Anne Mairo: Kleopatra im Aquarium

Sie ist Teil des Berliner Autorenkombinats Kommando Torben B. und ihrer Sprache merkt man an, dass sie jung und irgendwie hip ist. Klingt nach dem Klassiker – entweder Werbeagentur oder Newsroom. Anne Mairo hat mit der Figur der 29-jährigen Halbitalienerin Mona – die übrigens, wen wundert’s, in einer Werbeagentur ihr Geld verdient – eine kleine tragisch-komische Protagonistin geschaffen. Mona beschäftigt sich beruflich mit Energydrinks, die, warum auch immer, sexy sein sollen und privat mit Dennis, der diesbezüglich deutlich mehr aufzuweisen hat. Das Leben läuft rund für sie. Bis ihre Tage ausbleiben und das nicht das bedeutet, was es normalerweise bedeutet…

„Kleopatra im Aquarium“, der Titel ist gut. Der Stil auch, aber der Story fehlt irgendetwas. Man liest, und man liest durchaus interessiert und plötzlich nähert man sich dem Ende und wundert sich, wo der Höhepunkt oder wenigstens die Wendung bleibt. Fragt sich, warum Mona sich so stur weigert, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. Trennung vom Traummann? Kein Problem. Anderer Lebensweg als vorgesehen? Was soll’s. Das dürfte vielen Lesern gerade bei so einem sensiblen Thema deutlich zu wenig sein. Andererseits sprüht das Buch stellenweise auf eine reizvolle, intelligente Art. Angeblich wird der Leser, oder wahrscheinlich doch eher die Leserin, nach der Lektüre die 30er Generation und ihre Lebenswelt besser verstehen werden, ob dem wirklich so ist und ob die in den 1980ern Geborenen tatsächlich so oberflächlich sind, mag jeder selbst beurteilen. Lesenswert ja. Aber nur, wenn man gerade nicht auf wilde Flüsse, sondern auf plätschernde Bäche steht.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Riikka Pulkkinen: Die Ruhelose

“Die Ruhelose“ ist Riikka Pulkkinens Debütroman. Die Finnin beschreibt das ganz ähnliche und sich doch enorm unterscheidende Schicksal zweier miteinander verwandter Frauen: Anja, deren Mann schwer an Alzheimer erkrankt ist und die mit sich hadert, ob und wie sie ein gegebenes Versprechen einhalten kann und ihre Nichte Marie, die eine äußerst heikle Beziehung zu einem jungen Lehrer eingegangen ist und sich dabei leidenschaftlich in eine Liebe stürzt, die aussichtslos ist. Zwei Frauen, die vor der entscheidenden Frage ihres Lebens stehen: Wie weit darf und will und soll und muss man gehen für die Liebe?

Die Universitätsprofessorin Anja scheint zunächst an dieser Frage zu verzweifeln und findet doch, genau wie Marie ihren ganz eigenen Weg, damit umzugehen.

Riikka Pulkkinen, Jahrgang 1980, ist eine der erfolgreichsten jungen Autorinnen Finnlands. Doch auch, wenn ihr Debüt dort bereits etliche Preise einheimsen konnte, so ganz überzeugend ist es doch nicht. Ob das an der deutschen Übersetzung liegt? Denn das Buch hat etwas, keinen Zweifel, die Thematik ist interessant und entspricht komplett dem Zeitgeist unserer Gesellschaft und doch fehlt etwas. Das entscheidende Etwas, das den Leser so richtig in seinen Bann zieht.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Daniel Bielenstein: Das richtige Leben

Karl Ho Bob Krämer wurde 1967 mitten in einer Demo auf einem Ho-Chi-Minh-Plakat geboren. Ebenso seine Zwillingsschwester Janis. Dieses Ereignis, von der Umgebung zunächst als Happening verstanden, ist der perfekte Anfang für das Leben eines Menschen, der von liebenswerten Chaoten umgeben in WGs aufwächst, dessen Mutter regelmäßig nach Poona zieht und dessen Vater mit allen seinen Studentinnen schläft. Ho versucht anders zu sein, spießig, aber es gelingt ihm nicht. Und spätestens als seine Freundin Celia schwanger wird, lichtet sich sein persönlicher Nebel.

„Celias Lieblingsphilosoph heißt Sören Kierkegaard, ein alter dänischer Dandy, der sein Leben auf Partys zugebracht hat, obwohl er eigentlich ein todtrauriger Mensch war. Dieser Kierkegaard hat gemeint, dass das menschliche Grundproblem darin besteht, dass man das Leben nur rückwärts verstehen könne, aber dass man es vorwärts leben müsse. Mir kommt diese Meinung ziemlich optimistisch vor, weil ich überhaupt nichts verstehe, weder vorwärts noch rückwärts….“

Ho ist Chef einer kleinen Designagentur, seine Mitarbeiter machen, was sie wollen, seine Eltern sind nach wie vor so durchgeknallt wie in den Siebzigern, nur anders, seine Schwester weiß genau so wenig was sie will wie er selbst. Nachdenken will er. Darüber grübeln, ob das Wohnen in Kommunen bei ihm zu Bindungsunfähigkeit geführt hat, ob all die Joints, die seine Eltern geraucht haben, vielleicht sein und nicht ihr Hirn vernebelten, warum er seine Großeltern mit ihrem geregelten Leben so bewundernswert fand und wie man sich eigentlich im Jahr 2004 zurechtfinden soll. „Ich horche in mich selbst hinein, und zwar ungefähr so, wie die Leute vom Seti-Programm ins Weltall hineinhorchen, immer in der Hoffnung, dabei auf so etwas wie Intelligenz zu stoßen.“ Bei Schwierigkeiten macht er sich vom Acker und eine ungewollte Schwangerschaft könnte man ja durchaus als Schwierigkeit bezeichnen….

Ein Tag und das Buch ist durch. Mit einem dauerhaften Grinsen im Gesicht kann man sich komplett in Karl Ho Bob Krämers Leben hineinfallen lassen. Daniel Bielenstein, selbst Jahrgang 1967, versorgt den Leser mit einer Familiengeschichte, die, obwohl sie kein Klischee auslässt, trotzdem genau so gewesen sein könnte. Mit „revolutionärem Augenzwinkern“ nimmt er den Protagonisten und seinen verqueren Anhang auf die Schippe, wortgewandt und wortwitzig sorgt er für äußerst kurzweiliges Lesefutter. Schön.
4.4 Stars (4,4 / 5)