Peter Teuschel: Der Mann, der sich in die Zebrafrau verliebte

Kennt man den Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte, dann weiß man auch, wie der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf den Titel kommt. Und auf die Idee, ein paar spektakuläre Fälle der Öffentlichkeit zu präsentieren. Da ist einmal der Mann, der seit Jahren in ein Heim abgeschoben brav immer die Tabletten gegen den Wahn nahm und eines Tages plötzlich damit aufhörte – um die Zebrafrau aus Bowies Musikvideo zu küssen oder die Frau, die immer wieder von einer Stadt aus Marmor träumt und erst mit Hilfe des Arztes das Rätsel lösen, aber dann nur wenige Tage genießen kann.

Wer sich für die Untiefen der Seele interessiert, für all das, was nicht der Norm entspricht, nach außen hin aber so aussieht, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Mit Oliver Sacks kann Teuschel allerdings nicht mithalten. Was nicht unbedingt am Spektakulären der Fälle liegt, sondern eher am Stil.
Trotzalledem ein lesenswertes Buch – nicht nur für angehende oder versteckte Seelenklempner, sondern auch für die Menschen, die gerne hinter die Kulissen sehen. Denn da erfährt man viel über den Menschen Peter Teuschel. Und das ist etwas Besonderes in der Welt der Therapie.

Wer mehr von diesem Autor lesen möchte, der sollte seinem Blog folgen. Auch der ist durchaus lesenswert.
3.6 Stars (3,6 / 5)

Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

„Es war einmal ein Junge. Er war vielleicht vierzehn Jahre alt, lang und schlacksig und flachshaarig. Viel taugte er nicht: Am liebsten schlief oder aß er, am zweitliebsten trieb er Unfug.“ So beginnt eines der berühmtesten Kinderbücher der Welt, neu herausgeben von „Die Andere Bibliothek“, einem Garant für schöne und lesenswerte Bücher. Das Besondere am Besonderen hier: Denn zum ersten Mal liegt dieser Weltbestsellererfolg auf Deutsch in der vollständigen Übertragung der Erstausgabe von 1906/1907 vor. Wobei sich dem geneigten Leser ziemlich schnell erschließt, dass in den bisherigen Übersetzungen teilweise, so der Verlag, „skandalös“ gekürzt wurde.

Jetzt also kann er reisen mit den Wildgänsen, der kleine Nils Holgersson, geschaffen von der Literaturpreisträgerin Selma Lagerlöf, kann seine Abenteuer als Däumling erleben und seine wunderbare und spannende Reise durch Schweden und zum eigenen Ich.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Jack El-Hai: Der Nazi und der Psychiater

Jack El-Hai ist Wissenschaftsjournalist und die Grundlage seines Buches sind bisher nie veröffentlichte Dokumente aus dem Nachlass des amerikanischen Militärpsychiaters Douglas M. Kelley über seine Erfahrungen mit der Nazi-Elite, die er von dessen Sohn überreicht bekam.
Um die Nürnberger Prozesse, bei denen die NS-Hauptkriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden sollten, gründlich vorzubereiten, wurden die inhaftierten Nazigrößen untersucht – auch und vor allem auf ihre psychische Gesundheit. Aufgabe war es, die Zurechnungsfähigkeit der 22 Angeklagten zu beurteilen. Der leitende Armeepsychiater Kelley, Mitbegründer des berühmten Rorschachtests, sah darin die Chance, hinter die Kulissen zu blicken, das Böse im Menschen zu erforschen, und es so zukünftig im Keim ersticken zu können. Hermann Göring faszinierte ihn besonders, zwischen den beiden Entstand eine Art Bindung, psychische Verwicklungen, die weiter gehen als sie gehen sollten. Und die letztendlich vielleicht sogar etwas mit dem Tod des Psychiaters zu tun haben, denn auch er brachte sich mit Zyankali ums Leben.
Die Protokolle, die Film- und Tondokumente des Nürnberger Tribunals sind schockierend. Und die Art und Weise, wie in diesem Buch aus der etwas anderen Bibliothek darüber berichtet wird, ist besonders bestürzend und abschreckend. Zeigt sich doch, dass der Wahnsinn mitten unter uns ist.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Augusto Cury: Der Traumhändler

Da kommt einer und verkündet Botschaften. Und kaum einer nimmt ihn richtig ernst. Das kommt uns irgendwie bekannt vor. „Die Gedanken, mentalen Bilder und Fantasien, die die Kreativität beflügeln können, stutzen auch deren Flügel und blockieren, wenn sie überhand nehmen, Intuition und Einfallsreichtum“ – so seine Botschaft. Dieser Mann im Hier und Jetzt, der die Kunst der Gedankenlosigkeit im positiven Sinne beherrscht, streift durch die Straßen einer Großstadt und verkauft Träume an Menschen, die es schon lange nicht mehr gewagt haben, von irgendetwas zu träumen. Ein Meister? Ein Weiser? Oder doch ein Psychopath und Betrüger?

