Hans Rath: Im nächsten Leben wird alles besser

Arnold Kahl ist etwas über 50 und so angenervt wie die meisten in diesem Alter. Irgendwie läuft es nicht so, wie man es gerne hätte, zum Verändern fühlt man sich aber entweder zu alt oder einfach nicht in der Lage und was bleibt da: meckern, stänkern, mosern. Und diese chronische Unzufriedenheit ruft Streit hervor. So auch bei Arnold, der eines Abends einen ziemlichen Krach mit seiner Frau hat und am nächsten Morgen im Jahr 2045 aufwacht. Als Greis mit zwei geschiedenen Ehen und einem persönlichen Roboterassistenten. Alles ist anders, alles ist hochtechnisiert und wer es sich nicht mehr leisten kann, ein gutes Leben zu führen, der geht einfach nach Times Beach – indem das Gehirn digitalisiert und eingespeist wird. Keine Schmerzen mehr, keine offenen Wünsche, Sex sooft und mit wem man will, tolle Autos, schöne Häuser … Nachdem man ihn regelrecht zwingt, schaut sich Arnold dort mal um und findet nichts, was es wert wäre, hier einzuziehen. Stattdessen wird ihm klar, was wirklich wichtig in seinem Leben war und was alles schief gelaufen ist …

Eingeordnet als Dystopie ist es aber eigentlich gar keine. Eher eine Dys-Utopie. Denn nicht nur Arnold Kahl lernt im Laufe dieser Geschichte etwas, sondern der Leser ebenfalls. Die Lektüre eines Buches wie dieses eines ist, wird wohl an niemandem spurlos vorübergehen.

Stephania Jana/Ursula Kollritsch: Das Jahr des Rehs

[aartikel]3548612865:left[/aartikel]Viele Jahre sind ins Land gegangen seit Bella und Bine das letzte Mal etwas voneinander hörten. Die früher unzertrennlichen Freundinnen hatten sich aufgrund unterschiedlicher Lebensentwürfe komplett aus den Augen verloren. Bella, freie Journalistin, unglücklich liiert mit einem Russen mit gewaltiger Bindungsangst, lebt in der tobenden Hauptstadt – gemeinsam mit ihrem Sohn. Bine dagegen ist Architektin und hat mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern die Ruhe des hessischen Heimatortes Engbach (!) vorgezogen – mit einem Plastikreh im Garten. In Wahrheit Zeichen Ihrer Auflehnung und nicht ihrer Anpassung. In dieser Lebensumbruchphase kommen sich die beiden Frauen – angeregt durch ein paar alte Briefe auf dem Dachboden – wieder näher. Und merken, dass sie neben all den Differenzen auch einen großen gemeinsamen Nenner haben. Die Fragen „Was machst Du und mit wem?‘ stehen permanent im Raum. In ihrem nun folgenden E-Mail-Verkehr sind sie von Anfang schonungslos ehrlich mit sich und der anderen. Und erleben ein Jahr des Umbruchs auf diese Weise gemeinsam.

Die Freundinnen hinter den beiden Freundinnen sind Ursula Kollritsch und Stephania Jana. „Das Schreiben war wie eine heimliche Affäre. So konnten wir das Leben einer anderen Frau leben, gestalten, in ihrer Rolle lachen, weinen, lästern und lieben“, so die Autorinnen. Ihr Projekt war genau auf ein Jahr angelegt, die E-Mails der Frauen, in deren Rollen sie schlüpften, wurden wirklich geschrieben, auf diese Weise haben sie sich gegenseitig überrascht und obwohl das nur das Grundgerüst werden sollte, wurde genau dieser Briefverkehr das eigentliche Buch. Auch, wenn es etwas länger als ein Jahr dauerte.

Man merkt diesem Roman an, dass Profis dahinterstecken. Aber man merkt auch, dass sich gerade diese wohl schwertun mit dem Kürzen. Denn das hätte der Geschichte mehr Pfiff gegeben. Im Gegensatz zu den zwei etwas seichten Traummännern von Frauen in den Vierzigern, die sich noch mal sexuell und auf jede andre Art entfalten und bestätigt sehen wollen, bevor sie verblühen. Man könnte fast ein bisschen Mitleid haben mit Bella und Bine.
2.8 Stars (2,8 / 5)