Die Droge Verwöhnung

Prof. Dr. Jürg Frick von der Pädagogischen Hochschule Zürich weiß, was Verwöhnung bei der Erziehung bedeutet und welche Folgen sie hat. Denn die entscheidende Frage in der Erziehung ist immer: Wie viel darf und muss ich auch einem Kind abverlangen, was kann ich ihm zumuten, damit eine gesunde Entwicklung möglich wird? Denn ein Kind muss gefordert werden. Weder ein zu strenger, noch ein zu laxer Erziehungsstil mit Dauerverständnis führen zu einem gesunden Ergebnis.

Es ist Jürgen Frick ein Anliegen, dem Leser nahezubringen, dass Verwöhnung verheerende Folgen haben kann. Er spricht gar von einer „subtilen Form des Kindesmissbrauchs“. Doch woher sollen die Eltern das wissen? Sie meinen es ja nur gut und auch in Fachkreisen war in den letzten Jahrzehnten kaum mal die Rede davon. Overprotection gab es zwar – aber das trifft es nicht zu 100 Prozent.

Das Verwöhnen zeigt sich in vielen Aspekten des Alltags. Das kann sein, dass die Eltern dem Kind zu wenig zutrauen und ihm möglichst alles abnehmen, es überbehüten (Helikoptereltern), es mit Materiellem und Immateriellem (wie z.B. Zuneigung) überhäufen, von ihm keine Anstrengung erwarten, es über Gebühr loben, es verhätscheln und ihm keine Grenzen setzen. Jeder von uns wird sich in irgendeinem der Punkte mal wiederfinden. Denn die Grenzen sind fließend.

Zudem gibt es klassische (Lebenssituationen), in denen es schnell zu verwöhnenden Mustern kommen kann: Trennung, nach Krankheiten oder Unfall, bei Zeitdruck oder unter Beobachtung – das kann auch mal okay sein, darf aber nicht zum Dauerzustand werden. Denn: „Das Beste, was eine gute Fee einem Kind in die Wiege legen kann, ist eine Menge Probleme oder Aufgaben – sie sollen nicht zu leicht sein, damit sich das Kind anstrengen muss (…) und sie sollten auch nicht zu schwer sein, weil sonst das Kind wiederholt scheitert und entmutigt wird.“

Aber das Gute ist und das gilt ja prinzipiell für jeden Fehler, der uns in der Erziehung bewusst wird: Wir können es anders machen. Und damit schnell etwas bewirken.

Petermann/Nitkowski: Selbstverletzendes Verhalten

Das Phänomen der Selbstverletzung ist nicht neu, das zeigen uralte Rituale. Aber irgendwie scheint es trotzdem eine Erscheinung der heutigen Zeit zu sein. Fast schon so etwas wie eine Mode. Kaum ein Jugendlicher, der nicht einen kennt, der sich ritzt. Der sich Verletzungen zufügt, um einer inneren Verletzung Ausdruck zu verleihen. So „einfach“ zu erklären ist es manchmal, aber nicht immer sind die Gründe für das Verhalten so offensichtlich.

Es fällt uns schwer, zu verstehen, warum in einer Gesellschaft, in der Schönheit und offensichtliche Gesundheit eine so wichtige Rolle spielen, manche daraus ausbrechen und sich selbst zerstören zu wollen. Die Reaktionen reichen von Mitleid über offene Ablehnung bis hin zu absoluter Ohnmacht.

Die Autoren sind beide am Lehrstuhl für Klinische Kinderpsychologie der Universität Bremen und sie wissen, welche Komplexität und welche erschreckenden Erscheinungsformen selbstverletzendes Verhalten zeigen kann, welche Reaktionen darauf wie einzuordnen sind, wie man den Ursachen auf die Spur kommt und wie man behandelt. Sie beschäftigen sich gerade mit den Ursachen, die äußerst vielschichtig sein können, sehr ausführlich, behandeln aber auch die oft widersprüchlichen und überwältigenden Gefühle der Angehörigen. Eine ausführliche Literaturliste ergänzt optimal.

Das ist kein Buch, das man mal als kleinen Ratgeber zwischendurch lesen kann. Es basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und das merkt man auch an der Sprache. Wer sich allerdings bereits mit dem Thema beschäftigt hat – und davon ist auszugehen, wenn man zu einem Buch wie diesem greift – wird hier viele Antworten finden.