Jules Wake: Covent Garden im Schnee

Dieses Buch macht es dem Leser nicht einfach. Es kommt daher wie ein typischer langweiliger Liebesroman, wirkt vom Cover her wie vom Wühltisch und zeigt doch in seiner zweiten Hälfte weitaus mehr Tiefgang als man ursprünglich erwartet hatte. Die Hauptperson ist Tilly, angestellt an einem ehrwürdigen Theater als Maskenbildnerin. Und da die wenigsten Menschen kreativ und logisch zugleich sein können, ist Tilly eben nur ersteres. Von Technik versteht sie so gut wie gar nichts, will auch nichts davon verstehen und wenn der Computer nicht so will wie sie, dann zieht sie eben einfach den Stecker.

Bis Tilly sich und dem Rest des Theaters einen Computervirus einfängt, klappt das auch ganz gut. Dann aber wird ihr der IT-Experte Markus vor die Nase gesetzt, kombiniert mit dem Ultimatum, direkt gefeuert zu werden, wenn sie sich nicht auf ein paar Nachhilfestunden einlässt. Soweit so gut so vorhersehbar.

Dann allerdings nimmt die Geschichte endlich mal ein bisschen Fahrt auf. Die eigentlich fest gebundene Tilly verliert den Kopf – einmal virtuell und einmal real. Und als dann auch noch Privates aus dem Theater an die Öffentlichkeit dringt und ihr Freund mehr Anteil an der Chose hat, als Tilly lieb ist, wird’s spannender.

Marina Boos: App ins Glück – Installieren, Herz verlieren

[aartikel]3522504313:left[/aartikel]Die fünfzehnjährige Fee ist so richtig angenervt. Nichts passt. Äußerlich hat sie eine ganze Menge an sich auszusetzen, fühlt sich ihrem Namen überhaupt nicht gerecht und dass sie ihre Wochenenden eher zuhause als auf spannenden Partys verbringt, macht sie auch nicht gerade glücklich. Doch als echter Digital Native weiß Fee sich zu helfen. Sie programmiert sich einfach selbst eine App, die ihr helfen soll, hip zu werden. Und die ganz nebenbei auch noch in der Lage ist, Alarm zu schlagen, wenn der ach-so-ersehnte Prinz endlich anreitet. Aber was da angeritten kommt, ist so ganz und gar nicht in Fees Sinn.

In Ich-Form erzählt spricht dieses Buch einem weiblichen Teenie mitten aus dem Herz. Der Roman ist perfekt zugeschnitten auf die Zielgruppe und hat das Zeug, Mädchen im Alter von 13 bis 15 Jahren dazu zu bringen, sogar mal das Smartphone aus der Hand zu legen.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Nicolas Fargues: Nicht so schlimm

[aartikel]3499245361:left[/aartikel]J’étais derrière toi – so lautet der Originaltitel des französischen Bestsellers. Und der trifft den Inhalt und die Aussage des Buches deutlich besser. Ero dietro di te – mit diesen Worten fängt es nämlich auch an….

Und gleich dieser erste Satz zieht einen hinein ins Geschehen. Der Ich-Erzähler unterhält sich mit dem Leser. Und zwar dermaßen authentisch, dass man das Gefühl hat, in einer verrauchten Bar zu sitzen, einem gutaussehenden Freund gegenüber, der verloren in der Kaffeetasse rührt und sich einfach einmal alles von der Seele reden muss.

Schließlich hat er echt Probleme. Er ist mit Alexandrine verheiratet, einer dominanten, temperamentvollen Farbigen, die ihre eigenen Unsicherheiten durch Gepolter überspielt. Er hat zwei Kinder und er hat seine Frau betrogen. Und die hat sich gerächt. Etwas, das weder an den beteiligten Personen noch an der Beziehung spurlos vorübergehen kann. Etwas, das man trotzdem als fast alltäglich bezeichnen könnte. Und das zwangsläufig zum „Rosenkrieg“ führen muss.

