Nicolas Fargues: Nicht so schlimm

J’étais derrière toi – so lautet der Originaltitel des französischen Bestsellers. Und der trifft den Inhalt und die Aussage des Buches deutlich besser. Ero dietro di te – mit diesen Worten fängt es nämlich auch an….

Und gleich dieser erste Satz zieht einen hinein ins Geschehen. Der Ich-Erzähler unterhält sich mit dem Leser. Und zwar dermaßen authentisch, dass man das Gefühl hat, in einer verrauchten Bar zu sitzen, einem gutaussehenden Freund gegenüber, der verloren in der Kaffeetasse rührt und sich einfach einmal alles von der Seele reden muss.

Schließlich hat er echt Probleme. Er ist mit Alexandrine verheiratet, einer dominanten, temperamentvollen Farbigen, die ihre eigenen Unsicherheiten durch Gepolter überspielt. Er hat zwei Kinder und er hat seine Frau betrogen. Und die hat sich gerächt. Etwas, das weder an den beteiligten Personen noch an der Beziehung spurlos vorübergehen kann. Etwas, das man trotzdem als fast alltäglich bezeichnen könnte. Und das zwangsläufig zum „Rosenkrieg“ führen muss.

Der Mann braucht eine Auszeit und findet doch prompt in Italien eine neue Liebe. Alice ist das Gegenteil seiner Frau und sie wird zu seiner Seelenverwandten. Doch wer hat gesagt, dass es einfach sei, seine Familie zu verlassen?

Mann, der kann einem echt leid tun. Zwischendrin mal. Ansonsten schwankt man – zumindest als weiblicher Leser – zwischen Fassungslosigkeit, Mitleid mit den Frauen und einem gewissen „Ätsch“ hin und her. Und das „Ätsch“ gilt abwechselnd allen drei Protagonisten. Dem Mann, der Ehefrau und der Geliebten. Denn sie alle sind Charaktere, die von Nicolas Fargues so geschaffen wurden, dass keiner von ihnen der absolute Sympathieträger ist.

Es ist – wie es auf dem Umschlag so schön heißt – „Nichts als die banale Geschichte einer Trennung und einer neuen Begegnung“. Stimmt. Vielleicht ist es aber genau deswegen so lesenswert.
4.3 Stars (4,3 / 5)

David Safier: Mieses Karma

“Der Tag an dem ich starb, hat nicht wirklich Spaß gemacht.“

Gibt es ein Leben nach dem Tod? Muss es ja wohl geben, denn ein Satz wie obiger kann kaum von einer Leiche kommen. Und wenn man den Buchtitel sowie das Titelbild mit der Abbildung einer Ameise in Kombination mit dem ersten Satz betrachtet, dann wird nicht nur bei Menschen mit dem festen Glauben an Reinkarnation die Neugier geweckt.

Karriere oder ihre kleine Tochter, der altgediente brave Ehemann oder der coole Geliebte, Menschlichkeit oder Stutenbissigkeit – für Kim lange keine Frage. Das bisschen schlechte Gewissen lässt sich herunterschlucken und morgen ist ja auch noch ein Tag. Denkt sie. Denn in der Nacht wird die frisch mit dem Fernsehpreis ausgezeichnete Moderatorin von einer aus dem All stürzenden Raumstation erschlagen. Und findet sich als Ameise reinkarniert wieder.

„Ich sah das Licht.
Es wurde immer heller.
Es war wunderschön.
Es umhüllte mich.
Sanft.
Warm.
Liebevoll.
Ich umarmte es und ging darin auf.
Gott, ich fühlte mich so wohl.
So geborgen.
So glücklich.
Ich war wieder voller Urvertrauen.
Doch dann wurde ich von dem Licht wieder abgestoßen.
Ich verlor die Besinnung.
Als ich wieder aufwachte, merkte ich, dass ich einen riesigen Kopf hatte.
Und einen wahnsinnigen Hinterleib.
Und sechs Beine.
Und zwei extrem lange Fühler.
Und das war die Nummer Eins der miesesten Augenblicke des Tages!“

Es war doch ein bisschen viel schlechtes Karma, das sie so angesammelt hatte. Der Weg zurück ist mit einigen Krümeln von Riesenausmaßen gepflastert. Doch Casanova höchstpersönlich steht ihr tapfer zur Seite und schafft es dabei auch selbst – nach etlichen Ameisenleben – ein Stückchen weiter Richtung Nirwana.

„Der Tag, an dem ich starb, hat nicht wirklich Spaß gemacht.“ Allein das „nicht wirklich“ lässt linguistisch gesehen auf ein frisches Buch voll Ironie schließen. Und eins kann vorweg genommen werden: Man wird nicht enttäuscht. Der Autor hält, was er im ersten Satz seines Romans verspricht. Seine Geschichte ist gut, seine Sprache einfach aber nicht banal, seine Protagonisten überzogen aber nicht lächerlich

Auch, wenn er zum ersten Mal die Seiten eines Romans gefüllt hat, ein unbeschriebenes Blatt ist der in Bremen lebende David Savier wahrlich nicht. Seine Drehbücher zu einigen TV-Hits haben ihm bereits eine beträchtliche Anzahl an Preisen eingebracht. Mit dem Grimme-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Emmy ausgezeichnet, hat er jetzt auch auf dem Gebiet der Schriftsteller eine wahre Meisterleistung vollbracht. „Mieses Karma“ ist eines der phantasievollsten, witzigsten und originellsten Bücher der letzten Zeit.

Extrem empfehlenswert!
5.0 Stars (5,0 / 5)