Inés Brock: Wie die Geburtserfahrung unser Leben prägt

Die letzten Jahrzehnte können wir uns in vielen Dingen nicht gerade auf unsere Fahnen schreiben und die Geburtshilfe gehört zweifelsohne dazu. Wir haben verlernt auf unsere innere Stimme zu hören und gehorchen stattdessen regelrecht dem Diktat von außen. Beziehungsweise dem der Medizin. Dabei ist auch ein ganz elementares Wissen fast verlorengegangen: Das Wissen um die Relevanz von Schwangerschaft und Geburtserlebnis und um deren Auswirkungen auf unser weiteres Leben. Der Kaiserschnitt ist zum Alltag geworden, jede kleine vermeintliche Schwierigkeit lässt so manchen Arzt schon zögern. Allein die Tatsache, dass Ärzte statt Hebammen gefragt werden, sagt alles. Doch langsam drängt eigentlich sehr altes Wissen wieder an die Oberfläche und wir erkennen, dass unser Leben nicht erst dann beginnt, wenn wir unseren ersten Schrei von uns geben. Und dass es durchaus ausschlaggebend sein kann, unter welchen Umständen dies geschieht. Stärkt man das Selbstvertrauen einer Frau im Vorfeld und lässt sie dann während der Geburt selbst entscheiden, welche Position sie zum Beispiel einnimmt, dann spürt man, das sie intuitiv weiß, was sie tut.

Das Angenommen-, das Willkommensein ist enorm wichtig für einen Menschen. Erwachsene, die schon als Ungeborene nicht gewollt waren, kämpfen in ihrem Leben häufiger mit Ängsten und Depressionen, mit Suchtproblemen und Kriminalität. Nicht grundlos gehen Therapeuten in ihrer Arbeit immer weiter zurück im Leben eines Menschen, oft bis zur Zeugung. Denn die pränatale Phase kann, genau wie die ersten Lebensmonate, entscheidend prägend sein.

„Das neue Wissen um die lebensgeschichtliche Bedeutung von Schwangerschaft und Geburt und früher Entwicklung stellt also die Gesellschaften vor neue Verantwortlichkeiten im Umgang mit Schwangerschaft und Geburt“ heißt es in einem der Artikel. Eine Verantwortung, die wir alle ernst nehmen sollten: Schwangere Frauen genauso wie Hebammenschüler von heute und morgen, Wissenschaftler, Psychologen und Therapeuten und vor allem Ärzte.

Inés Brock ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, Supervisorin und Erziehungswissenschaftlerin und hat in diesem Buch zahlreiche Beiträge von unterschiedlichen Berufsgruppen zum Thema zusammengefasst. Bei allen kristallisiert sich heraus: Die Geburt ist ein zentrales Ereignis für den Menschen und die Autoren thematisieren durchaus auch die Einwirkungen der medizinischen Möglichkeiten, das Nicht-Abwartenkönnen der heutigen Zeit und die Folgen, die ein negatives Geburtserlebnis auf einen Menschen haben kann.