Prof. Dr. Ulrich Dirnagl/Dr. Jochen Müller: Ich glaub, mich trifft der Schlag

Wir alle haben eines, wir alle gehen davon aus, dass es megawichtig ist, aber was wirklich in unserem Gehirn passiert, welche Zusammenhänge es zum Beispiel zur Bakterienwelt des Darms gibt und was genau passiert, wenn es zu neurologischen Störungen wie einer Migräne kommt – das weiß man bisher nur in Ansätzen. Und diesen Ansätzen bleibt nichts anderes übrig als sich das Gehirn anzusehen, wenn es etwas nicht funktioniert, um dann darauf zu schließen was ist, wenn es funktioniert. Diese Zusammenhänge versuchen die beiden Autoren, beides angesehene Wissenschaftler, in einer für (fast) jeden verständlichen Sprache zu erklären. Klar, es geht nicht ohne das ein oder andere Fremdwort – schon allein, weil es für viele Begriffe aus der Hirnforschung gar kein einfacheres Äquivalent gibt, aber das lösen die Autoren durch ein ausführliches Glossar, in dem man nachlesen kann, was ein Astrozyt ist, welche Rolle die Cyclooxygenase spielt und dass ein Tau in diesem Zusammenhang kein Seil ist, sondern ein Protein.

Das Buch ist gut gegliedert und durchaus auch dazu geeignet, nur einzelne Aspekte nachzulesen. Schlaganfall, Migräne, Epilepsie, Multiple Sklerose sowie Parkinson, Demenz und Alzheimer sind einzelne Kapitel gewidmet, in denen man den neuesten Stand der Wissenschaft in verständlichen Sätzen erfährt. Aufgebaut ein bisschen wie ein Science Slam mit Kommentaren und Nachfragen. Man könnte ankreiden, dass die beiden Autoren manchmal ein bisschen sehr in die vereinfachte Trickkiste greifen, um die komplizierten Vorgänge im Gehirn verständlich zu machen, aber wer sich schon einmal tiefer mit der Materie beschäftigt hat, weiß, dass das Erklären dessen, was da vor sich geht, oft nur auf diese Weise wirklich gut funktioniert. Und warum nicht? Wenn das, was gesagt wird, trotzdem Hand und Fuß hat.

Prof. Dr. Dirnagl ist Neurowissenschaftler, Schlaganfallexperte und arbeitet an der Charité in Berlin. Dr. Jochen Müller ist Neurobiologe und vor allem durch Science Slam bekannt.

Mhairi McFarlane: Sowas kann auch nur mir passieren

Titel und Cover deuten in erster Linie mal auf eines hin: auf Entspannung. Hier sind keine Gruselclowns zu erwarten, die hinter irgendwelchen Ecken vorspringen, keine seelischen und/oder körperlichen Grausamkeiten, kein Hinweis auf das Leid der Welt. Kein Wunder also, dass mir diese Buch im Rahmen eines frauentypischen Wellnesstages gleich ganze drei Mal begegnet ist. Interessant aber, dass es schnell zum Gesprächsstoff wurde und zwar mit den Worten: Sie müssen da ein wenig durchhalten – es wird besser. Gut, dass man mir das gesagt hat, denn sonst hätte ich nach den ersten 100 Seiten tatsächlich aufgegeben. Und das wäre schade gewesen, denn im Lauf der Zeit entwickelte die Geschichte tatsächlich die erwartete Dynamik. Schön kitschig, auch mal witzig und auf jeden Fall gut, um vom Alltag abzuschalten.

