Aida S. de Rodriguez: Es geht auch ohne Strafen!

“Kinder auf Augenhöhe begleiten“ – ist der Untertitel dieses Buches, bei dem die Autorin, eine der Gründerinnen der APEGO-Schulen in Berlin und dreifache Mutter, zeigt, wie es gelingen kann, Kinder ohne Strafen oder ähnliche erzieherische Maßnahmen in ihrer Entwicklung zu begleiten. Wertschätzend, auf Augenhöhe und ohne dabei in Überforderung zu erstarren. Es geht also nicht darum, die Kinder einfach machen zu lassen, sondern darum, sein eigenes Verhalten in der Erziehung zu hinterfragen. Manchmal, so zeigt die Autorin auf, scheint eine Strafe oder Konsequenz logisch und sinnvoll und ist es dann aber gar nicht. Bestes Beispiel: Ein Kind schlägt im Kindergarten ein anderes Kind, wird geschimpft und muss sich dafür bei ihm entschuldigen. Die entscheidende Frage dahinter ist aber, warum fühlte sich das Kind so ohnmächtig, dass es sich nur mit Schlagen zu helfen wusste? Welche Rolle spielen dabei die Erzieher und was kann ich als Elternteil tun, um mein Kind auf andere Weise zu stärken, damit so eine Situation gar nicht mehr vorkommt?
Aida S. de Rodriguez bringt viele Beispiel aus dem Alltag, zeigt auf, was Erziehende konkret ändern können und wo es Sinn macht, das eigene Handeln zu hinterfragen. Man muss nicht alles übernehmen, denn nicht alles wird für jeden schlüssig sein, aber das ein oder andere lässt sich durchaus übernehmen. Ein guter Anreiz zum Nachdenken ist es auf jeden Fall! Denn es ist nun einmal nicht zu leugnen, dass wir Eltern unter einem enormen gesellschaftlichen Druck stehen. Dass unser Zeitplan eng getaktet ist, dass andere sehr genau beobachten, wie und ob es uns gelingt, dass unsere Kinder „angepasst“ sind. Aber wollen wir das wirklich? Ein angepasstes Kind? Scheint auf den ersten Blick der einfachste Weg zu sein, aber langfristig würden wir doch eigentlich lieber einen Menschen erziehen, der nicht durch sinnlose Strafen kleingedrückt wurde, oder?

Heidemarie Brosche: Jungs-Mamas

Das ist doch das perfekte Buch, denkt man, wenn man einen Jungen zuhause hat, der einem oft wie ein Wesen von einem anderen Stern vorkommt. Schließlich ist ein Sohn doch die optimale Möglichkeit, um Männer im allgemeinen besser verstehen zu lernen. Die Autorin schreibt über die Ängste und Sorgen, die wilde Jungs (seit wann sind alle Jungs wild?) mit sich bringen, die Schwierigkeiten in den Institutionen, die nicht auf die Bedürfnisse von bewegungsfreudigen Buben ausgerichtet sind (Okay, da hat sie definitiv recht) und die Anforderungen, die auf uns Mütter zukommen, wenn wir einen zukünftigen Mann erziehen wollen. Die Autorin ist Mutter von drei Söhnen und darauf ist sie auch stolz. Das merkt man. Kann sie auch. Was sie aber nicht tun sollte, ist dauernd unterschwellig Mütter mit Töchtern in eine andere Ecke stellen. Oder auch solche Mütter, die beide Geschlechter erziehen. Und was sie auch nicht tun sollte, ist allen anderen das Gefühl geben, sie hätte die Wie-erziehe-ich-einen-Jungen-richtig-Weisheit mit Löffeln gegessen, denn so wirklich die Beweise liefert sie dafür nicht. Und auch nicht immer gute Tipps – bestimmte Gespräche dem Vater überlassen? „Tolle Anregung“ vor allem für all die alleinerziehenden Jungs-Mamas, die ihren Söhnen alles sein müssen. Wenn laute Jungs nerven, soll man die Dankbarkeit nicht aus den Augen verlieren, sich darüber freuen, dass Zickenkriege erspart bleiben, Kosmetikexzesse ausbleiben und man nicht stundenlang shoppen muss – ganz ehrlich, das geht gar nicht! Stereotyper Quatsch mit extremem Schubladendenken. Ein Satz in diesem Werk heißt „Keine Ahnung, wie es bei Familien mit Jungs und Mädchen ist …“ Hmmmm, dem ist nichts hinzuzufügen!! Obwohl doch … hat die Mittelschullehrerin nur Jungs in ihren Klassen? Wenn nicht, dann … naja, auch dem ist nichts hinzuzufügen.

Nicola Schmidt: artgerecht

“Das andere Babybuch“ lautet der Untertitel dieses allein schon optisch hervorragenden Buches, geschrieben von jemanden, der wirklich Ahnung von Babys hat. DAs merkt man schnell. Nicola Schmidt fragt sich hier, warum wir immer nur von artgerecht in Zusammenhang mit Hühnern und Schweinen sprechen, aber nie in Zusammenhang mit Babys. Denn gerade diese brauchen zum Teil etwas ganz anderes als sie heute bekommen. Und vor allem in den letzten Jahrzehnten bekommen haben.

