Christiane Tilly, Anja Offermann und Anika Merten: Mama, Mia und das Schleuderprogramm

Das Leben mit einem psychisch kranken Menschen, speziell einem Borderliner ist die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle, auf die man mitgerissen wird. Ist das für Freunde oder Partner schon wirklich schlimm, so ist das für ein Kind völlig unverständlich. Und teilweise auch sehr verletzend. Seelisch gesehen. Dieses kleine Büchlein vergleicht den Borderline-Zustand mit einer Waschmaschine, in der Gefühle, Gedanken, Ängste und Wünsche im Schleuderprogramm durcheinanderwirbeln.

Kinder brauchen Erklärungen, um sich nicht schuldig zu fühlen an der Situation. Entlastung und Ermutigung sind genauso wichtig wie altersgerechte Information. Kriterien, dieses Buch von Christiane Tilly und Anja Offermann.

Ein Titel, nicht nur für die Arbeit in Praxen und Kigas, sondern für alle, die nicht wegsehen und erkennen, wie wichtig es ist, ein Kind wie Mia emotional aufzufangen und ihm den Halt zu bieten, den der psychisch kranke Elternteil nicht geben kann.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Véronique Witzigmann: Kochen ist hipp

Wem man ein Baby hat, dann interessiert man sich, vor allem wenn es das erste ist, ganz besonders für das Thema Ernährung. In Null Komma Nix ist man plötzlich ein Spezialist für Pastinake und Co. Und ein paar Monate später weiß man dann nicht, wohin mit all den ungegessenen Gläschen. Da kommt ‚Kochen ist hipp!‘ genau richtig.
Ausgefallenes aus den berühmten Gläschen
Als Tochter des Starkochs Eckart Witzigmann weiß Veronique Witzigmann, wovon sie spricht und als alleinerziehende berufstätige Mutter kennt sie Zeit- und Organisationsprobleme aus eigener Erfahrung. Warum es sich dann nicht einfach machen und kochen mit einem Bestandteil, der super kontrolliert und extrem bio ist – mit Babykost! Da kann man tatsächlich ganze Menüs mit kochen. Und Dinge mit Namen wie ‚Chicorée-Schiffchen mit Pastinaken-Crème‘, ‚Gratinierte Jakobsmuscheln‘ oder ‚Entenragout mit Tagliatelle‘ zaubern. Was solche Gerichte allerdings mit Familienalltag zu tun haben, eröffnet sich der geneigten ‚Hausfrau‘ und Mutter nicht gleich. Aber man findet ja auch einfachere Dinge wie ‚Pizza à la Hipp‘ oder ‚Quick-Quiche‘ und dabei durchaus Rezepte, die ihren Reiz haben und auf jeden Fall für Gesprächsstoff am Küchentisch sorgen, wenn man bekennt, womit man gekocht hat. Auf jeden Fall ein schönes Kochbuch, mit gelungenen und ansprechenden Bildern und eine prima Idee auch zum Verschenken.
Ein Kochbuch sollte auch ein Kochbuch sein
Etwas einfacher kocht man mit dem Kinderkochbuch ‚Heute koch ich selbst!‘, das mit ein paar ziemlich praktischen Rezepten, ausgefallenen Namen und einem berühmten Koch aufwartet. Dafür aber leider ein paar Süßspeisen zu viel vorweist. Vielleicht hätten sich die Autoren vorher einigen sollen, ob sie denn nun ein Koch- oder ein Backbuch kreieren wollen, denn Apfelkuchen, Käsekuchen, Bananen-Muffins und Schokokuchen haben in einem Kochbuch eigentlich wenig zu suchen. Egal ob für Kinder oder nicht.

Véronique Witzigmann: ‚Kochen ist hipp! 70 raffinierte Rezepte‘ erschienen bei Jacoby & Stuart im Februar 2011, Preis 16,95 Euro – ISBN-13: 978-3941787346
Sylvi Egert, Anke Erdmann und Katharina Menke: ‚Heute koch ich selbst! Das Kinderkochbuch – Mit Tim Mälzers Bolorezept‘, erschienen ebenfalls bei Jacoby & Stuart im September 2010, Preis 12,95 Euro – ISBN-13: 978-3941787117

Maureen Johnson: Teuflisch

Die Jagd auf die menschliche Seele: ein Thema, das nie langweilig wird. Schließlich sind den Phantasien diesbezüglich keine Grenzen gesetzt. Mit ‚teuflisch‘ ist Maureen Johnson ein Jugendbuch gelungen, das spannend, packend und cool aufgebaut ist.