Dieter Bednarz: Schwer erleuchtet

Man kennt Dieter Bednarz vor allem als gewieften Journalisten. Als einen, der nicht zuletzt auch vom Nachwuchs bewundert wird für seine Arbeit. Und man kennt ihn auch als „Familienautor“, der seine Erlebnisse von der Wickelfront so eindrücklich schilderte, dass sie sogar mit Erfolg verfilmt wurden.
Auch die Geschichte, die diesem Buch zugrunde liegt, basiert auf Realität. Denn, wie man hört, soll Bednarz tatsächlich mal einem Mönch begegnet sein, der ihn dann besucht hat. Und wer das schon einmal erlebt hat, weiß, wie ein solcher Mönch das Leben aller in der Umgebung befindlichen Personen beeinflusst. So ist es auch bei der Hauptperson des Romans, Siri, der eines Tages vor der Tür von Maya und Daniel steht und ihr Leben auf den Kopf stellt. Der Kiezgrößen dazu bringt, wie Schoßhunde zu winseln, der das Sterben einfacher macht und das Leben verändert.
Das Buch ist vielversprechend, erinnert im ersten Augenblick ein wenig an das miese Karma der berühmten Ameise und beginnt so, wie ein äußerst entspannendes Buch beginnen soll bzw. kann. Doch leider hat Zeit online durchaus recht, wenn dort kritisiert wird, dass das Ganze schnell bizarre Züge annimmt. Bednarz hat hier ein wenig übertrieben, versucht dort, mit der Keule pseudo-buddhistische Botschaften unters Volk zu bringen und verbindet zu viele Stränge in zu kurzer Zeit.
Witzig aber ist die nicht zu leugnende Ähnlichkeit zwischen dem bisher nach eigener Aussagen noch nicht erleuchteten Herrn Bednarz und dem Covermönch.

Katie Kennedy: Der Asteroid ist noch das kleinste Problem

Ein Asteroid rast auf die Erde zu und die besten Wissenschaftler aus der ganzen Welt wurden zusammengetrommelt, um in letzter Minute eine Lösung zu finden. Unter ihnen ist auch Yuri, ein ganz junger russischer Wissenschaftler, der schon studiert hat, als Gleichaltrige noch zur Schule gingen.

Der 17-Jährige weiß ganz genau, wie der Asteroid zu stoppen wäre, aber obwohl er zu den Superhirnen gehört, vertrauen ihm die anderen nicht hundertprozentig und wollen lieber auf Nummer sicher gehen. Nummer sicher allerdings, das weiß Yuri ist die Nummer sicher für die Zerstörung zumindest eines Teils der Erde. Und dann bringt ihn auch noch Luna (wie passend!) aus dem Konzept. Luna ist so ganz anders als andere Mädchen, eine Traumtänzerin mit einer ausgeflippten Familie und einem enormen Vertrauen in Yuris Fähigkeiten, sie ist sich sicher, dass er die Welt retten wird.

Dieses Buch ist eigentlich für Jugendliche geschrieben, aber es ist eines von denen, bei denen es richtig Spaß macht, sie zu lesen – auch, wenn man selbst bereits lang aus diesem Alter raus ist. Es ist witzig geschrieben, die Story hat was und die Protagonisten sind einfach liebenswert komisch.

4.5 Stars (4,5 / 5)

Joseph Scheppach: Das geheime Bewusstsein der Pflanzen

“Botschaften aus einer unbekannten Welt“ lautet der Untertitel eines Buches, nach dessen Lektüre man Skrupel hat, sich für seinen Mozarella ein bisschen Basilikum zu pflücken. Die wissenschaftliche Aussage, dass Pflanzen ein Bewusstsein haben, die ist nicht neu. Aber die Art und Weise, wie der Wissenschaftsjournalist Joseph Scheppach frühere und aktuelle Erkenntnisse aus der Pflanzenwelt präsentiert, ist superspannend.
Der Nachweis, dass in uns allen Pflanzenatome stecken, die Vermutung, dass alle Zellen – und damit auch die Pflanzenzellen – intelligent sind und ein Gedächtnis haben sowie die Tatsache, dass Wissenschaftler herausgefunden haben, dass Pflanzen deutlich mehr Sinne besitzen als wir – das alles gibt zu denken. Genau wie die Ergebnisse des Biologen Anthony Trewavas, immerhin Mitglied der Royal Society, der herausgefunden hat, dass das Grünzeug tatsächlich stur sein kann. Und damit nicht genug, es ist sogar in der Lage, in die Zukunft zu sehen. Die Dimension Zeit scheint für Pflanzen eine ganz andere Bedeutung zu haben – kein Wunder: Man denke nur an tausendjährige Linden.
Ob Pflanzen wirklich telepathische Fähigkeiten haben, wie das vor allem vom Bambus vermutet wird, was Blätter mit Computern gemein haben und ob Wurzeln soziale Intelligenz besitzen, zu all diesen Fragen fasst Scheppach die aktuellsten Erkenntnisse zusammen – und auch, wenn es sich nicht vermeiden lässt, dass man ein wenig biologisches Grundwissen mitbringen muss – verständlich ist es allemal. Der Autor bemüht sich, den schmalen Grat zu gehen zwischen reiner Wissenschaft und unterhaltsamer Wissensvermittlung. Seine Aussagen sind belegt, der Griff in die Esoterik-Kiste wird so gut es geht vermieden. Obwohl man tatsächlich versucht sein könnte, nach der Lektüre dieses Buches den nächstbesten Baum einfach mal kurz zu umarmen.
4.5 Stars (4,5 / 5)

