Daniel Glattauer: Vier Stern Stunden

Eines gleich vorweg: Ein typischer Glattauer ist dieses (Hör-)Buch nicht. Schlecht ist es aber auch nicht.

Bei den Kulturtagen im Hotel Reichenshoffer ist die Unlust dem Romanautor Frederic Trömerbusch, der hier interviewt werden soll, direkt ins Gesicht geschrieben. Und dabei ist es dem in die Jahre gekommenen Herrn auch ziemlich egal, dass die ihm gegenübersitzende Journalistin Mariella Brem eigentlich ein großer Fan von ihm ist und sich diese eine Begegnung doch so ganz anders ausgemalt hatte. Trömerbusch will zurück ins Hotelzimmer zu seiner jungen Geliebten, die ihn, den Autor mit der Schreibblockade, wieder auf junge, frische, erfrischende Pfade führen soll. Doch dazu hat diese, eine Bloggerin, überhaupt keine Lust. Und mischt die Veranstaltung lieber ein bisschen auf.

Das Stück, das in einem etwas abgehalfterten Vier-Sterne-Hotel spielt, ist kurzweilig, die 90 Minuten vergehen wie im Flug, einzig der Sprecher des Hotelerben überzeugt ganz und gar nicht. Kritisieren könnte man auch, dass Glattauer die sonst so fein geschliffenen Wendungen des Lebens, die er normalerweise spitz und pointiert zur Sprache bringt, hier eher nicht zur Geltung kommen lässt. Stattdessen entstand ein Stück, das an persönlicher Tragik, genau weil ebendiese Tragik fehlt, nichts zu wünschen übrig lässt.

Daniel Glattauer: Die Wunderübung

Wenn man einmal beim Paartherapeuten landet, ist in der Regel schon einiges im Argen. So wie bei Joana und Valentin, deren Ehe an einem absoluten Tiefpunkt angelangt ist und die sich nur noch in Form von extrem bissigen und sarkastischen Kommentaren begegnen. Der Therapeut tut sein Bestes, um die beiden Streithähne in den Griff zu bekommen. Doch keine Chance. Valentin und Joana sind zu sehr eingespielt, zu intelligent, um auf die psychologischen Tricks hereinzufallen. Doch dann wandelt sich das Blatt und der Therapeut zeigt sich von einer ganz anderen Seite. Verletzlich, angegriffen, negativ – die beiden bohren ein bisschen nach und finden heraus, dass seine Frau ihn verlassen hat. Just in der Pause der Therapie. Und das, obwohl er, so die Worte der Gegangenen, nichts falsch gemacht hat. Sich immer wie ein perfekter Mann und Partner verhalten hat. Oder besser gesagt, nicht obwohl, sondern gerade deswegen. Was soll Valentin daraus für Schlüsse ziehen und wie geht Joana mit der Situation um?

In diesem Stück von Daniel Glattauer kommen alle Höhen und Tiefen zum Tragen. Eigentlich als Komödie bezeichnet ist es eher eine Form humoristischer Tragödie. Im Hörspiel unter anderem grandios gesprochen von Andrea Sawatzki und Christian Berkel, auch im echten Leben ein Paar und vielleicht gerade deshalb so geübt darin, sich kräftig anzugiften?
Ein Werk, das dem Autor wieder einmal voll und ganz gerecht wird. Keiner kann die Stimmungen der Menschen besser und wirklichkeitsgetreuer zeichnen als Daniel Glattauer. Keiner schafft es besser, seinen Lesern und Hörern ein Dauergrinsen ins Gesicht zu zaubern. Ein echter Meister seiner Kunst – das hat der Österreicher hier wieder einmal bewiesen.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Daniel Glattauer: Alle sieben Wellen

Wer „Gut gegen Nordwind“ kennt, kennt auch Leo Leike. Und der ist jetzt zurück aus Boston. Damit haben zwar leider Emmis witzige Dialoge mit dem automatischen Systemadministrator ein Ende, aber die Geschichte nimmt wieder an Fahrt auf. Und kaum stehen die beiden nach der monatelangen Pause erneut in Kontakt, schon knistert es wieder auf dem Computerbildschirm. Und bald nicht nur auf diesem. Dass Leo inzwischen eine Lebensgefährtin hat und auch Emmis Privatleben einer massiven Veränderung unterzogen wurde, ändert daran nichts. Im Gegenteil sogar…

