Karine Tuil: Die Gierigen

Samuel, Samir und die obligatorische Frau in der Runde, Nina, sind eng befreundet. Man könnte fast sagen unzertrennlich. Sie leben dasselbe Leben, haben die gleichen Werte. Samuel und Nina sind ein Paar, Samir derjenige, der die Zweisamkeit ins Wanken bringt. Eine leidenschaftliche Affäre zwischen Nina und ihm zerstört die Harmonie des Trios, nimmt der Jugend die Unbekümmertheit und verändert Leben. Nicht nur einmal, sondern zweimal. Denn Samir, der in Frankreich aufgrund seiner arabischen Herkunft keinen Fuß auf den Boden bekam, und der sich dann die Identität und Geschichte seines ehemaligen Freundes zu eigen gemacht hat um fortan als vermeintlicher Jude Sam seinen beruflichen und privaten Weg zu machen, kommt den beiden, denen es nie gelungen ist, ihren Platz am Rande der Gesellschaft zu verlassen, noch einmal in die Quere. Oder andersherum. Inzwischen hoch dotierter und äußerst angesehener Anwalt in Amerika, verheiratet mit einer einflussreichen Frau aus der High Society, belanglose Affären, zwei wohlgeratene Kinder, erzogen von den Nannys bringt ihn nur eines ins Schwanken – Nina. Denn die taucht plötzlich wieder in seinem Leben auf. Sie und Samuel haben den verschollen geglaubten Freund in einer Fernsehsendung entdeckt und Nina lässt es darauf ankommen. Samuel lässt es geschehen. Kommt erst einmal ein Stein Bewegung, bricht die Lawine los. Und wird von Samirs ungeliebtem Stiefbruder noch so richtig ins Rollen gebracht. Und auch, wenn es sich über 500 Seiten hinzieht, so erstaunt es doch, wie schnell ein scheinbar perfekt auf den Trümmern anderer aufgebautes Leben ins Wanken, Schleudern und Scheitern geraten kann.

Dieser Roman über einen Aufsteiger aus der Pariser Banlieue und die, die dabei auf der Strecke geblieben sind, wurde in Frankreich geradezu als literarische Sensation gefeiert. Und ist harter Tobak in Bezug auf Gesellschaftskritik. Die Autorin macht einen regelrechten Rundumschlag. Nichts bleibt außen vor und doch verzichtet sie, und das dürfte in diesem Fall nicht leicht gewesen sein, komplett auf Klischees. Die Sprache, die sie verwendet und die von Maja Ueberle-Pfaff, die auch bereits Mark Twain und Jules Verne übersetzt hat, nahezu perfekt ins Deutsche übertragen wurde, ist anders als man es von einer Frau in ihrem Alter erwartet hätte. Besonders interessant sind einige Stilmittel, die sie dabei verwendet. Wobei man sich bei dem ein oder anderen durchaus wundert, warum man es nicht selbst schon verwendet/benützt/eingesetzt hat.

Karine Tuil, geboren 1972, studierte selbst Jura, schrieb nebenbei den einen oder anderen Roman und beschäftigt sich derzeit nicht nur mit ihren Kindern, sondern auch mit ihrer Doktorarbeit. Eine Autorin, von der man sicher noch einiges hören wird.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Peter Brown: Der neugierige Garten

Es war einmal eine Stadt ohne Gärten, ohne Bäume, ja gänzlich ohne das kleinste bisschen Grün – so beginnt die Geschichte eines kleinen Jungen, der liebend gerne draußen war. Liam erforschte bei jedem Wetter seine Umwelt und fand bei einer seiner Exkursionen ein kleines bisschen, verdorrtes Grün. Noch unerfahren aber voller Tatendrang versucht er es zu pflegen und auch, wenn die Pflanzen ein bisschen darunter leiden müssen, sie wissen es zu schätzen. Über kurz oder lang breitet sich das Grün dankbar und auch neugierig aus und es findet mehr und mehr Gärtner. Jahre später blüht die ganze Stadt.