„Es spielt keine Rolle, wie alt du bist, wenn du stirbst, hat man mir gesagt. Wenn du stirbst, ist es eben an der Zeit zu sterben. Man hat mir auch gesagt, mein Leben sei nur ein geringer Preis.Für Allison habe ich ihn gern gezahlt.“

Allison ist Janes beste Freundin. Wobei die beiden unterschiedlicher kaum sein könnten. Jane ist nicht gerade megabeliebt, aber sie weiß sich durchzusetzen. Was sie auch nach außen hin durch ihre Kleidung und ihre große Klappe zu unterstreichen versteht. Allison dagegen ist das geborene schwarze Schaf der Schulfamilie. Sie ist keine Schönheit und weiß sich auch nicht besser zu verkaufen – ein perfektes Opfer. Nicht nur für Spott und Häme, sondern auch für die Abgesandte der Hölle, die in Form von Lanalee in Allisons Leben tritt und zunächst wie eine Wohltäterin erscheint. Ally leidet so sehr, dass sie ihre Seele für ein bisschen Beliebtheit verkauft.
Jane merkt schnell, dass etwas faul ist und gemeinsam mit Owen, einem Wiederauferstandenen und Bruder Frank, ihrem Mathelehrer, nimmt sie den Kampf mit den Dämonen auf.

Wer jetzt eine Geschichte à la Buffy erwartet, ist schief gewickelt. Denn Maureen Johnson hat eine Story gestrickt, die in sich absolut stimmig ist, ohne völlig abgedroschen zu wirken. Sie versteht es, immer wieder Überraschungsmomente einzubauen und der Phantasie freien Lauf zu lassen. So manches Mal lebt ihr Roman eher von Andeutungen denn von Gewissheiten. Ein gelungenes Stück Jugendliteratur – absolut lesenswert nicht nur für die junge Generation.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Dagmar Geisler: Miss Pim als Superstar

Leseratten dürften sie vielleicht schon kennen: die kleine kesse Dame namens Miss Pim. Kaum größer als eine Playmobilfigur, weiß die vornehme ältere Frau genau, was sie will. Täglich ein Schaumbad, regelmäßig feinsten englischen Tee und natürlich eine höfliche und zuvorkommenden Behandlung.

Und die bekommt sie in der Regel auch und zwar von Karolina, die sich um sie kümmert. Eigentlich hatte sich Karolina ja einen Kobold gewünscht, so einen wie Pumuckl, aber jetzt findet sie das Leben mit Miss Pim ebenfalls ziemlich spannend. Doch eines Tages ist die kleine Dame verschwunden und taucht kurze Zeit später auf der Schulter des Nachrichtensprechers im Fernsehen wieder auf. Wie Miss Pim da hingekommen ist, was sie dort alles erlebt und wie Karolina und ihre Freunde sie retten – das ist Inhalt von „Miss Pim als Superstar“.

Dieses Frollein, das Karolinas und nicht nur deren Leben total auf den Kopf stellt, ist goldig. Man kann sie sich, so wie die Autorin Dagmar Geisler sie beschreibt, ganz genau vorstellen. Und letztendlich ist sie so, wie feine ältere Damen meistens sind: absolut cool.

Dagmar Geisler ist nicht nur Schriftstellerin, sie ist auch Illustratorin und zwar eine ziemlich bekannte. Eine große Zahl von Bilderbüchern ist unter ihrer Feder entstanden. Aber am schönsten sind eigentlich die Bücher, bei denen sie beide Seiten ihres beruflichen Ichs ausleben kann. So wie bei Miss Pim.

Dieses Buch eignet sich wunderbar zum Vorlesen, ist aber auch für lesegeübte Grundschüler durchaus eine Herausforderung, die zu meistern ist.
2.5 Stars (2,5 / 5)

Jessica Gregson: Die Engelsfrauen

Noch keine dreißig und Jessica Gregson war bereits Beraterin für das Britische Innenministerium, engagierte sich in Aserbaidschan und ist heute im Auftrag der UN auf humanitären Pfaden im Südsudan unterwegs. Und so ganz nebenbei hat sie einen Roman geschrieben, der das Zeug zum Bestseller hat.

Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein kleines, abgeschiedenes und ärmliches Dorf namens Falucska irgendwo in Ungarn. Außenrum nichts als Steppe. Puszta. Mittendrin oder doch besser am Rand der kleinen Gesellschaft lebt Sari Arany. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, ihr Vater, als sie vierzehn war. Er war ein Heiler, ein angesehener Mann. Sari hat seine Fähigkeiten geerbt, viel von ihm gelernt und wird doch verachtet, weil sie anders ist, anders als die anderen. Das zweite Gesicht prägt ihr Leben. Solange sie denken kann, wurde sie von Getuschel begleitet. Das Mädchen kommt nach dem Tod des schützenden Vaters bei Judit unter, der gefürchteten aber in Ermangelung einer anderen Person mit medizinischen Kenntnissen, auch geachteten Hebamme.

Saris Mutter war eine beliebte Frau im Dorf gewesen und ihre Familie fühlt sich Sari irgendwie verpflichtet. Ihr angesehener Cousin Ferenc soll ihr Mann werden. Nicht gerade eine rosige Zukunft, aber immerhin überhaupt eine.

Doch dann kommt der Krieg und mit ihm gehen die Männer. Das Dorf bleibt in weiblicher Hand zurück. Die Karten werden neu gemischt, die Frauen arrangieren sich miteinander, verändern ihre Verhaltensweisen. Sie sind nicht nur zufrieden, sie sind glücklich. Und sie sind noch glücklicher, als eine Gruppe charismatischer italienischer Kriegsgefangener in der Nähe untergebracht wird. Die Jahre, in denen ihre eigenen Männer weit weg von zuhause leiden, lassen die früher oft geschundenen und missbrauchten Frauen von Falucska aufleben. Doch irgendwann ist der Krieg vorbei, die Männer kehren zurück, psychisch und physisch geschädigt und die alten Rechte einfordernd. Doch die Frauen sind nicht mehr bereit, zurückzustecken. Und mit Saris und Judits Hilfe lässt ein Mann nach dem anderen sein Leben…

„Die Engelsfrauen“ ist ein Roman, der von der ersten bis zur letzten Seite packend ist. Den Leser hineinzieht in die ungarische Steppe. Man spürt den Staub auf der Haut, die Einsamkeit, die Trostlosigkeit. Und man spürt die Verzweiflung der Frauen, die irgendwann in Leichtsinn und Übermut umschlägt und damit zur Unvorsichtigkeit führt.

Das Buch soll auf wahren Begebenheiten basieren, die allerdings laut Autorin stark abgewandelt und fiktionalisiert wurden. Die von Jessica Gregson gewählte Sprache ist einfach, die Geschichte in sich schlüssig und rund. Eingefasst in Prolog und Epilog, wobei das Ende der Fantasie freien Lauf lässt. Viel Roman, ein bisschen Krimi und ein guter, aber nicht übertriebener Spannungsbogen.

Das Buch ist im Original 2006 in England erschienen. Die direkte Übersetzung des Titels „The Angel Makers“ hätte im Deutschen zur Verwirrung geführt. Anzunehmenderweise der Grund für die Übersetzerin Annette Wetzel, sich für Engelsfrau statt Engelmacherin zu entscheiden. Die deutsche Ausgabe ist seit September 2007 bei Kindler zu haben.

Und auch ihr nächstes Buch, an dem die Autorin gerade arbeitet, wird sich wieder mit Außenseitern beschäftigen, wieder auf wahren Begebenheiten beruhen und wieder während des Ersten Weltkriegs spielen. Diesmal allerdings inmitten von türkischen Einwanderern in Australien. Man darf gespannt sein, ob Jessica Gregson ihren Level halten kann.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Nicholas Allan: Wohin will Willi?

Willi, die kleine Samenzelle wohnt im Körper von Herrn Braun. Da wohnt er nicht alleine, da wohnen noch 300 Millionen andere. Die alle fleißig üben für das große Wettschwimmen. Wer gewinnt, ist klar. Ein Baby entsteht, ein kleines Mädchen wird geboren. Doch wo ist Willy geblieben?

Es gibt einige Bücher auf dem Markt, die sich daran versuchen, Kindern bildlich zu veranschaulichen, wie das so ist mit den Bienen und den Blüten und wo die Kinder eigentlich wirklich herkommen. Doch es gelingt bisher keinem so charmant wie diesem. Der Autor arbeitet dabei ein bisschen mit Elementen, die man aus der Sendung mit der Maus kennt und die komplizierten Dingen etwas ganz Unkompliziertes geben. Und er arbeitet mit Humor. Und das betrifft nicht nur die Geschichte, sondern auch die wirklich putzigen Zeichnungen.
5.0 Stars (5,0 / 5)