Julia Zweig: Glück. Allein. (K)ein Liebesroman.

Laura ist Ende dreißig, im besten gebär- und bindungsfähigen Alter, sieht ganz gut aus, hat einen Job, der durchaus passabel ist und ne beste Freundin. Ganz gute Voraussetzungen eigentlich. Und trotzdem ist sie Single. Kein Mann in Sicht, der mit ihr Vater-Mutter-Kind spielen möchte. Da fasst sie einen Plan und sucht sich einfach, ganz pragmatisch, einen Vater für ihr zukünftiges Kind. Dass sich da die ein oder andere absurde Situation von allein ergibt, ist klar. Soweit, so gut. Denn die Idee hat was, der Beginn hat was und man denkt, man hätte ein Buch gefunden, das einen durchaus mal wieder zum Schmunzeln bringen kann. Bis das Ganze in echt ziemlich viel Kitsch ausartet und so unrealistisch weitergeht, dass man für jede Leserin nur hoffen kann, dass sie nicht an Märchen glaubt auf der Suche nach dem perfekten Mann.

Es erstaunt, wenn man liest, dass die Autorin eine Journalistenschule besucht hat und diesen Beruf auch ausübt, denn das Buch ist irgendwie nicht aus einem Guss – wirkt eher ein bisschen verkrampft. Schade. Denn wie gesagt, die Idee hatte was.

w. Thomas Boyce: Orchidee oder Löwenzahn?

[aartikel]3426277131:left[/aartikel]Wie unterschiedlich Menschen sein können, das wissen Mütter, die bereits mehrere Kinder zur Welt gebracht haben. Bereits im Bauch ist eines ganz empfindsam und das andere wehrt sich, wenn ihm was nicht passt, jeder Mensch kommt bereits mit seiner Grundpersönlichkeit auf die Welt – den Rest macht die Umwelt. Und hier kommen Begriffe ins Spiel wie Resilienz.
Der Autor, der die Menschheit grob gesagt in Löwenzahnpflanzen und Orchideen einteilt, ist Professor für Kinderheilkunde und Verhaltenspsychologie, also auf jeden Fall jemand, der weiß, wovon er spricht. Und der Studien zitiert, die staunen lassen. Der Beispiel bringt, die unter die Haut gehen und erklärt, was nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich ist. Ein Buch, das nicht nur dabei helfen kann, die eigene Persönlichkeit besser zu verstehen, sondern das vor allem auch dabei helfen kann, die Persönlichkeit des eigenen Kindes zu unterstützen und so in Bahnen zu lenken, die dem Kind guttun – auch dann, wenn wir es von außen vielleicht nicht immer verstehen.

Val Emmich: Die Unvergesslichen

[aartikel]3426305747:left[/aartikel]Menschen wie die zehnjährige Joan gibt es nur ganz selten auf der Welt: Das junge Mädchen hat das perfekte Gedächtnis. Sie erinnert sich an jedes noch so kleine Detail. Was zunächst klingt wie ein Segen, ist bisweilen ein ziemlicher Fluch. Denn normale Menschen können das nicht und das frustriert Joan.

Bis sich ein Freund ihrer Eltern komplett auf ihre Erinnerungen einlässt. Gavin, ein bekannter Songwriter, hat gerade erst seinen Partner Sydney verloren und damit seinen ganzen Lebensmut. Und die Musik. Joan hilft ihm, seine Erinnerungen zu sortieren und zu ergänzen und bitte ihn dafür nur um eines: den perfekten Song zu schreiben. Einen, der auch für all die, die nicht über so ein Gedächtnis wie sie verfügen, unvergesslich bleibt.

Es ist nicht ganz einfach, in dieses Buch zu kommen. Wirklich Sympathie für seine Darsteller zu empfinden. Für Joan, die ihrer Umwelt und damit auch dem Leser bisweilen mit ihren Macken ziemlich auf den Geist geht, für die Eltern, die scheinbar so gefühllos mit Joan umgehen, für den trauernden Gavin, der sich komplett hängenlässt und Sydney, der, wie es scheint, alles andere als treu war … doch dann wendet sich das Blatt und man kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Jochen Siemens: Besuch von oben

[aartikel]3426305909:left[/aartikel]Johannes Schweikert erlebt etwas, was sich viele von uns von ganzem Herzen wünschen würden. Er steht plötzlich wieder seinen bereits seit 22 Jahren verstorbenen Eltern gegenüber. Sie haben Ausgang im Himmel, oder wo auch immer sie jetzt sind, und dürfen einen Tag auf der Erde verbringen. Zunächst hat der nicht mehr ganz so junge Familienvater damit ziemliche Probleme, aber nach und nach wird ihm klar, was für eine Chance eine so verrückte Sache birgt. Und auch sein Vater nutzt die Gunst der Stunde – die beiden stellen einiges klar, was vorher immer im Unreinen lag.