Der Mann braucht eine Auszeit und findet doch prompt in Italien eine neue Liebe. Alice ist das Gegenteil seiner Frau und sie wird zu seiner Seelenverwandten. Doch wer hat gesagt, dass es einfach sei, seine Familie zu verlassen?

Mann, der kann einem echt leid tun. Zwischendrin mal. Ansonsten schwankt man – zumindest als weiblicher Leser – zwischen Fassungslosigkeit, Mitleid mit den Frauen und einem gewissen „Ätsch“ hin und her. Und das „Ätsch“ gilt abwechselnd allen drei Protagonisten. Dem Mann, der Ehefrau und der Geliebten. Denn sie alle sind Charaktere, die von Nicolas Fargues so geschaffen wurden, dass keiner von ihnen der absolute Sympathieträger ist.

Es ist – wie es auf dem Umschlag so schön heißt – „Nichts als die banale Geschichte einer Trennung und einer neuen Begegnung“. Stimmt. Vielleicht ist es aber genau deswegen so lesenswert.
4.3 Stars (4,3 / 5)

Christine Nöstlinger: Luki live

[aartikel]3407740026:left[/aartikel]Wenn die Hormone kreisen, geht der Verstand auf Reisen… Von dem Wahrheitsgehalt dieses Spruches kann sich auch Ariane überzeugen. Ihr bester Freund Luki kommt völlig anders aus seinem Sommeraufenthalt in England zurück. Er hat beschlossen, ab sofort seine Persönlichkeit zu verändern und damit fängt er außen an.

Das bedeutet, dass er neuerdings wie ein bunter Vogel daherkommt. Mit den Schuhen seines toten Großvaters, mit Selbstgestricktem seiner Mutter und mit einem alten Fahrrad, das jeden Moment auseinander zu fallen droht. Seine Haare sind im Sommer gewachsen und werden in einem Pferdeschwanz gebändigt. Doch das Entscheidende: Der junge Mann will fortan immer nur die Wahrheit sagen, egal, ob man das tut oder nicht… alle finden Luki cool, nur Ariane beobachtet das Ganze äußerst misstrauisch. Lukis verhalten auch ihr gegenüber verwirrt sie. Doch als ihr Freund sich in eine andere verliebt, wird dem Mädel klar, was zu tun ist!

„Luki live“ ist rund 30 Jahre alt und trotzdem immer noch genauso aktuell wie damals. Das Buch spricht Kindern, oder besser gesagt angehenden Jugendlichen, direkt aus dem Herz. Und dafür ist Christine Nöstlinger ja sowieso bekannt. Der „Zwerg im Kopf“, der „Gurkenkönig“ oder „Rosa Riedl, Schutzgespenst“ sind Figuren, die einen ein Leben lang begleiten und dann mit den eigenen Kindern wieder aktuell werden. Die Astrid Lindgren Österreichs schreibt so zeitlos, dass der Beltz-Verlag mit der Neuauflage des „Luki live“ genau das Richtige gemacht hat.

Besonders schön: Das österreichisch-deutsche Glossar.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Ronlyn Domingue: Alle Tage, alle Nächte

[aartikel]3548607020:left[/aartikel]Es ist der erste Roman der Autorin und es ist eine der schönsten Liebesgeschichten, die es auf dem Markt gibt. Die Geschichte von Raziela, die nach ihrem frühen Tod in der Zwischenwelt verweilt und um ihre verlorene Liebe Andrew trauert, geht nahe. Verdammt nahe.

