Sarah Weeks: Jamies Glück

Jamie hat nicht nur kein Glück, er hat eine ganze Menge Pech. Und nicht nur er, sondern auch seine Familie. Sein Vater haut ab, seine Tante, bei der er und seine Mutter leben, hat einen Unfall, bei der sie das Gedächtnis verliert, seine Katze wird überfahren. Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen. Denkt Jamie.

Dass er in der Schule keine Freunde findet, gehänselt wird und auch die Lehrerin nicht wirklich begeistert ist von ihm und seinen Leistungen – und ihn das täglich spüren lässt – ist eigentlich nur Staffage. Jamie schwankt zwischen totaler Resignation und immer wieder aufkeimender Hoffnung auf ein bisschen Zuneigung. Und genau das macht ihn anfällig für den schmierigen Hausmeister. Der Junge ist über die Vorfälle so entsetzt, dass er mit niemandem darüber reden kann. Mit niemandem außer mit Tante Sapphy, denn deren Gehirn vergisst seit dem Unfall alles innerhalb von Minuten…

Diese Geschichte ist eine Geschichte über das Glück – das man genau da finden kann bzw. nur da finden kann, wo man am wenigsten damit rechnet. Und es ist eine Geschichte über Vertrauen, Freundschaft und die Tatsache, dass oft Menschen, von denen man es nie im Leben gedacht hätte, die besten Freunde werden. Und dass die Lösung für ein schwieriges Problem oft näher ist als man denkt. Großen Raum nimmt aber auch das Unglücklichsein in diesem Werk ein. Denn damit Jamie realisieren kann, was Glück bedeuten kann, muss er seelisch ziemlich tief fallen…

Der Sprecher Stefan Wilkening fängt die Stimmungen Jamies gut ein, verliert aber zwischendrin immer wieder ein bisschen an Tempo. Das liegt vielleicht auch daran, dass man für den Mittelteil der Buchvorlage etwas Durchhaltevermögen braucht, um dann das durchaus gut gelungene Ende wieder genießen zu können. Sarah Weeks beschreibt sehr detailgenau die jeweiligen Szenen, sie führt den Leser und in diesem Fall den Hörer gekonnt hinein in die triste Wohnwagensiedlung am Rande der Gesellschaft.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Markolf H. Niemz: Lucy im Licht

Was geschieht beim Übertritt vom Leben zum Tod? Gibt es überhaupt ein Jenseits? Die Beantwortung dieser Fragen war bisher immer Glaubenssache. Doch jetzt hat sich ein reiner Naturwissenschaftler mit diesem heiklen Thema auseinandergesetzt – und er kommt zu interessanten Schlüssen.

Prof. Dr. Markolf H. Niemz ist Medizintechniker und Physiker an der Universität in Heidelberg und neben seinen Forschungen zur Lasermedizin interessiert ihn ganz besonders ein bestimmter Grenzbereich zwischen Theologie, Medizin, Philosophie, Psychologie und Naturwissenschaft: der Tod, bzw. genauer gesagt das Sterben an sich.

Man kennt die typischen Nahtoderfahrungen: das gleißende Licht am Ende eines Tunnels, der schnelle Durchlauf des eigenen Lebens, das Wiedersehen mit bereits Verstorbenen – Aussagen klinisch toter Menschen nach dem Wiedererwachen, die sich interessanterweise rund um die Welt und durch alle Kulturkreise gleichen. Man kennt aber auch wissenschaftliche Annahmen darüber, dass es sich sozusagen um die „letzten Zuckungen“ des Gehirns handelt, um Halluzinationen also.

Beweisen lässt sich hier erst mal gar nichts, aber das ist bei den Naturwissenschaften ja nicht zum ersten Mal so. Man stellt eine These auf, eventuell sogar mit ein oder zwei Unbekannten und überprüft sie soweit es geht. Das hat Herr Niemz getan. Bzw. nicht er selbst, sondern seine Kunstfigur Lucy, eine junge Wissenschaftlerin, die man bereits aus dem Buch „Lucy mit c“ kennen könnte. Lucys Axiom: Mit dem körperlichen Tod wird unsere Seele (unser geistiges Ich, unser Bewusstsein) auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, damit sie ins Jenseits übergehen kann. Auf Basis dieser Annahme verbindet der Autor theologische Begriffe (Ewigkeit und Omnipräsenz), Erkenntnisse der modernen Sterbeforschung (Tunnelerlebnis) und Effekte der modernen Physik (spezielle Relativitätstheorie). Die Inhalte verschiedenster Fachgebiete verzahnen sich und ergeben nur zusammen das vollständige Bild, das Niemz malt.

Einigermaßen verständlich erklärt er die notwenigen Grundlagen – vor allem die der Physik, anschaulich untermalt mit zahlreichen Graphiken und ergänzt durch kleine Experimente. Aber genau hier rutscht das Buch etwas ab vom eigentlichen Niveau. Mir persönlich gefällt schon die Kunstfigur Lucy nicht, sie wirkt albern und macht bisweilen aus einem ernsten Thema Slapstick. Ich habe auch keine Lust, Alufolie auf eine bestimmte Seite in einem Buch zu kleben, um mir auf diese Weise das Phänomen eines Spiegels bewusst zu machen. Hier bekommt das Ganze dann doch eher den schalen Geschmack eines schlechtens Meditationswochenendes.

Aber: Der Inhalt des Buches an sich ist super-interessant. Niemz gelingt es, interdisziplinär zu argumentieren und so gut zu „beweisen“, dass man glauben möchte, was er sagt. Bzw. dass man für das, was man glaubt, endlich meint, wissenschaftliche Beweise gefunden zu haben. Je nachdem.
4.4 Stars (4,4 / 5)