Auf eine sehr pathetische und teilweise sehr stark christlich angehauchte Weise lässt der Autor, ein brasilianischer Arzt, Psychiater und Psychotherapeut seine Figur entstehen.

Seine Bücher haben sich in Brasilien über 15 Millionen Mal verkauft, wobei „Der Traumhändler“ sein erstes belletristisches Werk ist. Und das erste, das in Deutschland erschien.
3.2 Stars (3,2 / 5)

Anna Trödes/Bettina Knothe: Neuro-Yoga

Yoga hat tausend Gesichter und gerade in letzter Zeit entstanden Strömungen, die mehr an Yoga entlanggeschrammt sind als eigentlich den Gedanken des Yoga zu leben. Soll es doch eigentlich darum gehen, zu erlernen, den Geist zu klären, Gedanken vorbeifließen zu lassen, seine Mitte zu finden, sich mit sich selbst anzufreunden. Das Ziel der Autoren war es, Wissenswertes rund ums Yoga verständlich zu kommunizieren. „Unser Gehirn schreibt unsere Geschichte, und gleichzeitig schreiben sich unsere Erlebnisse und Erfahrungen als Geschichte in unser Gehirn und unseren Körper ein“ – so erklären Anna Trökes und Bettina Knothe wie alte Weisheitspraxis auf unser Gehirn wirkt. Letztendlich geht es um etwas, was seit rund 2000 Jahren bekannt ist, was wir aber erst heute bildgebend nachweisen und damit irgendwie auch glauben können. Die Erkenntnisse von damals ergänzt durch die neuesten Erkenntnisse der Neurowissenschaften – das ist das, was die Zweifler dieser Welt brauchen.

Das Autorenteam besteht aus Kapazitäten aus beiden Welten. Anna Trökes hat sich einen Namen gemacht in der Welt des Yoga. Sie bildet seit mehr als drei Jahrzehnten Yogalehrer aus und unterrichtet europaweit. Bettina Knothe dagegen kommt aus der Wissenschaft. Sie ist Diplombiologin mit einer Promotion in Umweltwissenschaften.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Rebecca Wild: Gefangene der Magie

Mit einer Fee wie aus dem Bilderbuch hat Kira wenig gemeinsam. Gemeinsam mit anderen Paranormalen wird sie aus Angst von den Menschen in einem Reservat gefangen gehalten. Hinter der Panik stecken machthungrige Zauberer und ausgerechnet in den allerschlimmsten verknallt sich Kira. Soweit der erste Band, „Verräter der Magie“.
„Gefangene der Magie“ ist der zweite Teil aus der magischen Reihe. Und er ist sogar noch besser. In der Fortsetzung werden die Fäden rund um Cian und Kira weiter gesponnen. Kira ist ziemlich stinkig und hält es im Nachhinein für keine gute Idee mehr, Cian zu retten und seine Seele in sich aufzunehmen. Jetzt quatscht er in ihrem Kopf und nervt sie. Helfen kann, so glaubt Kira, nur eine alte Hexe, die Körper und Geist wieder vereinen soll. Aber das geht gründlich schief.

Umgeben von zahlreichen seltsamen und geheimnisvollen Wesen, erleben die beiden Wesen eine reichlich spannungsgeladene und phantasievolle Handlung. Wozu es nicht unbedingt erforderlich ist, den ersten Teil auch wirklich gelesen zu haben, man kommt schnell rein ins Geschehen. Ein bisschen Romantik, viel Magie und genug Action – ein Buch wie gemacht für weibliche Teenager.

Und noch immer bleiben Fragen offen – man wird also noch mehr hören über Cian und Kira.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Ivonne Keller: Hirngespenster

„In dem Moment, als ich mit dem Kopf auf den Beton aufschlug, bereute ich, Anna niemals gesagt zu haben, wie sehr ich sie bewunderte.“ Doch dafür war es nun zu spät. Sylvies Schwester Anna scheint wie vom Erdboden verschluckt, sie kommt nie zu Besuch, kann möglicherweise nicht ertragen, dass Silvie gefangen ist in ihrem eigenen Körper, sich nur schwer verständlich machen kann und darunter leidet. Vor allem, weil sie ausgerechnet bei der Frau lebt, die ihr Mann schon immer geliebt hat. Sabrina kümmert sich aufopferungsvoll. Um Silvie, ihre Söhne und um Johannes.

Dieser Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, jede mit ihrem eigenen Blickwinkel. Es rollt auf, wie die Dinge zusammenhängen, was das Schicksal geplant hat. Besonders spannend, vor allem beim zweiten Lesen, ist die Sicht Silvies. Und das Ende, das einen wirklich umhaut. Ein Buch, das nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Und ein unglaubliches Debüt. Ivonne Kellers zweites Buch, Lügentanz, hat seine ebook-Premiere am 15.12.
5.0 Stars (5,0 / 5)