Amerika, New Orleans, die wilden Zwanziger: Raziela verkörpert genau den Typ Frau, der uns aus dieser Epoche in „Erinnerung“ geblieben ist. Lebenslustig, klug und ganz ihrer Weiblichkeit bewusst kämpft sie für ihre Ziele. Sie will Ärztin werden, will Frauen den Weg zur Empfängnisverhütung weisen, will die ach-so-männliche Welt verändern. Obwohl sie dem maskulinen Teil der Menschheit durchaus nicht abgeneigt ist, vor allem nicht Andrew…. Die beiden sind wie füreinander geschaffen, doch Raziela zögert mit der Antwort, als Andrew sie um ihre Hand bittet. Sie bekommt nie mehr die Gelegenheit ihm zu antworten, denn es kommt zu einem tödlichen Unfall, über den Andrew nie hinwegkommt. Aber auch sie nicht. Ihre Seele verweilt in der Zwischenwelt, körper-, schwere- und rastlos. Bis sie ihn bzw. seine Blutspur wieder findet.

Die Autorin, 1969 geboren, ist bereits für einige ihrer Kurzgeschichten ausgezeichnet worden, „Alle Tage, alle Nächte“ sollte zunächst ebenfalls eine solche werden, wurde dann aber doch zum Roman ausgebaut. Glücklicherweise. Ein Besuch ihrer Website lohnt sich vor allem nach der Lektüre des Buches, denn es sind dort Textpassagen zu finden, die ihren Weg nicht zwischen die Buchdeckel gefunden haben und damit noch mal eine ganz besondere Ergänzung darstellen.

„Alle Tage, alle Nächte“ wurde aus dem Englischen von Miriam Mandelkow und Susanne Höbel übersetzt. Nicht besonders gelungen ist dabei die Übersetzung des Titels, denn der Originaltitel „The mercy of thin air“ trifft es deutlich besser.
5.0 Stars (5,0 / 5)

E.D. Baker: Esmeralda, Froschprinzessin

Welche Frau hat sich nicht schon mindestens einmal im Leben gefragt, was passieren würde, käme ein leibhaftiger Frosch daher und ließe sich küssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mal einem Frosch irgendwo in weiter Flur begegnet mag ja noch angehen, aber geküsst wird er in der Regel nicht – aus welchen Gründen auch immer. Und doch – es hätte der berühmte Prinz sein können! Die amerikanische Autorin E. D. Baker rollt die althergebrachte Geschichte mal von einer anderen Seite auf und hat auf diese Art und Weise ein Kinderbuch zustande gebracht, das auch Erwachsenen vergnügliche Lesestunden beschert.

Esmeralda ist alles andere als die von ihrer Mutter gewünschte Bilderbuchprinzessin. Sie ist tollpatschig, schlaksig, lacht zu laut und hat eine – das findet zumindest das königliche Umfeld – viel zu große Nase, die sie grundsätzlich in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Von blonden Locken ist auch keine Spur und den für sie ausgewählten stinklangweiligen Prinz Jorge, den will sie nicht. Basta. Dieses sympathische Prinzessinnen-Persönchen wundert sich erst mal nicht besonders, als sie, vor dem Prinzen in den Sumpf flüchtend, dort auf einen sprechenden und schlecht gelaunten Frosch namens Eadric trifft. An Zauberei ist sie gewöhnt, denn ihre Tante Grassina ist eine Hexe und in Entenküken verwandelte Hunde oder laufende Krabbenfleischklößchen gehören zu ihrem Schloß-Alltag. Die Amphibie verlangt von ihr geküsst zu werden – aber wo käme man denn hin, wenn man jeden Dahergehüpften einfach so küssen würde.

Doch so ganz geht ihr der Herr Frosch und dessen direkte Art nicht aus dem Kopf: Sie küsst ihn irgendwann doch – und wird selbst zum Frosch. Wie das Fräulein Froschprinzessin nun seine neue Welt kennenlernt, was es heißt, Insekten zu verspeisen und wie Eadric ihr dieses Leben im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft macht, lässt den Leser nicht mehr los. Äußerst amüsant und spannend beschreibt E.D. Baker den Weg zurück ins Menschendasein!
5.0 Stars (5,0 / 5)