Bevor man sich beim Lesen in dem Gedanken verliert, dass einem so etwas auch einmal passieren könnte mit einem lieben Menschen, den man verloren hat, bringt einen das Debüt des Stern-Redakteurs immer wieder zum Schmunzeln. Wie Johannes seinen Vater in seinen Freund Harvey verwandelt, damit sich seine Tochter nicht wundert, wie der Vater mit sich kämpft, um in einer solch kurzen Zeit auch nur annähernd zu verstehen, was es mit Handys und Internet auf sich hat und wie er es auf Teufel komm raus nicht verstehen kann, wieso der Architekt nur Einzelteile eines Hauses baut und nicht das ganze Ding …

Jean-Paul Sartre lässt grüßen

Schön auch die kleine Parallelgeschichte, die sich währenddessen im Reich der Toten abspielt. Ein Buch, in dem nicht wirklich viel passiert, das aber in der Lage ist, die Fantasie richtig anzukurbeln. Immer wieder ist man gewillt, den Roman aus der Hand zu legen und über die eigenen ungesagten Worte nachzudenken. Und darüber, wie viele Chancen man wohl noch hat … hier oder dort.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Nadine Ahr: Das Versprechen

[aartikel]3426301121:left[/aartikel]Eine Geschichte von Lieben und Vergessen – so lautet der Untertitel dieses Romans, der auf einer wahren Begebenheit beruht.
Protagonisten sind Ria und Edwin, die Großeltern der Autorin, die eigentlich füreinander bestimmt sind, dies eigentlich auch wissen, aber trotzdem sehr lange aufeinander warten müssen. Da ist der Krieg, da sind falsche Entscheidungen – doch letztendlich wird alles gut. Und Edwin verspricht seiner Ria, sie nie mehr zu verlassen. Aber so einfach, wie er dachte, ist ein solches Versprechen nicht zu halten, wenn der Partner zunehmend dement wird, einen nicht mehr nur nicht mehr erkennt, sondern einen auch noch verwechselt und aufgrunddessen täglich aufs Übelste beschimpft.

Edwin muss eine Entscheidung treffen, so schwer es ihm auch fällt, aber glücklich wird er damit nicht. Manchmal wünscht er sich sogar, ebenfalls dement zu sein. Denn alles wäre besser als die Tatsache, Ria einfach nicht vergessen zu können.

Diese Liebesgeschichte geht einem so richtig zu Herzen, das Buch ist eines von denen, die in der Seele noch nachklingen, lange, nachdem man die letzte Seite gelesen hat. Die „taz“ spricht von „glasklar und tieftraurig“ und besser könnte man es nicht beschreiben.

Die Autorin, 1982 geboren, erhielt ein Stipendium für begabte Journalisten der Süddeutschen Zeitung und schreibt seit 2011 für die Zeit.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Gioconda Belli: Mondhitze

[aartikel]3426281317:left[/aartikel]“Mondhitze“ ist der neueste Roman der lateinamerikanischen Autorin Gioconda Belli, aus deren Feder auch die „Bewohnte Frau“ stammt. Der Roman spielt in Nicaragua und erzählt von einer 48-Jährigen, deren plötzliches Ausbleiben ihrer Regel ihre ganze Weiblichkeit infrage stellt. Die sehr gut aussehende, schlanke und gepflegte Emma aus der Oberschicht, Arztgattin, will den Zeichen der Zeit nicht das Feld überlassen. Wehrt sich innerlich vehement gegen das Eintreten ihrer Wechseljahre.

Während sie verzweifelt darüber nachdenkt, wie sie aus dieser ihrer persönlichen Hölle wieder herauskommt, wird sie unvorsichtig und fährt einen jungen Mann an. Und ab sofort ändert sich ihr Leben. Und sie erfährt, welche weibliche, auch erotische Macht (das Spezialgebiet der Autorin) in ihrem alternden Körper noch steckt. Und wie sehr sie sich von ihrem Mann entfremdet hat.

Dieser Roman arbeitet mit Bildern. Man kann sie fast spüren die Hitze, riecht den Reis und den Schweiß, spürt die Angst derjenigen, die von ihrem miesen Job abhängig sind genauso wie die Schmuddeligkeit von Hotelzimmern. Lateinamerikanische Frauenpower. Und für Männer höchstens dann geeignet, wenn sie mal sehen wollen, wie unterschiedlich Frauen mit dem Klimakterium umgehen.
3.8 Stars (3,8 / 5)