Echte Freunde: Haatchi und Owen – ein unschlagbares Team

Haatchi und Owen haben sich gesucht und gefunden. Der kleine behinderte Junge, der niemanden wirklich an sich ran ließ, verändert sich plötzlich total, als er auf Haatchi trifft. Auch ihm hat das Leben übel mitgespielt. Man hat ihn auf Bahngleisen ausgesetzt, er wurde von einem Zug erwischt und verlor dabei zwar ein Bein, aber erstaunlicherweise nicht das Vertrauen in die Menschen. Ein Schicksal, das zu Herzen geht und beeindruckt.

Gernot Gricksch: Morgens in unserem Königreich

Nur wenige verstehen es wie Gernot Gricksch, sowohl Männer als auch Frauen zu faszinieren mit ihren Geschichten. Auch diese ist wieder für beide Geschlechter geeignet. Es geht um Arne, die durch das Zusammenkommen einiger ungünstiger Umstände ausgerechnet bei den Zeugen Jehovas unterschlüpfen muss. Eine andere Welt, eine andere Denkweise – und doch irgendwie faszinierend für den jungen Mann, der normalerweise seine paar Kröten in einer Würstchenbude in der Nähe der Rotlichtmeile verdient und sonst am allerwenigstens mit Menschen zu tun hat, die so viel anhaben, so viel denken und so vehement überzeugt sind von etwas, was ihm wie ein völliger Unsinn erscheint. Aber da ist eben auch Johanna, die zwar bis dato nie an ihrem Glauben und vor allem der dazugehörigen Gemeinschaft gezweifelt hat, die aber auch nie wirklich hineingepasst hat.

Arne öffnet ihr die Augen und zwar nicht nur darüber, sondern auch gleich noch über ihren Verlobten Matthias – und sie hilft ihm, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen. Und setzt damit einiges aufs Spiel.

Das Thema Zeugen Jehovas ist extrem gut gewählt, denn darüber weiß man in der Regel wenig. Die Einblicke, die Gricksch einem in die Glaubensgemeinschaft gibt, mögen nicht komplett authentisch sein, aber sie sind sicher überzeugend. Dass er wie fast immer den richtigen Ton trifft, dass seine Bücher echtes Filmpotenzial haben und die reinsten Pageturner sind – das weiß man und da wurde man auch diesmal nicht enttäuscht. Leichte Lektüre mit tiefem Hintergrund.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Dani Atkins: Die Nacht schreibt uns neu

Ein schreckliches Unglück tötet eine von drei Freundinnen und damit fast auch Freundschaftsbande, die lebenslang hätten währen sollen. In Kombination mit der obligatorischen Liebesgeschichte inklusive Gefühlsverwirrung ist das die Kurzbeschreibung dessen, was den Leser erwartet.

