Sebastian Urbanski: Am liebsten bin ich Hamlet

“Ich bin ein sogenannter Behinderter. Ich möchte mit meinem Buch allen Lesern zeigen, dass man mit uns genauso umgehen kann wie mit allen anderen Menschen auch.“ So beginnt das Buch des Schauspielers Sebastian Urbanski, dessen größtes Vorbild Pablo Pineda ist: der erste Europäer mit Trisomie 21, der einen Universitätsabschluss erlangt hat.

Sebastian Urbanski schreibt über sich, erzählt über seine Kindheit in der ehemaligen DDR, wie seinen Eltern zum Beispiel kurz nach seiner Geburt geraten wurde, ihn möglichst schnell ‚in Obhut‘ zu geben. Was sie nicht getan haben. Stattdessen förderten sie ihren kleinen Sohn, wo sie nur konnten. Der entwickelte eine Liebe zu Brecht, zu Kunst an sich, zum Lesen und zur Schauspielerei. Seine Arbeit im Theater RambaZamba, seinen verwirklichten Traum in ‚Lost Love Lost‘ einmal Hamlet zu spielen und nicht zu vergessen sein Engagement für Menschen mit dem Downsyndrom – all das ist beeindruckend. „Wir sind, verdammt noch mal, alle Menschen“ – das waren seine Worte auf der Bundespressekonferenz im Juli 2012 zum damals neu entwickelten Bluttest.

Im Gegensatz zu vielen anderen Erfahrungsberichten, die holperig zu lesen sind und damit trotz interessanter Geschichten an Faszination verlieren, ist dieses Buch sehr schön geschrieben. Es liest sich flüssig und die Wahl der Worte lässt der Geschichte genug Raum. Auch, wenn ihm mulmig dabei war, wie er sagt, dass fremde Menschen einen so tiefen Einblick in sein Leben und seine Persönlichkeit bekommen, so wollte er doch die Chance nutzen, anderen zu zeigen, wie reich sein Leben ist. Und wie lebenswert. Ein wichtiger Denkanstoß.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Nathan Filer: Nachruf auf den Mond

The Evening Standard spricht von einem Meisterwerk, soweit würde man hier vielleicht nicht gehen, aber beeindrucken ist das Werk auf seine Weise. Das Cover allerdings führt einen ein bisschen auf die falsche Fährte, denn im Gegensatz zum miesen Karma ist hier nichts lustig. Nicht mal annähernd. Eher dramatisch. Wie Matthew Homes, Patient der Psychiatrie in Bristol erzählt aus seinem Leben, mit und ohne seinen behinderten Bruder Simon. Matthew gibt sich die Schuld an dessen Tod und kann sein Fehlen nicht verkraften. Die Folge: Wenn er seine Medikamente absetzt, dann hört er ihn und sieht sein fröhliches Lachen. Um endlich etwas für Simon tun zu können, startet Matthew ein großes Projekt. Hauptdarsteller: Ameisen.

„Dreh- und Angelpunkt des Romans ist, dass Matt seine Geschichte quasi in Echtzeit zu Papier bringt, dass dieser Prozess eine gewisse Zeit braucht und an verschiedenen Orten stattfindet, und dass sein Leben während des Schreibens weitergeht“, so der Autor in einem Interview. Er selbst hat während des Schreibens das Gefühl gehabt, erst dann Matthew überhaupt erst kennenzulernen und genauso geht es den Lesern ja auch.

Aber dann, wenn sie seinen Plan verstehen, dann verstehen sie auch ihn.
3.8 Stars (3,8 / 5)