Günter Franzen: Späte Liebe

Mehrere Diplome, Schriftsteller und freier Mitarbeiter bei einer großen deutschen Zeitung – da kann man noch so klug sein, eine Frau findet sich trotzdem nicht leichter. Diese Erfahrung musste auch Günter Franzen machen, der sich nach dem Tod seiner Frau zum gegebenen Zeitpunkt wieder auf die Suche machte und sich dazu, wie man das heute so tut, den modernen Kupplern in Form von Datenbanken anvertraute. Die Odyssee, die jetzt begann, beschreibt er mal witzig, mal anrührend, mal gemein und auch ein bisschen melancholisch auf seine ganz eigene Art. Doch egal, wie viel Niveau dahintersteckt, ums Fremdschämen kommt man nicht herum. Vor allem, wenn man selbst zur Gattung der Frauen gehört.
Ella aus Böhmen, Petra vom Immenhof und wie sie nicht alle heißen, die Damen, die der Möchtegernfreier auf seiner Reise durch ganz Deutschland besucht, sind aber leider alle nicht das, was er sich erhofft hat … und bis die eine, diejenige welche kommt, muss sich der Autor ganz schön durch den weiblichen Griesbrei der Nation kämpfen. Wobei man sich manchmal nicht so ganz sicher ist, ob es nicht doch an den Ansprüchen des Suchenden liegt.

Best Ager auf einem entsprechenden Portal zu sein, stellt man sich als Teil der Generation, die ihren Partner noch im Real Life gefunden hat, nicht besonders einfach vor. Aber dieses Buch ist diesbezüglich wirklich abschreckend – dann doch lieber Tanztee. Obwohl, wenn man das Ergebnis der Reise betrachtet, dann hat es sich ja doch irgendwie gelohnt.

Jan Böttcher: Das Kaff

Da schafft man es, sich zu lösen von der piefigen alten Heimat, vergisst regelrecht den kleinen, spießigen Ort, aus dem man stammt und dann zwingt einen der Beruf zurück – man könnte an dieser Stelle bereits fast Mitleid haben mit dem Protagonisten. Der in Designerklamotten gekleidete, ziemlich arrogante Architekt Michael Schürtz hat einen Bauleiterjob in seinem Heimatort erhalten und die Art und Weise, wie die Menschen, die (immer noch) dort leben, ihm näherkommen, seine persönlich gesetzten Grenzen überschreiten und ihn als einen von ihnen behandeln, geht dem Mann zu weit. Zunächst zumindest. Bis er sich wieder dem Fußball mit all seinen Emotionen widmet und sich öffnet – nicht nur für seine eigene Geschichte.

Jan Böttcher hat seine ganz eigene Art, ein Thema anzugehen, das eigentlich nicht einmal wirklich eine Nachricht wert ist und dann doch zum Roman wird. Zum Provinzroman sozusagen. Erstaunlich.

Mercedes Lauenstein: nachts

Nacht für Nacht streift sie durch die Straßen. Ähnlich einer Katze lässt sie sich mal hier, mal da nieder. Klingelt bei Menschen, die noch Licht haben. Macht sie glauben, sie würde forschen. Lässt sich deren Geschichte erzählen, erfährt von Liebeskummer, von gestorbenen Freunden, Umzügen und Schicksalen jeglicher Art. Und von Gründen fürs Wachsein zu Zeiten, in denen andere schlafen. Warum sie den Menschen in ihrer Einsamkeit begegnet, sich selbst in ihnen findet, verrät sie erst mal nicht. Bis sie Alekos Weg kreuzt.

Mercedes Lauenstein, 1988 geboren, arbeitet in der jetzt-Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Ihrem Debüt ’nachts‘ merkt man an, dass es von jemandem geschrieben wurde, der vom Schreiben etwas versteht. Es ist nicht fesselnd, aber es hält einen, man möchte mehr wissen über die Schicksale von Fedora oder Julian, fürchtet sich mit ihr vor Egon und erfährt, warum der eine oder andere die Nacht mag. Oder sich vor ihr fürchtet. Und man verändert seinen eigenen Blickwinkel auf die dunkles Seite des Tages. Fragt sich, was die Nacht für einen selbst bedeutet. Und allein aufgrund dieser Überlegungen ist dieses Buch das Lesen wert.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Nicola Hotel: Jetzt oder Nils

Wer mal wieder so richtig herzhaft über eine gute Story und echten Sprachwitz lachen möchte, der muss Nikola Hotels wirklich gelungenen Roman mit dem witzigen Titel „Jetzt oder Nils“ lesen.