Nicola Schmidt ist eigentlich Wissenschaftsjournalistin. Doch seit der Gründung des artgerecht-Projekts vor einigen Jahren berät sie Eltern und bietet Fortbildungen zum Thema an. Ihr Buch beschäftigt sich ausführlich damit, wieso sich die Bedürfnisse von Babys seit der Steinzeit eigentlich nicht verändert haben und wie wir ihnen genau das Umfeld schaffen, das wir brauchen. Nicola Schmidt erzählt von Affenmamas, die, weil nur im Zoo aufgewachsen, erst lernen mussten, mit ihren Babys umzugehen und denen es damit nicht anders geht als uns: Wir alle lernen von Vorbildern und in Ermangelung der Sippe um uns herum wissen auch wir Menschenfrauen oft nicht, was zu tun ist, wenn wir zum ersten Mal ein Baby bekommen. Denn weder Geburt noch Stillen und selbst nicht das Schlafen sind selbstverständliche Dinge – und wenn man nicht weiß, wie man mit einem Baby umgehen muss, dann hat man anstrengende Wochen vor sich, bis sich alles eingespielt hat. Doch das kann man einfacher haben. Allein die Lektüre dieses Buches hilft schon bei der Vorbereitung. Und beim Entspanntbleiben – dem wichtigsten Aspekt.

Die Art und Weise, wie Nicola Schmidt mit dem Thema umgeht, hebt sich erfrischend von all den anderen Ratgebern auf dem Markt ab. Denn auch, wenn die Tendenz tatsächlich dahin geht, sich dem Thema Baby deutlich natürlicher zuzuwenden, mehr zu tragen, das Kind im Beibett bei sich zu haben und möglichst zu stillen, so ist noch ein weiter Weg, bis all dies wirklich selbstverständlich wird. Doch Nicola Schmidt verurteilt niemand, und auch das ist so gut an diesem Buch. Sie beschäftigt sich auch mit Themen wie Kaiserschnitt, Flaschennahrung oder Windeln, ohne etwas zu verteufeln.

Schön auch die Rubriken „Ammenmärchen“ und die kleinen, aber ausgewählten Fenster mit Tipps, Tricks und Zusatzinfos. Dieses Buch sollte jeder werdenden Mama mitsamt dem Mutterpass ausgehändigt werden.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Ursula Fassbender/Holger Schumacher: Starke Kinder wehren sich!

Kann man einen schlechten Menschen an seinem Äußeren erkennen? Muss ich kuscheln, wenn ich nicht will und was mache ich, wenn mich ein Mitschüler bedroht? Das sind nur wenige der zahlreichen Fragen, die der ehemalige Polizist und heute führende Anbieter von Kindersicherheitskursen – Holger Schumacher – in seinen Seminaren anspricht. Auf der Basis seiner Erfahrungen hat er, gemeinsam mit der Autorin Ursula Fassbender, ein Buch herausgebracht, das man zur Unterstützung und als Auffrischung hernehmen kann, das sich aber auch gut bereits als alleiniges Arbeitsmaterial eignet.

Grundsätzlich geht es darum, für die Gefahrenerkennung sensibilisiert zu werden, denn Gewalt kann sehr subtil ablaufen und genau dort auftauchen, wo keiner sie im ersten Moment vermuten würde. Und sie kommt oft in Form von Druck – psychischem Druck. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, Nein zu sagen. Dass sie lernen, auf ihr Bauchgefühl zu hören und diesem auch zu vertrauen und dass wir lernen, das ebenfalls zu tun.

Dieses Buch ist extrem empfehlenswert. Die Autoren lassen kein Thema aus, bringen zahlreiche anschauliche Fallbeispiele und eine Menge Hintergrundinformationen sowie gut umsetzbare Anleitungen für heikle Situationen. Trotzdem ist es grundsätzlich sinnvoller, das Buch in Kombination mit einem der Kurse zu nutzen. Denn hier lernen die Kinder ihre eigenen Stärken und Ressourcen viel besser kennen als bei der reinen und theoretischen Übung mit den Eltern. Holger Schumacher verfügt über die nötige Erfahrung, Einfühlsamkeit und Autorität, um den Kindern absolut deutlich klarzumachen, dass sich manches spaßig anhört, es aber definitiv nicht ist. Damit das Gelernte auch auf Dauer sitzt, bietet Holger Schumacher regelmäßig Auffrischungskurse an, in denen elementare Teile des Seminars noch einmal wiederholt werden. Da die Ansprüche an ein solches Seminar altersabhängig sind, gibt es auch hier unterschiedliche Angebote, die man einzeln nutzen kann, die aber auch aufeinander aufgebaut gesehen werden können. Gut auch sein Ansatz, die Eltern an den Kursen als „stille Zuhörer“ teilhaben zu lassen, denn es ist wichtig, zu wissen, was hat das Kind gelernt, was sollte vertieft werden und wie gehe ich auch als Erwachsener mit manch heikler Situation um.

Die Autoren sind prädestiniert für ihre Aufgabe: Ursula Fassbender ist selbst Mutter und seit Jahren in einem bundesdeutschen Netzwerk zur Lage von Müttern und Kindern in Gewaltsituationen und in der Krisenbegleitung aktiv, Holger Schumacher, übrigens achtfacher deutscher Meister in Karate/Ju-Jutsu, war beim Mobilen Einsatzkommando der Hamburger Polizei sowie tätig als psychologisch ausgebildeter Erstsprecher für Geiselnahmen.
4.8 Stars (4,8 / 5)