Ksss!: Lise, Paul und das Garderobenmonster

Sie ist ja ganz niedlich, die Idee, dass zwei Außenseiterkinder wie Lise und Paul auf ein kleines Monster treffen, das ähnliches durchlebt hat. Sie finden es in der Turnhalle, es sieht aus wie einer dieser Puschelschlüsselanhänger in grün und ist aus der Monsterwelt geflogen, weil es nicht wirklich gruselig ist. Lise und Paul versuchen alles, um es dem kleinen Kerl gutgehen zu lassen, sie füttern ihn und besuchen ihn, so oft sie können. Dabei müssen sie nur dem „Scheurer“ aus dem Weg gehen, dem Prototyp des grässlichen Schulhausmeisters, der ihnen dauernd nachstellt, ihnen Angst macht und eine Menge Grenzen dabei übertritt. Erfreulicherweise gibt es da eine aufmerksame Lehrerin, die ihn in seine Schranken weist. Und auch von Lises Mutter kommt Unterstützung.
Trotzdem fehlt dieser Geschichte irgendwie eine ganze Menge. Spannung kommt nicht auf, stattdessen ein schales Gefühl – immer wieder. Nicht nur beim Hausmeister, auch bei den Hänseleien auf dem Schulhof, bei den blöden Sprüchen Erwachsener und bei den schon ziemlich an den Haaren herbeigezogenen Versuchen der Kinder, dem Monster das Angstmachen beizubringen. Auch die Lösungen zum Beispiel zum Thema Mobbing sind reichlich wenig hilfreich.

Am unangenehmsten aber ist die Sprache. Mal abgesehen davon, dass der Lektor durchaus hätte hier und da mehr kürzen dürfen und der Text ein gutes Stück mehr Schwung vertragen hätte: Es werden Ausdrücke verwendet, die man vielleicht in der Schweiz versteht, aber nicht bei uns. Es ist normal, dass man einem Kind beim Vorlesen mal das eine oder andere Wort erklären muss, aber wenn man selbst erst nachschlagen muss, dann stimmt was nicht. Vor allem nicht bei einem Buch, das ja eigentlich bereits für junge Selbst-Leser gedacht ist. Schade, denn Daniele Meocci weiß es eigentlich besser. Der ausgebildete Lehrer hat bereits einen Literaturpreis verliehen bekommen.

Elke Satzger: Ärger auf Etage 6

Mia wohnt im Klawusterweg. Auf der Hochhausseite. Nicht auf der Reihenhausseite wie ihre Freundin. Sie lebt dort mit ihrer Mutter alleine – und die ist, wie die meisten Alleinerziehenden nicht wirklich oft zuhause. Mia hat also eine Menge Zeit, um sich Gedanken zu machen über die neue Bewohnerin. Über das Skelett auf ihrem Balkon, ihre zwei Schlangen und das, was sie wohl fressen und über seltsame Diebstähle. Das lenkt sie ein wenig ab von ihren eigenen Problemen. Von Papa, der einfach weg ist und von den zwei Jungs, die ihr das Leben zur Hölle machen und sie bei jeder Gelegenheit unter Druck setzen. Doch dann lernt sie Donnertrud Salami kennen. Und versteht, dass der erste Eindruck nicht immer der richtige ist.
Donnertrud zeigt ihr, wie man sich zur Wehr setzt und sorgt dafür, dass am Ende alles gut wird.

Ein schönes Kinderbuch, von dem man sich als Vorleser gleich ein zweites wünschen würde. Mit Witz, Verstand, Gefühl und den richtigen Worten. Und immer erwähnenswert: geeignet für Jungs und Mädchen im Grundschulalter gleichermaßen. Naja, für Mädchen vielleicht ein bisschen mehr.

Andrej Usatschow und Anke Faust: Bin ich anders?

Ein Schnabeltier, das in Europa lebt, das hat es nicht einfach. Es sieht aus wie ein Maulwurf, hat einen Entenschnabel und legt Eier. Die anderen Tiere wollen nichts mit ihm zu tun haben, machen sich lustig über sein Aussehen und versuchen es gar soweit zu bringen, dass es sich etwas antut. Egal, was das Schnabeltier probiert, es ist und bleibt unbeliebt und ausgestoßen. Zuerst vergräbt es sich, taucht nur nachts im Fluss nach Würmern und Krebsen. Doch dann beschließt es irgendwann verzweifelt, vor der Situation davonzulaufen – bis ans Ende der Welt. Doch als es da ankommt, erwarten das kleine Schnabeltier eine ganze Menge Überraschungen.

