Kyra Groh: Mein Leben als lexikalische Lücke

Benni lebt mit einer extrem religiösen Mutter in einem engen Familienkäfig. Jeder Versuch, sich zu befreien, endet damit, dass seine Mutter zusammenbricht. Da er seinen Vater nie kennengelernt hat, versucht er wenigstens auf dessen Spuren zu wandeln und Arzt zu werden. Jule hat sich ein Stück weit befreit, findet Raum in ihrer bunten Clique, geht auf Freitagsdemonstrationen, ernährt sich vegan und bedruckt Jutetaschen mit Sinnsprüchen. Gleichzeitig aber schämt sie sich für ihre spießigen unreflektierten Eltern und vor allem für ihren rechtsradikalen Bruder. Die beiden Jugendlichen kennen sich nicht. Und doch teilen beide die gleiche Leidenschaft. Sie sammeln Wörter. Wörter aus aller Welt wie Ikigai: das Gefühl, etwas zu haben, für das es sich lohnt, morgens aufzustehen. Letztendlich aber sind beide auf der Suche nach einem Wort, das das Gefühl beschreibt, nirgendwoher zu kommen und nirgendwo dazuzugehören – ein Wort, das bisher noch eine lexikalische Lücke zu sein scheint.

Als sich Jule und Ben kennenlernen, wird alles nur noch komplizierter als es sowieso schon ist. Aber auch schöner. Denn die beiden erleben Kilig, abgeleitet von dem Substantiv Tagalog. Wer wissen will, was das bedeutet, muss googeln. Oder dieses Buch lesen. Es lohnt sich – nicht nur, weil man hinterher viele neue Wörter kennt.