Jochen Siemens: Besuch von oben

Johannes Schweikert erlebt etwas, was sich viele von uns von ganzem Herzen wünschen würden. Er steht plötzlich wieder seinen bereits seit 22 Jahren verstorbenen Eltern gegenüber. Sie haben Ausgang im Himmel, oder wo auch immer sie jetzt sind, und dürfen einen Tag auf der Erde verbringen. Zunächst hat der nicht mehr ganz so junge Familienvater damit ziemliche Probleme, aber nach und nach wird ihm klar, was für eine Chance eine so verrückte Sache birgt. Und auch sein Vater nutzt die Gunst der Stunde – die beiden stellen einiges klar, was vorher immer im Unreinen lag.

Bevor man sich beim Lesen in dem Gedanken verliert, dass einem so etwas auch einmal passieren könnte mit einem lieben Menschen, den man verloren hat, bringt einen das Debüt des Stern-Redakteurs immer wieder zum Schmunzeln. Wie Johannes seinen Vater in seinen Freund Harvey verwandelt, damit sich seine Tochter nicht wundert, wie der Vater mit sich kämpft, um in einer solch kurzen Zeit auch nur annähernd zu verstehen, was es mit Handys und Internet auf sich hat und wie er es auf Teufel komm raus nicht verstehen kann, wieso der Architekt nur Einzelteile eines Hauses baut und nicht das ganze Ding …

Jean-Paul Sartre lässt grüßen

Schön auch die kleine Parallelgeschichte, die sich währenddessen im Reich der Toten abspielt. Ein Buch, in dem nicht wirklich viel passiert, das aber in der Lage ist, die Fantasie richtig anzukurbeln. Immer wieder ist man gewillt, den Roman aus der Hand zu legen und über die eigenen ungesagten Worte nachzudenken. Und darüber, wie viele Chancen man wohl noch hat … hier oder dort.
4.0 Stars (4,0 / 5)