Dieses Bilderbuch erinnert sehr an Hokuspokus Blumibus. Aber es ist, das muss man zugeben, noch deutlich schöner. Das beginnt bereits auf der taktilen Ebene, denn es ist mit bedrucktem Stoff eingebunden. Ein echtes Erlebnis für die Sinne. Zum Hören, Sehen und Fühlen.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Sabine Jörg: Der Ernst des Lebens

„Wenn Du in die Schule kommst, dann beginnt der Ernst des Lebens“ – ein Satz, der nicht gerade dazu geeignet ist, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken und auch Annette ist sehr skeptisch, wenn sie über den Ernst des Lebens nachdenkt. Doch dann kommt alles anders. Denn der Junge, der am ersten Schultag neben ihr sitzt, heißt Ernst. Der „Ernst des Lebens“ und sie wissen nun, dass sie sich von den Erwachsenen keine Angst mehr machen lassen und es beginnt eine ganz wunderbare Freundschaft.

Musik, Geräusche und kleine Bonusgeschichten machen diese CD abwechslungsreich. Sie hat allerdings einen Nachteil, der bei einer jüngeren Zielgruppe durchaus ein Vorteil sein könnte: Sie ist mit ihren 33 Minuten Laufzeit definitiv zu kurz.

Sabine Jörg ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt im Bereich der Kinder- und Jugendbuchautoren. Sie schreibt unter anderem auch Sachbücher und Drehbücher für „Löwenzahn“. Auch der Sprecher, Robert Missler, ist kein Unbekannter. Er ist als Synchronsprecher in Erfolgsserien wie Dr. House (als Dr. James Wilson) zu hören, verkörpert stimmlich den Grobi aus der Sesamstraße und ist zusätzlich Musiker, Kabarettist und Schauspieler.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Joachim Friedrich: Die furchtlosen zwei von Bahnsteig 3

Billy und sein bester Kumpel Pommes, der seinen Spitznamen nicht von ungefähr hat, sind Tauben und leben auf Bahnsteig 3. Gemeinsam mit ihrer Gang und ihrem Boss. Das allerdings gefällt dem Bahnhofswärter gar nicht und er versucht mit allen Mitteln, die Viecher zu vertreiben. Eines Tages gelingt es ihm, alle Tauben sind auf einen Schlag verschwunden – entführt. Doch Billy, Pommes und ihre neuen Freunde aus dem edlen Taubenhaus lassen sich das nicht gefallen.

Es gibt ein bestimmtes Alter, da finden vor allem Jungs das Benützen von Wörtern aus dem Fäkalienbereich wahnsinnig komisch. Und die kommen hier voll auf ihre Kosten. Es macht richtig Spaß, dieses Buch einem Fünfjährigen vorzulesen, der sich jedes Mal bei dem Wort Kack-Attack und den dazugehörigen Zeichnungen kaputtlacht. Wobei man auch als Erwachsener zugeben muss, dass das Buch in seiner Art so witzig geschrieben ist, dass man selbst nicht umhin kann, bei der Vorstellung – und nicht nur bei dieser – grinsen zu müssen. Ein echt gelungenes Buch, das seine Zielgruppe zwischen fünf und elf perfekt erreicht.
4.9 Stars (4,9 / 5)

Antje Szillat: Flapsi Flodder, das Kellermonster

Wer hat schon Angst vor Flapsi Flodder? Leider niemand. Und genau das ist auch Flapsis Problem. Denn, wenn das kleine Monster es nicht schafft, Menschen so richtig zu erschrecken, wird es erneut durch die Monsterprüfung fallen und dann wird es mit Schimpf und Schande aus der Monsterfamilie geworfen.