Das Buch ist in der Retrospektive geschrieben, beginnt mit dem Heute. Einem festlichen Tag. Wohl die Hochzeit? Doch die Hochzeit mit wem, fragt man sich während der Lektüre. Die mit dem smarten Amerikaner, der ihr das Leben gerettet hat oder doch dem Altbewährten, der sich nicht wirklich als Freund erwiesen hat? Der aber auf ewig Besserung schwört?

Das Buch zieht einen lang nicht so in seinen Bann wie „Die Achse der Welt“. Obwohl es allein schon die Umschlaggestaltung versprach. Sie ist nicht schlecht, die Geschichte, aber irgendwie auch an den Haaren herbeigezogen und reichlich übertrieben. Um mit so viel Kitsch zu arbeiten, hätte die Grundidee deutlich besser sein müssen. Das Ende allerdings ist nicht schlecht. Aber gerade, wenn einem der Vorgänger extrem gut gefallen hat, sollte man dieses Buch lieber stehen lassen und aufs nächste warten. Und dabei hoffen, dass die Autorin wieder ganz zu ihrem alten Stil zurückfindet.
2.9 Stars (2,9 / 5).

Sarah Bannan: Die Neue

Eines Tages steht sie da, die Neue. Seidiges Haar, glänzende Augen, wunderschön. Carolyn Lessing kommt gut an bei den Schülern und Schülerinnen der Adams Highschool. Sie ist klug, freundlich, landet schnell in der Clique der beliebtesten Schüler. Doch dann begeht sie einen entscheidenden Fehler. Sie nimmt dem beliebtesten Mädchen der Schule den Freund weg. Und das lässt sich diese nicht so einfach gefallen. Sie startet eine Hetzkampagne über soziale Netzwerke und die ufert richtig aus.

In einem vermeintlich leichten Ton, der zunächst irritiert, beschreibt die New Yorker Autorin in ihrem Debüt wie schnell bei Facebook und Co alles aus den Fugen geraten kann. Was passieren kann, wenn man sich keine Gedanken macht über die Folgen seines Handelns. Erstaunlich ist die Erzählweise. Aus der Perspektive mehrerer Mädchen, die zwar alles mitbekommen, hier und da auch zugeben, dass es notwendig gewesen wäre, einzugreifen. Die aber letztendlich bis zum Schluss außen vor blieben. Ein paar kleine Schuldgefühle ausgenommen.

Und genau das ist es, was man der Autorin ankreiden kann. Denn sie kritisiert das Mobbing höchstens zwischen den Zeilen. Zu wenig möglicherweise für junge Leser(innen).
2.8 Stars (2,8 / 5)

Nathan Filer: Nachruf auf den Mond

The Evening Standard spricht von einem Meisterwerk, soweit würde man hier vielleicht nicht gehen, aber beeindrucken ist das Werk auf seine Weise. Das Cover allerdings führt einen ein bisschen auf die falsche Fährte, denn im Gegensatz zum miesen Karma ist hier nichts lustig. Nicht mal annähernd. Eher dramatisch. Wie Matthew Homes, Patient der Psychiatrie in Bristol erzählt aus seinem Leben, mit und ohne seinen behinderten Bruder Simon. Matthew gibt sich die Schuld an dessen Tod und kann sein Fehlen nicht verkraften. Die Folge: Wenn er seine Medikamente absetzt, dann hört er ihn und sieht sein fröhliches Lachen. Um endlich etwas für Simon tun zu können, startet Matthew ein großes Projekt. Hauptdarsteller: Ameisen.

„Dreh- und Angelpunkt des Romans ist, dass Matt seine Geschichte quasi in Echtzeit zu Papier bringt, dass dieser Prozess eine gewisse Zeit braucht und an verschiedenen Orten stattfindet, und dass sein Leben während des Schreibens weitergeht“, so der Autor in einem Interview. Er selbst hat während des Schreibens das Gefühl gehabt, erst dann Matthew überhaupt erst kennenzulernen und genauso geht es den Lesern ja auch.

Aber dann, wenn sie seinen Plan verstehen, dann verstehen sie auch ihn.
3.8 Stars (3,8 / 5)