Katherine Hannigan: Die Wahrheit, wie Delly sie sieht

Delly ist anders als andere Elfjährige. Ganz anders. Und Schüchternheit gehört nicht zu ihrem Repertoire. Meistens bringt ihr ihr Verhalten eine ganze Menge Ärger ein. Sie lässt Tiere frei, prügelt sich, wenn ihr was nicht passt und oft tritt sie mit ihren Aussagen anderen gewaltig auf die Füße, ohne es überhaupt zu merken. „Delly Pattinson war winzig. Ihr Haar lag in festen Locken um den Kopf wie ein kupferroter Heiligenschein, und ihre Stimme war so rau, als wäre ihr Hals ein Schotterweg. Delly Pattinson, das bedeutete Ärger: kleiner ärger, der sich anschickte, GROSSER ÄRGER zu werden und der seinem Ziel täglich näher kam.“ Bis Ferris auftauchte. Die Neue in der Klasse wollte weder sprechen noch berührt werden. Alle akzeptierten das, aber Delly war das unmöglich. Doch ihre Haudrauf-Einstellung klappt bei Ferris nicht. Das Mädchen muss sich in Demut üben, wird dafür aber reichlich belohnt.

Katherine Hannigan aus New York, ist studierte Mathematikerin und unterrichtet Studenten in Kunst und Design an der Uni Iowa. Ihr Debüt „Ida B“ war Bestseller der New York Times und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sprecherin Jodie Ahlborn ist im deutschen Fernsehen wohlbekannt. Und auch im Hörbuchbereich hat sie inzwischen einen ziemlichen Namen gemacht. Ihr Können verleiht dem Buch noch das restliche bisschen Würze.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Morris Gleitzman: Einmal

Einmal – da rettete Felix ein kleines Mädchen aus einem brennenden Haus. Einmal – da brachte er einen Nazi mit Zahnschmerzen zum Lachen. Und einmal – da gab es eine Zeit, in der Felix ein Kind sein durfte. Felix ist neun und lebt seit fast vier Jahren im Waisenhaus. Was draußen vor sich geht begreift er nicht. Auch nicht, warum seine Eltern ihn wirklich hierher gegeben haben. Ahnt aber, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dass die Eltern, Buchhändler von Beruf, nicht nur ihre Geschäfte ordnen müssen. Und er weiß, dass niemand etwas darüber wissen darf. Ganz besonders nicht die Männer in Uniform, denen es sogar gelingt, die sonst so felsenstarken Nonnen zum Weinen zu bringen. Anfangs hat Felix sich die Zeit mit Geschichten vertrieben. Geschichten, in deren abenteuerlichem Mittelpunkt seine Eltern als Helden dastanden. Doch als Männer mit merkwürdigen Armbinden auftauchen und jüdische Bücher verbrennen, weiß er, was er zu tun hat. Er reißt aus, um Mama und Papa zu helfen, ihre Bücher vor der Verbrecherbande zu schützen. Und gerät mitten ins Warschauer Ghetto. Was der kleine Junge dann in den vom Krieg gezeichneten Straßen erleben muss – kein noch so guter Psychothriller könnte mehr Gänsehaut erzeugen.

Der Roman, geschrieben aus der Sicht und mit den einfachen, oft schon naiven Worten des kleinen Jungen, zeigt die Sinnlosigkeit und die grausame Wahrheit der Judenverfolgung aus einer ganz anderen Perspektive. Aus einer noch erschreckenderen Perspektive. An manchen Stellen ist man sogar versucht, das Hörspiel wieder auszumachen. So bedrückend ist die Stimmung, untermalt von Musik, die direkt in den Bauchraum geht. Durchzuhalten aber lohnt sich, denn hier handelt es sich um eines der Bücher, die man nie wieder vergessen wird. Und genau aus diesem Grund sollten Kinder „Einmal“ auch nicht zu früh und vor allem nicht ohne Vorbereitung hören. Mit dreizehn dürfte das Mindestalter gut eingeschätzt sein.

