Cynthia Rylant/Brendan Wenzel: Leben

Es gibt Momente, da wirkt das Leben grau, trist, die Schwierigkeiten scheinen riesengroß und kaum zu bewältigen und man selbst ist so klein und hoffnungslos. Das geht jedem irgendwann einmal so und genau für diese Momente ist dieses Bilderbuch genau das Richtige. Für Kleine genauso wie für Große.
Cynthia Rylant macht den Lesern bzw. Betrachtern fast schon poetisch klar, dass man nur richtig hinsehen muss, um zu erkennen, was wichtig ist im Leben und wie entscheidend es sein kann, wenn man einmal die Perspektive wechselt. Genauer hinblickt und damit den Überblick behält.

Jeder wird für sich etwas anderes aus diesem Buch mitnehmen – aber jeden wird es auf die eine oder andere Art trösten. Oder traurig machen. Je nachdem, wann man das liebevoll illustrierte Buch in die Finger bekommt.

Nina George: das Traumbuch

Der Kriegsreporter Henri liegt im Koma. Auf dem Weg zu seinem Sohn, den er nie zuvor gesehen hat, ist es passiert und genau dieser Sohn sitzt nun täglich an seinem Bett. Gemeinsam mit Eddie, der Frau, die Henri eigentlich liebt und die ihn liebt, was sie sich vorher nur beide nie eingestanden. Es ist kompliziert, das Geflecht um dem Synästhetiker Sam, die feinfühlige Eddie, das Mädchen Maddy und all die anderen Charaktere, die mehr oder weniger im Leben Henris oder drumherum eine ausschlaggebende Rolle spielen. Letztendlich dreht sich der Roman darum, dass die kleinsten Entscheidungen eines einzelnen im Leben zahlreiche andere Leben positiv oder negativ beeinflussen können. Klingt vielleicht nicht spektakulär, ist es aber. Denn was Henri in seinem Wachkoma erlebt, wie er zwischen den Welten hin- und herkatapultiert wird, wie Sam ihn spüren kann und keiner ihm glaubt, bis auf Eddie, die einfach glauben will…all das ist dermaßen gut in Worte gepackt, dass man das Ende nur tränenreich überstehen kann. Ein Buch, das mal wieder so richtig ans Eingemachte geht. Den Leser mit seinen Ängsten genauso konfrontiert wie mit seinen Hoffnungen. Und das sich dem Thema Koma sehr einfühlsam nähert. Höchst empfehlenswert und mit Sicherheit eines der Besten der Saison. Sozusagen ein Traum von einem Buch, dieses „Traumbuch“.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Nicola Hotel: Jetzt oder Nils

Wer mal wieder so richtig herzhaft über eine gute Story und echten Sprachwitz lachen möchte, der muss Nikola Hotels wirklich gelungenen Roman mit dem witzigen Titel „Jetzt oder Nils“ lesen.

Dabei lädt einen der Anfang des Buches fast dazu ein, es gleich wieder wegzulegen. „Zu kitschig“, denkt man. „Zu weit hergeholt“ und „Schon wieder einer DIESER Romane“. Wenn man dann aber noch ein paar Seiten dabeibleibt, dann wird man richtig belohnt. Auch, wenn die Geschichte selbst nicht die Prickelnste ist (kleine Blumenverkäuferin trifft mächtigen Mann und selbstverständlich und so weiter), Frau Hotel schafft es, sie zu der Geschichte zu machen, die man nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Ein Buch für jede Gelegenheit und eines zum Verschenken. Für alle Frauen, die gern lachen und die sich dabei auch selbst nicht zu ernst nehmen. Und eines, das wieder einmal den guten Riecher des Aufbau-Verlages unterstreicht.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Stephania Jana/Ursula Kollritsch: Das Jahr des Rehs

Viele Jahre sind ins Land gegangen seit Bella und Bine das letzte Mal etwas voneinander hörten. Die früher unzertrennlichen Freundinnen hatten sich aufgrund unterschiedlicher Lebensentwürfe komplett aus den Augen verloren. Bella, freie Journalistin, unglücklich liiert mit einem Russen mit gewaltiger Bindungsangst, lebt in der tobenden Hauptstadt – gemeinsam mit ihrem Sohn. Bine dagegen ist Architektin und hat mit ihrem Mann und den gemeinsamen Kindern die Ruhe des hessischen Heimatortes Engbach (!) vorgezogen – mit einem Plastikreh im Garten. In Wahrheit Zeichen Ihrer Auflehnung und nicht ihrer Anpassung. In dieser Lebensumbruchphase kommen sich die beiden Frauen – angeregt durch ein paar alte Briefe auf dem Dachboden – wieder näher. Und merken, dass sie neben all den Differenzen auch einen großen gemeinsamen Nenner haben. Die Fragen „Was machst Du und mit wem?‘ stehen permanent im Raum. In ihrem nun folgenden E-Mail-Verkehr sind sie von Anfang schonungslos ehrlich mit sich und der anderen. Und erleben ein Jahr des Umbruchs auf diese Weise gemeinsam.

Die Freundinnen hinter den beiden Freundinnen sind Ursula Kollritsch und Stephania Jana. „Das Schreiben war wie eine heimliche Affäre. So konnten wir das Leben einer anderen Frau leben, gestalten, in ihrer Rolle lachen, weinen, lästern und lieben“, so die Autorinnen. Ihr Projekt war genau auf ein Jahr angelegt, die E-Mails der Frauen, in deren Rollen sie schlüpften, wurden wirklich geschrieben, auf diese Weise haben sie sich gegenseitig überrascht und obwohl das nur das Grundgerüst werden sollte, wurde genau dieser Briefverkehr das eigentliche Buch. Auch, wenn es etwas länger als ein Jahr dauerte.

Man merkt diesem Roman an, dass Profis dahinterstecken. Aber man merkt auch, dass sich gerade diese wohl schwertun mit dem Kürzen. Denn das hätte der Geschichte mehr Pfiff gegeben. Im Gegensatz zu den zwei etwas seichten Traummännern von Frauen in den Vierzigern, die sich noch mal sexuell und auf jede andre Art entfalten und bestätigt sehen wollen, bevor sie verblühen. Man könnte fast ein bisschen Mitleid haben mit Bella und Bine.
2.8 Stars (2,8 / 5)