Mal abgesehen davon, dass die Übersetzerin Simone Peil einen massiven Grammatikfehler eingebaut hat, der auch dem Lektorat entgangen zu sein scheint und mal abgesehen davon, dass so etwas bei einem Bilderbuch eigentlich nicht passieren sollte: Das Buch ist klasse. ‚Bin ich anders?‘ zeigt sehr schön, wie einsam und verzweifelt sich Menschen fühlen, die von anderen gemobbt werden, die keine Freunde finden und niemanden haben, dem sie sich zugehörig fühlen können. Der in Russland ziemlich bekannte Autor Andrej Usatschow hat die Angst und das Misstrauen des kleinen Tieres bei seiner Ankunft in Australien mit wenigen Worten eingefangen, perfekt unterstrichen durch die raffinierten Illustrationen von Anke Faust. Das Wort Toleranz bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

‚Bin ich anders?‘ ist ein Bilderbuch. Allerdings eines, das nicht nur die eigentliche Zielgruppe anspricht, sondern sich an jede Altersgruppe wendet. Es eignet sich als optimale Grundlage für Gespräche zum Thema Mobbing. Im Unterricht, aber sicher auch schon im Kindergarten.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Sarah Bannan: Die Neue

Eines Tages steht sie da, die Neue. Seidiges Haar, glänzende Augen, wunderschön. Carolyn Lessing kommt gut an bei den Schülern und Schülerinnen der Adams Highschool. Sie ist klug, freundlich, landet schnell in der Clique der beliebtesten Schüler. Doch dann begeht sie einen entscheidenden Fehler. Sie nimmt dem beliebtesten Mädchen der Schule den Freund weg. Und das lässt sich diese nicht so einfach gefallen. Sie startet eine Hetzkampagne über soziale Netzwerke und die ufert richtig aus.

In einem vermeintlich leichten Ton, der zunächst irritiert, beschreibt die New Yorker Autorin in ihrem Debüt wie schnell bei Facebook und Co alles aus den Fugen geraten kann. Was passieren kann, wenn man sich keine Gedanken macht über die Folgen seines Handelns. Erstaunlich ist die Erzählweise. Aus der Perspektive mehrerer Mädchen, die zwar alles mitbekommen, hier und da auch zugeben, dass es notwendig gewesen wäre, einzugreifen. Die aber letztendlich bis zum Schluss außen vor blieben. Ein paar kleine Schuldgefühle ausgenommen.

Und genau das ist es, was man der Autorin ankreiden kann. Denn sie kritisiert das Mobbing höchstens zwischen den Zeilen. Zu wenig möglicherweise für junge Leser(innen).
2.8 Stars (2,8 / 5)

Julia Volmer: Du gehörst zu uns oder Jeder ist ein bisschen anders

Der kleine Bär ist traurig. Die Elster hat ihn wegen seiner roten Nase aufgezogen, der Vogel weiß genau, wo er einen wunden Punkt treffen kann und nutzt das reichlich. Auch das Eichhörnchen, auf dessen Baum sich der Bär verstecken will, ist Opfer eines verbalen Elsteranschlags geworden. Und von dieser wegen seines Gewichts gemobbt worden.
Als die beiden Freunde erkennen, dass sie dasselbe Problem haben, versuchen sie sich gegenseitig zu helfen. Das Eichhörnchen macht alles, um den Bären von der roten Nase zu befreien – Heftplaster, anmalen und eine Pampe aus Blaubeeren und Kohle und der Bär lässt sich auch für seinen Freund etwas einfallen: Er spritzt ihn nass und schon sieht das Eichhörnchen gleich ganz schlank aus. Aber dann stellen beide fest: Sie hätten das alles gar nicht machen müssen, denn für ihre Freunde sind sie so wie sie sind genau richtig. Da kann die Elster sagen, was sie will.

Die gemeine Elster hat am Schluss das Nachsehen, die Freunde halten zusammen und wissen, wie wichtig es ist, dass jeder anders und jeder auf seine Art gut ist. Ein bisschen schade, dass es die Elster in diesem Buch nicht auch lernen durfte.

Julia Volmert, die nach ihrem Studium für Visuelle Kommunikation ihre Bücher auch selbst mit ganz charakteristischen Bildern bestückt, ist genauso ein Garant für schöne Bilderbücher wie der Albarello-Verlag. Die Bücher haben immer einen moralischen Hintergrund und sind doch nie dem erhobenen Zeigefinger gewidmet.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Shane Koyczan: Bis heute

Shane ist gemobbt worden. Schon ganz früh ging das los. Im Alter von acht Jahren nannten alle den Jungen, dessen Eltern ihn verlassen haben, nur Schweinerippchen. Die Schulflure waren ein Spießrutenlauf, im Erste-Hilfe-Koffer keine Bandage für die Seele. All das hat der sympathische junge Mann in einem Gedicht verarbeitet und niedergeschrieben und damit einen ungeheuren Youtube-Erfolg heimgefahren.

Dieses Gedicht ist nun auch als Hörbuch erschienen, eine CD, zweisprachig und vielstimmig, die zum Nachdenken anregt. Nichts für nebenbei mal, sondern etwas, um in die Tiefe zu gehen. Im Rahmen eines Klassenzimmers genauso wie allein im Auto, wo man dem kanadischen Dichter und Autor lauscht, automatisch in sich geht und sich fragt, wie so etwas vermieden werden kann. Ein Kind, so alleingelassen und doch eines von vielen.
Ein Muss für die Fans des Poetry-Slams und ein Soll für alle.
4.0 Stars (4,0 / 5)