Es gibt kaum ein besseres (Sprecher-)paar als Andrea Sawatzki und Christian Berkel. Die Spannung und positive Energie, die zwischen beiden herrscht, kommt optimal rüber und dieses Buch ist tatsächlich eines der wenigen, das man als Hörbuch unbedingt gehört haben sollte, weil man sonst etwas verpasst, eines also, das den – sowieso schon genialen – Text des Autors erst so richtig zum Leben erweckt. Und die Tatsache, dass die Sache jetzt beendet scheint – man mag es kaum glauben. Denn bestimmt fällt Herrn Glattauer erneut eine interessante Lebenswendung für Emmi Rothner und Leo Leike ein.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind

“Gut gegen Nordwind“ – was für ein langweiliger Titel. Das ist wohl der erste Gedanke, der einem durch den Kopf fliegt. Doch das Buch bzw. Hörbuch von Daniel Glattauer ist alles andere als langweilig….

Sehnsüchtig auf ein Mail desjenigen Menschen zu warten, der gerade im Begriff ist, sich von einem zu trennen und dem man bis gerade jetzt Zeit gegeben hat, es sich anders zu überlegen ist schon schlimm genug. Das Bauchgrimmen, das einen überfällt, wenn die Mailbox piepsend frisch eingetroffene Post ankündigt, ist fast noch schlimmer. Aber dann eine Sammelmail vorzufinden von jemandem, den man nicht mal im Entferntesten kennt, das ist das Allerschlimmste. Doch der banale Weihnachtsglückwunsch von Emmi Rothner verändert Leos Leben….

Im Laufe von Monaten entwickelt sich ein E-Mail-Kontakt zwischen der quirligen Emma und dem zurückhaltenden Sprachpsychologen Leo Leike. Ein Dialog gespickt mit Wortwitz, mit Ein- und Zweideutigkeiten, voller Hoffnung, voller Träume – beide machen sich ein Bild vom anderen, keiner ist wirklich bereit, die Realität an sich herankommen zu lassen.

Es gibt sogar Rezensenten, die das Werk des österreichischen Schriftstellers und Kolumnisten Glattauer mit Goethe und Dumas vergleichen. Das, finde ich, geht vielleicht ein bisschen weit, aber es ist – definitiv – ein außergewöhnliches Werk. Ein Briefroman der heutigen Zeit. Ein E-Mail-Roman.

Dieser E-Mail-Kontakt zwischen Emmi und Leo geht unter die Haut. Man könnte sie beneiden, die beiden. Emmi, die im „normalen“ Leben verheiratet ist und zwei Kinder hat. Emmi, die eine so genannte „harmonische“ Ehe führt und die ganz tief in ihrem Inneren nach Aufregendem, Anregendem und aufregend anregendem Erotischen sucht. Dinge also, die es in einer „harmonischen“ Ehe entweder schon lange nicht mehr gibt oder vielleicht sogar nie gegeben hat. Diese Frau möchte nicht mehr nur Emma, sie will wieder Emmi sein. Begehrenswert, geheimnisvoll, jung und ohne Anhang. Frei das zu tun, was sie in dem Moment tun will. Und auf der anderen Seite Leo. Cool nach außen, manchmal sogar abweisend, verletzt tief drinnen. Der typische „raue Schale, weicher Kern“ – Mann. Die Art, wie die beiden sich schreiben, wie es immer intimer wird, wie Gefühle teilweise mit nur ein, zwei Wörtern zur Sprache gebracht werden und wie man genau diese ein, zwei Wörter auch komplett falsch interpretieren kann… die Faszination und die Problematik der heutigen Kontaktformen wird von Glattauer wunderbar dargestellt und von Andrea Sawatzki und Christian Berkel optimal umgesetzt. Eine E-Mail ist schnell geschrieben, manchmal zu schnell. Es kann wie ein Gespräch sein – ohne Mimik, ohne Gestik und immer mit der Gefahr aufgrund dieses Mangels falsch verstanden zu werden. Aber gerade dieses Falsch-Verstehen, dieses zu schnelle Abschicken, diese Ehrlichkeit und Verwundbarkeit, die da dahinter steckt, fasziniert.
5.0 Stars (5,0 / 5)