo es echt gefährlich ist – so lautet der Untertitel des Bilderbuches, das sich mit Gefahren im Alltag beschäftigt. Nicht im Krokodil-Gehege oder in der Nähe eines Vulkans, sondern im Haushalt, im Garten oder auf dem Schulweg. Giftige Pflanzen und Medikamente sind ein Thema, die Zeichen für Gift und Gefahr auf Flaschen, Lastern oder anderen Gegenständen ein anderes.

Hier können auch Erwachsene noch etwas dazulernen. Denn die wenigsten von uns werden wohl jedes dieser Gefahrenzeichen genau deuten können und es macht durchaus Sinn, gemeinsam mit dem Kind nach solchen Zeichen im Haushalt zu suchen und diese Produkte in Zukunft entsprechend zu entsorgen und beim Einkaufen am besten gleich zu meiden.

Andrea Ulmer: Solange wir uns haben

Eigentlich hat sie ihr Leben im Griff. Jessica ist 42 Jahre alt, alleinerziehende Mama einer pubertierenden Tochter und hat einen Job in einer Agentur. Nicht einfach, ist aber machbar. Bis sie plötzlich von Panikattacken heimgesucht wird. Nicht mehr Auto fahren kann, jede Kleinigkeit ihr schon zu viel wird und sie sich nur noch im Haus verschanzt. Zuerst nervt es ihre Tochter nur, aber Stück für Stück wird es zum Problem und Jessica ist gezwungen, sich helfen zu lassen. Loslassen und anderen die Führung überlassen – das ist die Aufgabe der Protagonistin in ihrem Buch. Um dann wieder zu sich zu finden und neue Wege einzuschlagen.

Ganz ehrlich nervt es manchmal, dass in fast jedem Roman, der eher für Frauen als für Männer ausgelegt ist, mindestens eine, meistens sogar die Hauptperson in einer Agentur arbeitet, irgendwas mit Medien oder Werbung macht. Hier allerdings macht es Sinn, denn wenige Berufe brennen so aus wie diese, in wenigen Branchen herrscht so wenig Verständnis für andere Lebensmodelle als jung, cool und selbstbestimmt. Der Roman spricht ein Thema an, das immer häufiger wird. Eigentlich sogar zwei. Oder drei. Alleinerziehende, Angststörungen und die Tatsache, dass immer mehr Mütter in den Wechseljahren auf Töchter in der Pubertät treffen.

Alles in allem ein Roman, der leicht zu lesen ist und trotzdem zu denken gibt. Der an manchen Stellen ein wenig überzogen wirkt und an anderen etwas mehr „Wumms“ durchaus vertragen hätte. Vor allem aber einer, der in einem völlig falschen Kleid daherkommt. Das Cover passt leider überhaupt nicht. Weder zum Thema noch zur Geschichte.

Die Charité: Hoffnung und Schicksal

Diese ungekürzte Lesung auf mehreren mp3-CDs ist keinen Moment langweilig. Die Geschichte spielt in Berlin in den 1830ern. Hauptspielort ist die Charité – das Krankenhaus, das auch heute noch Geschichte schreibt. Der Kampf der Ärzte gegen die Cholera, Kindbettfieber, Pflegerinnen, die ihren Job mit dem in einer Strafanstalt verwechseln und gesellschaftliche Zwänge, die Frauen dazu zwingen, an Heim und Herd zu bleiben – wenn sie es sich leisten können – all diese Themen kommen nicht zu kurz.

Die eigentlichen Hauptpersonen aber sind die Frauen: Gräfin Ludovica, gebunden in unglücklicher Ehe und eigentlich schwer verliebt in den Arzt ihres Mannes, Martha, die Hebamme, die ihren kleinen behinderten Sohn durchbringen muss und Schwester Elisabeth, die in die Gemeinschaft eines Pfarrers flüchtet, um als Diakonisse ein Zuhause zu haben und besser pflegen zu können. Und in der doch eigentlich ein ganz anderes Potenzial steckt.

Die Leben dieser Frauen sind durch ein oder besser mehrere unsichtbare Bänder verbunden. Und es gelingt der Autorin und vor allem auch der Sprecherin Beate Rysopp, einen in die Schicksale regelrecht hineinzuziehen. Mitzuleiden. Mitzuhoffen.
Besonders interessant sind auch die Einblicke in die Tiefen der Medizin im 19. Jahrhundert. Über Behandlung ohne Schmerzmittel, das Austreiben von Geschlechtskrankheiten mithilfe von Quecksilber oder die ersten Erfolge bei Augenoperationen.

Ksss!: Lise, Paul und das Garderobenmonster

Sie ist ja ganz niedlich, die Idee, dass zwei Außenseiterkinder wie Lise und Paul auf ein kleines Monster treffen, das ähnliches durchlebt hat. Sie finden es in der Turnhalle, es sieht aus wie einer dieser Puschelschlüsselanhänger in grün und ist aus der Monsterwelt geflogen, weil es nicht wirklich gruselig ist. Lise und Paul versuchen alles, um es dem kleinen Kerl gutgehen zu lassen, sie füttern ihn und besuchen ihn, so oft sie können. Dabei müssen sie nur dem „Scheurer“ aus dem Weg gehen, dem Prototyp des grässlichen Schulhausmeisters, der ihnen dauernd nachstellt, ihnen Angst macht und eine Menge Grenzen dabei übertritt. Erfreulicherweise gibt es da eine aufmerksame Lehrerin, die ihn in seine Schranken weist. Und auch von Lises Mutter kommt Unterstützung.
Trotzdem fehlt dieser Geschichte irgendwie eine ganze Menge. Spannung kommt nicht auf, stattdessen ein schales Gefühl – immer wieder. Nicht nur beim Hausmeister, auch bei den Hänseleien auf dem Schulhof, bei den blöden Sprüchen Erwachsener und bei den schon ziemlich an den Haaren herbeigezogenen Versuchen der Kinder, dem Monster das Angstmachen beizubringen. Auch die Lösungen zum Beispiel zum Thema Mobbing sind reichlich wenig hilfreich.

