Daniel Glattauer: Vier Stern Stunden

Eines gleich vorweg: Ein typischer Glattauer ist dieses (Hör-)Buch nicht. Schlecht ist es aber auch nicht.

Bei den Kulturtagen im Hotel Reichenshoffer ist die Unlust dem Romanautor Frederic Trömerbusch, der hier interviewt werden soll, direkt ins Gesicht geschrieben. Und dabei ist es dem in die Jahre gekommenen Herrn auch ziemlich egal, dass die ihm gegenübersitzende Journalistin Mariella Brem eigentlich ein großer Fan von ihm ist und sich diese eine Begegnung doch so ganz anders ausgemalt hatte. Trömerbusch will zurück ins Hotelzimmer zu seiner jungen Geliebten, die ihn, den Autor mit der Schreibblockade, wieder auf junge, frische, erfrischende Pfade führen soll. Doch dazu hat diese, eine Bloggerin, überhaupt keine Lust. Und mischt die Veranstaltung lieber ein bisschen auf.

Das Stück, das in einem etwas abgehalfterten Vier-Sterne-Hotel spielt, ist kurzweilig, die 90 Minuten vergehen wie im Flug, einzig der Sprecher des Hotelerben überzeugt ganz und gar nicht. Kritisieren könnte man auch, dass Glattauer die sonst so fein geschliffenen Wendungen des Lebens, die er normalerweise spitz und pointiert zur Sprache bringt, hier eher nicht zur Geltung kommen lässt. Stattdessen entstand ein Stück, das an persönlicher Tragik, genau weil ebendiese Tragik fehlt, nichts zu wünschen übrig lässt.

Ulrich Hoffmann: Konzentrieren ist ja ganz leicht

Das Kind hat bestimmt ADHS – diesen Satz kann man seit ein paar Jahren dauernd hören. Bevorzugt im Zusammenhang mit lebendigen Jungs, denen das stundenlange Stillsitzen von Natur aus schwerfällt und die einfach nicht dafür gemacht sind, Ausmalbildchen zu gestalten. Eine Entwicklung, die bedenklich ist.

Trotzdem ist es nicht zu leugnen, dass viele Kinder unter Konzentrationsschwierigkeiten leiden. Woran das liegt, dafür kann es viele Gründe geben. Ein hektischer viel zu vollgepackter Alltag, in dem kein Raum bleibt für ruhiges Ins-Spiel-Versinken kann einer der Gründe sein. Denn es braucht Ruheinseln,um immer wieder von der Anspannung in die Entspannung zu kommen. Wenn allerdings wir Erwachsenen das auch nicht schaffen, wie soll es dann den Kindern gelingen?

Da kommt dieses kleine Büchlein, das sich mit Meditationen für Kinder im Grundschulalter beschäftigt, gerade recht. Mit der CD, die von Wissen-macht-ah-Moderator Ralph Caspers besprochen ist. Drei bis vier Minuten, Vorkenntnisse sind nicht nötig – nur wiederholen ist wichtig. Einfach mal ausprobieren und unbedingt mitmachen. Es lohnt sich!

Aus der Reihe noch erschienen: „Keine Angst vor niemand“ und „Einschlafen ist gar nicht schlimm“.

Marc-Uwe Kling: Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat

Die Oma hat das Internet kaputtgemacht hat, davon ist sie überzeugt. Sie hat hierhin und mal dahin geklickt hat, da war es plötzlich weg. Überall. Über die Folgen ist Oma allerdings nicht allzu überrascht, denn sie hat ja bereits einmal in einer Welt gelebt, in der es kein Netz gab. Die Enkel allerdings nicht. Und die Überraschung ist groß, als sie feststellen, dass es ohne gar nicht so schlecht ist. Und um einiges kommunikativer.
Die Geschichte ist ähnlich strange wie die folgenden über Prinzessinnen mit Riesenpopeln auf dem Kopf, die Prinzen heiraten sollen, die Furzgesicht heißen oder über den Sohn des Weihnachtsmann, der irgendwie lieber der Osterhase wäre. Oder sowas ähnliches zumindest.
Dass Marc-Uwe Klings Geschichten anders sind, das weiß man. Dass diese Kindergeschichten irgendwie nicht nur Kindergeschichten, sondern auch solche für Erwachsene sind, ist auch klar. Dass man sich eine solche CD kauft, weil man genau diesen Humor mag, liegt nahe. Aber die Geräusche und die Musik, mit denen das Ganze gekoppelt sind, fordern einem fast schon etwas Geduld ab. Denn sie machen das Ganze sehr unruhig und irgendwie hektisch. Das liegt zwar im Trend der Zeit, ist aber trotzdem irgendwie schade.