Doch Leo, der Flapsi Flodder an Halloween im Keller des neuen alten Hauses gefunden hat, in das seine Eltern mit ihm gezogen sind, und Ida, die Nachbarstochter wissen Rat. Sie helfen dem kleinen Monster so richtig gruselig zu sein und finden damit einen Freund fürs Leben.

Antje Szillat ist ja fast schon ein Garant für gute Kinderbücher. Dieses hier ist ihr mal wieder besonders gut gelungen. Die Geschichte ist niedlich und einfach mal was anderes. Die Szenen, in denen keiner weiß, wer jetzt mehr Angst vor wem hat, sind dabei die besten.
4.4 Stars (4,4 / 5)

Silke Porath: Mutti muss mit

Ein bisschen unglaubwürdig ist sie ja schon, die Geschichte von der Geliebten, die diesen Mann so unbedingt will, dass sie seine Ehefrau aufklärt und statt hochkant rausgeschmissen zu werden, von dieser dazu eingeladen wird, mit der Schwiegermutter in spe in Urlaub zu fahren. Noch ein bisschen unglaubwürdiger ist, dass gerade diese eine Schwiegermutter das so sang- und klanglos mitmacht. Denn sie ist das, was man einen echten Besen nennt. Ein Schwiegermuttermonster, das zum Lachen höchstens in den Keller geht, das anderen sämtliche Freuden des Lebensversagt, weil es selbst keine Freude am Leben hat und das tyrannisiert. Doch all das macht Claudia gar nicht aus, will sie doch über diesen steinigen Weg das Herz ihres Geliebten komplett gewinnen. Das allerdings geht mega-schief.

Turbulenter als diese Geschichte könnte das Leben selbst nicht sein. Hier wird wirklich jedes Klischee bedient und selbst, wenn es beseitigt werden soll, wird es durch ein noch größeres ersetzt. Was wiederum aber für den einen oder anderen Leser, bzw. für die eine oder andere Leserin, denn die sind ganz eindeutig die angestrebte Zielgruppe, durchaus seinen Reiz haben könnte. Irgendwie hat das Buch was, man schüttelt zwar beim Lesen automatisch immer wieder den Kopf, bleibt aber trotzdem dran. Schließlich will man dann nämlich doch wissen, wie dieses obskure Experiment mit den vielen Nebenschleichwegen und -schauplätzen ausgeht.

Silke Porath, die Mitautorin von „Schokolade ist auch nur Gemüse“, hat wie in ihren anderen Büchern auch einen leichten Ton angeschlagen, dem Genre entsprechend arbeitet sie mit einfachen Sätzen und kleinen Sprachspielchen. Nett. Mehr aber auch nicht.
1.9 Stars (1,9 / 5)

Angelika Diem/Susanne Szesny: Vom Verlieren und Gewinnen

Die Hexe Pollonia ist ein ganz zauberhaftes Wesen und sie taucht nicht zum ersten Mal in der Bilderbuchwelt auf. Letztendlich geht es immer darum, dass die kleine Hexe, die das Herz eigentlich am richtigen Fleck trägt, immer wieder mal ein bisschen mit der Nase darauf gestoßen werden muss, dass dem so ist. In diesen beiden Geschichten geht es um Wettkampf, einmal um ein Rennen, das Pollonia verliert, weil sie einer anderen Hexe hilft, und einmal darum, das perfekte Hexentier zu präsentieren. Pollonia will hier so richtig auftrumpfen, merkt aber schnell, dass weder ein Königstiger noch ein Eisbär und schon gar kein eingebildeter Pfau es mit ihrem Kater Camillo aufnehmen kann.

Susanne Szesny gehört zu den Besten, die wir in Deutschland haben. Zweifelsohne. Ihre Bilder treffen den Nerv der Zeit, ihre Figuren haben einen hohen Wiedererkennungswert und sind bis ins Detail perfekt unperfekt. In diesen Bildern gibt es immer noch etwas zu entdecken, egal, wie oft man das Buch bereits betrachtet hat.
4.1 Stars (4,1 / 5)