Dabei lädt einen der Anfang des Buches fast dazu ein, es gleich wieder wegzulegen. „Zu kitschig“, denkt man. „Zu weit hergeholt“ und „Schon wieder einer DIESER Romane“. Wenn man dann aber noch ein paar Seiten dabeibleibt, dann wird man richtig belohnt. Auch, wenn die Geschichte selbst nicht die Prickelnste ist (kleine Blumenverkäuferin trifft mächtigen Mann und selbstverständlich und so weiter), Frau Hotel schafft es, sie zu der Geschichte zu machen, die man nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Ein Buch für jede Gelegenheit und eines zum Verschenken. Für alle Frauen, die gern lachen und die sich dabei auch selbst nicht zu ernst nehmen. Und eines, das wieder einmal den guten Riecher des Aufbau-Verlages unterstreicht.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Guillaume Musso: Lass mich niemals gehen

Ethan hat keinen Bock darauf, sein Leben als Arbeiter zu verbringen, nur weil das Schicksal ihm das vorzugeben scheint. Bei einem Ausflug nach New York, den er mit seiner Verlobten und seinem besten Freund Jimmy unternimmt, taucht er von einem Moment auf den anderen unter und beginnt ein neues Leben. Ziemlich erfolgreich. 15 Jahre später hat er in Manhattan eine steile Karriere als Psychologe hingelegt, veröffentlicht zahlreiche Bücher und wird als Lebensberater gebucht. Dass die Frauen dem attraktiven Mitdreißiger zu Füßen liegen, gefällt ihm zwar, aber seine große Liebe Céline, die er auf seinem Weg nach oben getroffen und wieder verlassen hat, kann er nicht vergessen. Als Céline ihn an einem schicksalsträchtigen Tag zu ihrer Hochzeit einlädt und unübersehbar hofft, dass er diese verhindert, versaut es Ethan. Doch er bekommt eine neue Chance. Und nicht nur eine. Er darf den Tag nochmal und nochmal erleben, trifft dabei auf Schicksal und Karma.

Das Muster ist bei Guillaume Musso oft das Gleiche. Der Franzose liebt es, starre Zeitschienen aufzulösen und seine treuen Leser damit immer wieder aufs Neue zu überraschen. Das ist ihm auch diesmal ziemlich gut gelungen. Das Buch ist spannend bis zur letzten Seite. Was nicht zuletzt mit der Rolle eines jungen Mädchens zu tun hat und damit, dass es fast nicht möglich ist, sein Schicksal auszutricksen. Aber eben nur fast nicht möglich.

Wer Lust hat, das Original zu lesen: Es ist 2008 unter dem Titel „Je reviens te chercher“ erschienen.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Karine Tuil: Die Gierigen

Samuel, Samir und die obligatorische Frau in der Runde, Nina, sind eng befreundet. Man könnte fast sagen unzertrennlich. Sie leben dasselbe Leben, haben die gleichen Werte. Samuel und Nina sind ein Paar, Samir derjenige, der die Zweisamkeit ins Wanken bringt. Eine leidenschaftliche Affäre zwischen Nina und ihm zerstört die Harmonie des Trios, nimmt der Jugend die Unbekümmertheit und verändert Leben. Nicht nur einmal, sondern zweimal. Denn Samir, der in Frankreich aufgrund seiner arabischen Herkunft keinen Fuß auf den Boden bekam, und der sich dann die Identität und Geschichte seines ehemaligen Freundes zu eigen gemacht hat um fortan als vermeintlicher Jude Sam seinen beruflichen und privaten Weg zu machen, kommt den beiden, denen es nie gelungen ist, ihren Platz am Rande der Gesellschaft zu verlassen, noch einmal in die Quere. Oder andersherum. Inzwischen hoch dotierter und äußerst angesehener Anwalt in Amerika, verheiratet mit einer einflussreichen Frau aus der High Society, belanglose Affären, zwei wohlgeratene Kinder, erzogen von den Nannys bringt ihn nur eines ins Schwanken – Nina. Denn die taucht plötzlich wieder in seinem Leben auf. Sie und Samuel haben den verschollen geglaubten Freund in einer Fernsehsendung entdeckt und Nina lässt es darauf ankommen. Samuel lässt es geschehen. Kommt erst einmal ein Stein Bewegung, bricht die Lawine los. Und wird von Samirs ungeliebtem Stiefbruder noch so richtig ins Rollen gebracht. Und auch, wenn es sich über 500 Seiten hinzieht, so erstaunt es doch, wie schnell ein scheinbar perfekt auf den Trümmern anderer aufgebautes Leben ins Wanken, Schleudern und Scheitern geraten kann.

