Morris Gleitzman: Einmal

Einmal – da rettete Felix ein kleines Mädchen aus einem brennenden Haus. Einmal – da brachte er einen Nazi mit Zahnschmerzen zum Lachen. Und einmal – da gab es eine Zeit, in der Felix ein Kind sein durfte. Felix ist neun und lebt seit fast vier Jahren im Waisenhaus. Was draußen vor sich geht begreift er nicht. Auch nicht, warum seine Eltern ihn wirklich hierher gegeben haben. Ahnt aber, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dass die Eltern, Buchhändler von Beruf, nicht nur ihre Geschäfte ordnen müssen. Und er weiß, dass niemand etwas darüber wissen darf. Ganz besonders nicht die Männer in Uniform, denen es sogar gelingt, die sonst so felsenstarken Nonnen zum Weinen zu bringen. Anfangs hat Felix sich die Zeit mit Geschichten vertrieben. Geschichten, in deren abenteuerlichem Mittelpunkt seine Eltern als Helden dastanden. Doch als Männer mit merkwürdigen Armbinden auftauchen und jüdische Bücher verbrennen, weiß er, was er zu tun hat. Er reißt aus, um Mama und Papa zu helfen, ihre Bücher vor der Verbrecherbande zu schützen. Und gerät mitten ins Warschauer Ghetto. Was der kleine Junge dann in den vom Krieg gezeichneten Straßen erleben muss – kein noch so guter Psychothriller könnte mehr Gänsehaut erzeugen.

Der Roman, geschrieben aus der Sicht und mit den einfachen, oft schon naiven Worten des kleinen Jungen, zeigt die Sinnlosigkeit und die grausame Wahrheit der Judenverfolgung aus einer ganz anderen Perspektive. Aus einer noch erschreckenderen Perspektive. An manchen Stellen ist man sogar versucht, das Hörspiel wieder auszumachen. So bedrückend ist die Stimmung, untermalt von Musik, die direkt in den Bauchraum geht. Durchzuhalten aber lohnt sich, denn hier handelt es sich um eines der Bücher, die man nie wieder vergessen wird. Und genau aus diesem Grund sollten Kinder „Einmal“ auch nicht zu früh und vor allem nicht ohne Vorbereitung hören. Mit dreizehn dürfte das Mindestalter gut eingeschätzt sein.

Morris Gleitzman, der inzwischen eine Fortsetzung des Buches auf den Markt gebracht hat, ist einer der bekanntesten Kinderbuchautoren Australiens – mehrfach ausgezeichnet. Auch ‚Einmal‘ schaffte es, wie es fast schon nicht anders zu erwarten war, auf Nominierungslisten und in Preiskategorien. Bei diesem nahegehende Roman aus der Position eines kleinen Jungen während der deutschen Besatzung in Polen, wurde der Autor inspiriert durch die Geschichte eines jüdischen Arztes, der sich heldenhaft für Kinder einsetzte.

Lissa Price: Starters

Ausrottung und Aussterben sind genauso Thema der meisten Zukunftsvisionen in Romanform wie ungleiche Verteilung, Angst und Elend bei den Übriggebliebenen. Lissa Price allerdings kam mit der gleichen Basis auf eine ganz neue Idee.
Sind es in Stephenie Meyers Science Fiction mit dem Titel „Seelen“ Außerirdische, die die Körper der Menschen übernehmen, so werden sie in ‚Starters‘ von Alten ersetzt. Sporen haben dafür gesorgt, dass Menschen zwischen zwanzig und vierzig von der Bildfläche verschwunden sind. Überlebt haben vor allem die schwachen Mitglieder der Gesellschaft. Diejenigen, die zuerst geimpft wurden. Inzwischen gibt es fast nur noch Teenager, wenige Kinder und eine ganze Menge Alter. Die locker bis zu 200 Jahre alt werden können. Die sogenannten ‚Enders‘ fühlen sich zwar nicht so, sehen aber entsprechend aus. Mit all den Zipperlein, die so dazugehören. Wen wundert es da, dass sie sich nichts sehnlicher wünschen als einen jungen Körper für ihr erfahrenes Bewusstsein.

Und hier kommen die ‚Starters‘ ins Spiel. In Ermangelung von Bezugspersonen leben viele von ihnen auf der Straße. Immer auf der Flucht vor den Häschern, die sie, wenn sie sie erwischen, bis zu ihrem 18. Lebensjahr in Heime stecken, die mehr lieblosen Kasernen denn einem Zuhause gleichen. Hier beginnt die Geschichte von Callie. Das junge Mädchen, das sich hingebungsvoll um seinen kleinen Bruder kümmert, ist verzweifelt. Tyler ist lungenkrank und braucht teure Medikamente und er braucht dringend ein warmes Dach über dem Kopf. Um ihm dies zu bieten, wählt sie den Weg zur Body Bank. Das Unternehmen Prime Destinations bietet eine Menge Geld für einen zu mietenden jungen Körper. Versehen mit einem im Gehirn implantierten Neurochip kann das Bewusstsein eines alten Menschen, eines Enders, den Körper übernehmen. Sex ist nicht erlaubt, gefährliche Sportarten auch nicht und nach ein paar Tagen, vielleicht einem Monat ist der Spuk vorbei. Die Sechzehnjährige lässt sich trotz aller Zweifel auf den Deal ein, wacht aber dummerweise zu früh auf und findet sich wieder im Leben einer reichen alten Frau, die sich zur Aufgabe gemacht hat, ihre verschwundene Enkelin zu suchen und dabei den Kampf gegen Prime Destinations aufnehmen will. Zwei Seelen wohnen nun in dieser Brust und nachdem sich die beiden zunächst bekämpfen, gehen sie später eine Allianz ein.

Lissa Price hat mit diesem futuristischen Thriller ein ganz beachtliches Debüt abgelegt, das – vor allem in der Hörbuchfassung gelesen von der Synchronstimme des jungen Vampirlieblings Bella – ziemlich unter die Haut geht. Abgesehen von ein paar wenigen, überschaubaren Nebenschauplätzen konzentriert sich die Autorin auf den eigentlichen Plot und hält den Leser so bei der Stange.
Das Ende allerdings kommt zu abrupt und lässt dabei doch auch der Phantasie zu wenig Spielraum. Was dazu führt, dass der Roman so eigentlich nicht für sich selbst stehen kann. Welch ein Glück für die Leser und Hörer, dass Lissa Price bereits an einer Fortsetzung arbeitet. Mit dem wenig erstaunlichen Titel „Enders“.
Lissa Price: Starters, erschienen als Hörbuch bei Osterwold im März 2012, gelesen von Annina Braunmiller, der Preis für sechs CDs liegt bei rund zwanzig Euro.