Morris Gleitzman, der inzwischen eine Fortsetzung des Buches auf den Markt gebracht hat, ist einer der bekanntesten Kinderbuchautoren Australiens – mehrfach ausgezeichnet. Auch ‚Einmal‘ schaffte es, wie es fast schon nicht anders zu erwarten war, auf Nominierungslisten und in Preiskategorien. Bei diesem nahegehende Roman aus der Position eines kleinen Jungen während der deutschen Besatzung in Polen, wurde der Autor inspiriert durch die Geschichte eines jüdischen Arztes, der sich heldenhaft für Kinder einsetzte.

Andreas Steinhöfel: Paul Vier und die Schröders

In der Ulmenstraße, da geht es korrekt zu. Da hat alles seine Ordnung und die einzigen Probleme, die hier vorherrschen, sind die Fragen nach Gelingen des Kaffeekränzchenkuchens und nach dem, was wohl die Nachbarn sagen. Und die haben einiges zu sagen, als die Schröders einziehen.

Wagt es da doch tatsächlich eine alleinerziehende Frau mit vier Kindern die Fassaden der umliegenden Häuser zu erschüttern. Wo gibt’s denn so was, allein das ist ja schon asozial, da ist man sich schnell einig. Und dann auch noch mit Kindern, die sich reichlich seltsam verhalten und Namen tragen, die von Lea und Max genauso weit entfernt sind wie der Mond von der Erde. Dass sie zusätzlich eine Schlange als Haustier haben, macht die Sache nicht besser. Die Schröders müssen weg, da sind sich alle einig. Alle bis auf Paul und seine Mutter, die das Leben im Rahmen der Scheinheiligkeit schon lange satt hat.

Paul mag die Schröders und vor allem mag er Delphine. Er rettet ihre kleine hellsichtige Schwester beim Schlafwandeln, durchschaut die fiesen Tricks der Nachbarn und versucht, der außergewöhnlichen Familie zu helfen. Dabei kommt er dahinter, dass Delphines Mutter todkrank ist und eigentlich nur wollte, dass ihre Kinder in einer Umgebung aufwachsen, die kinderfreundlich, sicher und normal ist. Nur leider muss sie schnell erkennen, dass normal oft spießig ist und spießig durchaus gefährlich werden kann. Schließlich droht alles, was sich dem nicht anpasst, den Schleier zu lüften und das wahre Ich der Spießer zu offenbaren.

Ein Hörspiel für Jungs und Mädchen, das sich gekonnt kritisch mit unserer Gesellschaft auseinandersetzt und eine wunderbare Gesprächsgrundlage über den äußeren Schein bietet. Spannend aufgebaut, gut umgesetzt und irgendwie viel zu kurz.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Sara Pennypacker: Vorhang auf für Clementine

Da ist sie wieder, die kleine Clementine, die so chaotisch ist, dass man sie schon fast gernhaben muss. Diesmal möchte die Schule eine Talentshow veranstalten, nur dummerweise ist sich Clementine sicher, dass sie nicht das winzigste Talent hat – für nichts. Doch da täuscht sie sich gewaltig.

Denn Clementine strotzt eigentlich nur so vor Talenten. Okay, sie kann nicht steppen, nicht Rad schlagen und auch nicht singen, dafür aber wunderbar malen, ihren kleinen Bruder zum Lachen bringen, sich überall herausreden, für alles eine Idee finden und – organisieren.

Die Stimme von Josefine Preuß muss man mögen. Tut man das nicht, kann sie einem schon bisweilen auf den Geist gehen. Aber, das muss man ihr lassen, zu Clementine passt sie. Dieses Persönchen, das seinen eigenen Obstnamen nicht leiden kann und daher seinen kleinen Bruder immer wieder mit den witzigsten Gemüsenamen versorgt, könnte tatsächlich so vor sich hin schnoddern und scheppern.
5.0 Stars (5,0 / 5)