Dieser Roman über einen Aufsteiger aus der Pariser Banlieue und die, die dabei auf der Strecke geblieben sind, wurde in Frankreich geradezu als literarische Sensation gefeiert. Und ist harter Tobak in Bezug auf Gesellschaftskritik. Die Autorin macht einen regelrechten Rundumschlag. Nichts bleibt außen vor und doch verzichtet sie, und das dürfte in diesem Fall nicht leicht gewesen sein, komplett auf Klischees. Die Sprache, die sie verwendet und die von Maja Ueberle-Pfaff, die auch bereits Mark Twain und Jules Verne übersetzt hat, nahezu perfekt ins Deutsche übertragen wurde, ist anders als man es von einer Frau in ihrem Alter erwartet hätte. Besonders interessant sind einige Stilmittel, die sie dabei verwendet. Wobei man sich bei dem ein oder anderen durchaus wundert, warum man es nicht selbst schon verwendet/benützt/eingesetzt hat.

Karine Tuil, geboren 1972, studierte selbst Jura, schrieb nebenbei den einen oder anderen Roman und beschäftigt sich derzeit nicht nur mit ihren Kindern, sondern auch mit ihrer Doktorarbeit. Eine Autorin, von der man sicher noch einiges hören wird.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Volkmar Nebe/Ralf Pingel: Träum weiter, Mann

Zwei Autoren, ein Buch. Zwei männliche Protagonisten, eine Frau. Volkmar Nebe und Ralf Pingel haben es wieder einmal aufgenommen mit der Welt der zwei Seiten. Doch jetzt können Männer nicht nur anders, jetzt sind sie mehr als Männer, sie sind Rivalen. Das Objekt ihrer Begierde ist Steff, die ihnen in einem kleinen Hotel an der Ostsee begegnet. Gerald Schöning, der leicht schleimige und von sich selbst ein bisschen zu überzeugte Immobilienmakler und Heiner Deuters, ein etwas farbloser Schriftsteller mit guten Manieren geraten in einen Hahnenkampf um eine Frau, deren Pläne ganz anders aussehen.

Je 14 Mal berichten die jeweiligen Herren von ihrer Jagd nach der schönen Kellnerin, breiten ihre Sichtweise aus, lassen den Leser an ihren Peinlichkeiten teilhaben und versuchen andererseits, sich selbst wieder ins beste Licht zu rücken. In Kapitel 29 kommt dann die Angebetete zu Wort – und die Geschichte nimmt eine reichlich überraschende Wendung, die ein wenig nach gezwungenem Ende aussieht. Davon abgesehen aber ist auch in ‚Träum weiter, Mann‘ den beiden Autoren wieder ein guter Schlagabtausch gelungen.
3.5 Stars (3,5 / 5)

Thomas Sautner: Der Glücksmacher

Sebastian Dimsch hat eine Frau, Nachwuchs und einen Job bei einer Versicherung. Aber warum ist er nicht glücklich? Genau wie Millionen andere in seiner Situation findet er keine Antwort auf diese brisante Frage. Und als seine Chefin ihn degradiert und in einem entfernten Trakt des Unternehmens unterbringt, läuft er bei seiner Suche nach dem Glück zu Hochformen auf, studiert alle Philosophen, beginnt Ratschläge an die Kollegen zu verteilen und prädestiniert sich damit für ein neues Produkt: die Glücksversicherung. Die allerdings ursprünglich lediglich geschaffen wurde, um ihn in sein persönliches Unglück zu stürzen.
Wie das Blatt sich immer wieder wendet und welche entscheidende Rolle Fortuna dabei spielt, erschließt sich dem Leser erst im Lauf der Lektüre, die vielleicht nicht glücksbringend erhellend, aber immerhin heiter ist. Und wie sagt man in Japan so schön: Glück kommt denen zu, die lachen.

Der Autor schafft es, den Leser bei der Stange zu halten. Es hat irgendetwas, dieses Buch. Nur leider kann man nicht so genau sagen, was es ist. Thomas Sautner ist noch nicht alt, verfügt aber mit über 40 über genug Lebenserfahrung, um ein Buch wie dieses zu schreiben. Der Österreicher ist ursprünglich Journalist und hat bereits mehrere Romane veröffentlicht.
3.8 Stars (3,8 / 5)