Marie Reiners: Frauen, die Bärbel heißen – gelesen von Katja Riemann

Bärbel Böttcher lebt sehr zurückgezogen mit ihrer kleinen Mischlingshündin Frieda am Rande einer Kleinstadt. Sie will keinen Kontakt zu anderen Menschen, zeigt fast schon autistische Züge und geht voll auf im Präparieren von Tierkadavern. Es genügt ihr, sich von Tartar zu ernähren, den Shoppingkanal zu schauen und ansonsten die Welt draußen zu lassen. Als sie bzw. eher ihr Hund allerdings durch Zufall im Wald eine Leiche findet, ist es vorbei mit der Ruhe. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse und Bärbel steckt mitten in einer Art Krimi. Die Gattin des Ermordeten ist ihr genauso auf den Fersen wie die Lokaljournaille. Und plötzlich lernt sich die Mittfünfzigerin von einer ganz anderen Seite kennen.

Am besten sind die Geschichten rund um die rabenschwarze Geschichte. Zum Beispiel die, in der Bärbel erzählt, wie sie ihre Eltern, die sich umgebracht haben, beseitigt hat, damit sie nicht in eine Pflegefamilie muss. Allein die strohtrockene Art der Protagonistin und die wie dafür geschaffene Sprecherin sind dieses Hörbuch schon wert. Allerdings ist man sich oft nicht ganz sicher, ob man laut rauslachen oder vor Fremdscham versinken möchte.

Rico, Oskar und das VomHimmelHoch

Der eine ist hochbegabt, der andere tiefbegabt und zusammen sind Rico und Oskar ein Super-Gespann. Und zwar nicht nur, wenn es darum geht, einen Kindesentführer zu jagen, sondern auch, wenn ein, nein zwei Christkinder sich in der Diefe 93 ankündigen. Doch was ist eigentlich da los in Berlin?

Die Weihnachtsvorbereitungen sind in vollem Gange, die Bäume endlich hochgeschleppt und geschmückt, das Essen brutzelt im Ofen und die Geschenke sind verpackt – und plötzlich denkt keiner mehr an die Bescherung. Draußen tobt der Schneesturm des Jahrhunderts und drinnen kommen gleichzeitig zwei Kinder zur Welt, eines geplant (Ricos kleine Schwester) und eines ungeplant und unter sehr mysteriösen Umständen. Tja, mag der eine oder andere jetzt denken: Der Frühling steht vor der Tür, was soll ich da mit einer Weihnachtsgeschichte? Stimmt. Einerseits. Andererseits findet parallel zum Hauptstrang der Geschichte immer wieder ein Rückblick auf den letzten Sommer statt und auf die Basis dessen, was am Heiligabend seinen Höhepunkt findet. Man kann die Geschichte also durchaus das ganze Jahr über hören.

Der Roman von Andreas Steinhöfel ist bereits der vierte Teil der Reihe und im Gegensatz zu vielen anderen Fortsetzungen wird es hier nicht um ein Haar weniger spannend. Und auch der Wortwitz ist auf gleichem Niveau. Hoffen wir, dass Steinhöfel seine Meinung ändert und die Geschichte auch weiterhin fortführt.

Bastian Bielendorfer: Papa ruft an

Lehrerkinder haben es nicht leicht. Fast jeder von uns kennt eines aus der eigenen Schulzeit. Diesen jungen Mann allerdings hat es besonders hart getroffen: beide Eltern sind Lehrer und beide leben auf einem völlig anderen Planeten. Bastian Bielendörfer hat auf seine charmant-witzige Art, bei der er immer nah dran aber nie unter die Gürtellinie schießt, bereits mehrere Bücher in Umlauf gebracht und „Papa ruft an“ war da nur die logische Konsequenz.
Nachdem die Mama das Internet gelöscht hat, ist der Papa nun aufgrund widriger Umstände auf sich gestellt und wo sucht er Rat, wenn er die Waschmaschine in Gang bringen oder etwas zu essen machen muss: bei Bastian. Der eine Engelsgeduld mit ihm hat. Mit ihm und mit seinem Neffen Ludger, dem klugscheißerischen Sprössling einer Ökofamilie. Wer allerdings noch viel mehr Geduld hat, ist Bastians Freundin.
Das, was Bastian Bielendörfers „Stücke“ so witzig macht, sind nicht nur die Geschichten an sich, es ist vor allem die Art, wie er sich selbst aufs Korn nimmt. Sehr sympathisch.
Die CD, vom Autor selbst gelesen, ist witzig und eignet sich ganz wunderbar auf Fahrten zum Einkaufen. Für längere Fahrten allerdings nicht, denn da wird das Ganze dann irgendwann etwas fad.