Am unangenehmsten aber ist die Sprache. Mal abgesehen davon, dass der Lektor durchaus hätte hier und da mehr kürzen dürfen und der Text ein gutes Stück mehr Schwung vertragen hätte: Es werden Ausdrücke verwendet, die man vielleicht in der Schweiz versteht, aber nicht bei uns. Es ist normal, dass man einem Kind beim Vorlesen mal das eine oder andere Wort erklären muss, aber wenn man selbst erst nachschlagen muss, dann stimmt was nicht. Vor allem nicht bei einem Buch, das ja eigentlich bereits für junge Selbst-Leser gedacht ist. Schade, denn Daniele Meocci weiß es eigentlich besser. Der ausgebildete Lehrer hat bereits einen Literaturpreis verliehen bekommen.

Die Droge Verwöhnung

Prof. Dr. Jürg Frick von der Pädagogischen Hochschule Zürich weiß, was Verwöhnung bei der Erziehung bedeutet und welche Folgen sie hat. Denn die entscheidende Frage in der Erziehung ist immer: Wie viel darf und muss ich auch einem Kind abverlangen, was kann ich ihm zumuten, damit eine gesunde Entwicklung möglich wird? Denn ein Kind muss gefordert werden. Weder ein zu strenger, noch ein zu laxer Erziehungsstil mit Dauerverständnis führen zu einem gesunden Ergebnis.

Es ist Jürgen Frick ein Anliegen, dem Leser nahezubringen, dass Verwöhnung verheerende Folgen haben kann. Er spricht gar von einer „subtilen Form des Kindesmissbrauchs“. Doch woher sollen die Eltern das wissen? Sie meinen es ja nur gut und auch in Fachkreisen war in den letzten Jahrzehnten kaum mal die Rede davon. Overprotection gab es zwar – aber das trifft es nicht zu 100 Prozent.

Das Verwöhnen zeigt sich in vielen Aspekten des Alltags. Das kann sein, dass die Eltern dem Kind zu wenig zutrauen und ihm möglichst alles abnehmen, es überbehüten (Helikoptereltern), es mit Materiellem und Immateriellem (wie z.B. Zuneigung) überhäufen, von ihm keine Anstrengung erwarten, es über Gebühr loben, es verhätscheln und ihm keine Grenzen setzen. Jeder von uns wird sich in irgendeinem der Punkte mal wiederfinden. Denn die Grenzen sind fließend.

Zudem gibt es klassische (Lebenssituationen), in denen es schnell zu verwöhnenden Mustern kommen kann: Trennung, nach Krankheiten oder Unfall, bei Zeitdruck oder unter Beobachtung – das kann auch mal okay sein, darf aber nicht zum Dauerzustand werden. Denn: „Das Beste, was eine gute Fee einem Kind in die Wiege legen kann, ist eine Menge Probleme oder Aufgaben – sie sollen nicht zu leicht sein, damit sich das Kind anstrengen muss (…) und sie sollten auch nicht zu schwer sein, weil sonst das Kind wiederholt scheitert und entmutigt wird.“

Aber das Gute ist und das gilt ja prinzipiell für jeden Fehler, der uns in der Erziehung bewusst wird: Wir können es anders machen. Und damit schnell etwas bewirken.

Erik Ole Lindström: Meja Meergrün

Meja Meergrün ist eine kleine vorwitzige Nixe, ihre Eltern sind weit weg und sie lebt derzeit ganz alleine in einem kleinen Haus unter dem Meeresspiegel. Doch sie bleibt nicht lange alleine, denn eines Tages bekommt das kleine Meermädchen ein Päckchen, dem etwas Lebendiges entsteigt: eine Kummerkröte, die auf das Wassermädchen aufpassen soll. Das findet dieses ja erst mal nicht so toll, denn eigentlich gefällt ihr das mit der Freiheit recht gut, aber als sie sich mehr und mehr in Abenteuer verstrickt, ist es doch ganz gut, dass Padson dabei ist und ihr hilft.
Das Cover ist – wie sehr oft bei Coppenrath – wieder einmal herausragend und spricht glitzernd die Zielgruppe der Grundschulmädchen perfekt an. Der Inhalt allerdings konnte nicht so ganz überzeugen. Weder von der Sprache noch vom Geschichtenaufbau her. An manchen Stellen zieht sich die Story, an anderen wird sie fast ein bisschen zu gruselig. Aber vielleicht sind Lindströms Kinder härter im Nehmen als der Durchschnitt, denn eigentlich ist die Geschichte von Meja Meergrün im heimischen Kinderzimmer entstanden.