Guillaume Musso: Das Mädchen aus Brooklyn

Als Raphael diese Frau kennenlernt, weiß er, das ist die Frau seines Lebens. Die Liebe blüht in unermesslichem Tempo auf und die Hochzeit steht schnell vor der Tür. Aber irgendetwas treibt Raphael dazu an, seine Angebetete in die Enge zu bringen. Er fragt sie aus über ihre Vergangenheit, will von der so schweigsamen Anna alles wissen. Und hört nicht auf zu bohren, auch wenn er spürt, dass das ein fataler Fehler sein könnte. „Stell dir vor, ich hätte etwas Schreckliches getan. Würdest du mich trotzdem lieben?“ fragt Anna ihn schließlich und zeigt dem Mann ihres Herzen ein Foto. Darauf: verkohlte Leichen.
Raphael flüchtet im ersten Moment, kommt mit der Situation nicht klar, und als er zurückkehrt und darauf hofft, dass sie ihm das plausibel erklären kann, ist Anna weg und für den jungen Mann beginnt eine dramatische Suche – bei der er unterstützt wird von einem Freund, einem Polizisten, der ihm so manchen Weg ebnet und so manche Türe öffnet. Doch wie sagt man so schön? Wenn alle Türen offen stehen, zieht es!

6 CDS, über 400 Minuten – und keine davon ist langweilig. Man fiebert mit mit Raphael, man zweifelt mit ihm, hofft mit ihm und leidet mit ihm. Und irgendwann auch mit Anna, deren Rolle – ganz, wie bei Musso zu erwarten ist – in diesem Spiel eine ganz andere ist als man zunächst dachte. Einzig die Rahmengeschichte rund um Raphaels Trennung von seiner Ex und das dazugehörige Baby stören den Lesefluss etwas und man kann nicht umhin, sich zu fragen, ob diese Konstellation gewaltsam eingebaut ist, um auf genau einen Punkt hinzuführen. Aber das kann man als Leser kaum glauben, denn es ist eigentlich nicht Mussos Art, so durchschaubar vorzugehen.
Musso ist ein Lesevergnügen. Immer. Daran besteht kein Zweifel. Aber vertont von Richard Barenberg ist es ein Hochgenuss. Keiner passt besser zu diesem bärbeißigen Mann mit den weichen Seiten wie dieser Schauspieler und Sprecher.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Andreas Steinhöfel: Anders

Schon seine Kinderbücher rund um Rico, Oskar und Paul Vier zeigen, wie einfühlsam und anders der Autor von „Anders“ ist. Andreas Steinhöfel versteht etwas von seinem Handwerk und hat hier eine Geschichte geschaffen, die tief unter die Haut geht. Wer ihn anno 2014 auf der Buchmesse in Frankfurt gehört hat, wird dies bestätigen. „Anders“ ist eines dieser Bücher, die einem lange im Kopf bleiben.

Es geht um den kleinen Felix, der, nachdem ausgerechnet seine ehrgeizige Helikopter-Mutter ihn über den Haufen gefahren hat, die Zeit einer ganzen Schwangerschaft lang im Koma lag und als Anders wieder aufgewacht ist. Erinnerungen an die Zeit vor dem Unfall hat er nicht. Und es gibt da so den einen oder anderen, dem das auch lieber ist. Doch so langsam drängeln sich die Ereignisse wieder ins Bewusstsein des nun gar nicht mehr angepassten und duckmäuserischen Jungen – beinahe mit fatalen Folgen.

Die Hörspielinszenierung ist tatsächlich nur etwas für Hörspielbegeisterte. Denn die Bearbeitung durch Karlheinz Koinegg und die Umsetzung durch den WDR ist, wie es das CD-Cover bezeichnet „atmosphärisch-dicht“. Überladen könnte man es auch nennen. Denn an manchen Stellen macht das Stakkato den Hörer eher nervös und führt dazu, dass man von den eigentlichen Zwischentönen, die Steinhöfel geschaffen hat, abgelenkt wird.
3.4 Stars (3,4 / 5)