Kathrin Weßling: Super und dir?

Marlene Beckmann ist 31 Jahre alt und genau so, wie eine Frau in diesem Alter in unserer Gesellschaft sein soll: schön und gepflegt, strebsam, erfolgreich, immer online und vor allem: immer gut drauf.
Dass nur die wenigsten das wirklich erfüllen und die meisten mit einer Fassade leben, die es gilt, mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten, das verrät sie nur in diesem Buch. Die Protagonistin zeigt schonungslos ehrlich, wie sie sich mit der Hilfe aller möglichen Substanzen am Laufen hält, was das mit ihr und ihrer Beziehung macht und was es bedeutet, den Traumjob halten zu müssen.

Es ist ein bisschen schwer zu lesen, dieses Buch. Nicht, weil der Stil schlecht wäre, das ist er nämlich nicht, sondern eher, weil man denkt, dass es doch durchaus wichtigere Dinge gibt als sich mit den Problemen der Marlene B. zu beschäftigen. Und dass es auch für Marlene B. durchaus wichtigere Dinge geben sollte, als sich im Selbstmitleid zu suhlen – sie könnte sich zum Beispiel am eigenen Schopf packen und aus dem Dreck ziehen. Man möchte hingehen, das Mädchen schütteln und ihr sagen, dass es durchaus Sinn machen kann, mal auf die innere Stimme zu hören und dass Karriere und Twitter nicht alles im Leben einer jungen Frau sein sollten.
Die Autorin ist übrigens im „echten“ Leben eine gefragte Social-Media-Redakteurin. Wen wundert’s?

Wolfgang Schweiger: Duell am Chiemsee

Frank Janek war mal Mitglied einer berüchtigten Motorradgang und hat einige Vorstrafen auf dem Buckel. Ein Gefängnisaufenthalt hat ihm gutgetan, er ist inzwischen raus aus der Szene und hat sich eine Karriere als Schauspieler aufgebaut. Doch plötzlich taucht sein totgeglaubter Ex-Komplize Markus Bosch wieder auf und hat nichts Besseres zu tun als ihn zu erpressen. Janek lässt sich darauf ein und beteiligt sich an einem Überfall auf einen Drogenkurier. Doch die Sache geht gründlich schief und das Leben des Neustars geht mega den Bach runter. Denn plötzlich muss er einen nach dem anderen beseitigen, um nicht aufzufliegen bzw. um selbst zu überleben, kommt kaum nach damit und zusätzlich schlägt er sich noch herum mit einer misstrauischen Polizistin. Doch er kämpft sich durch.
Dieser Krimi ist kein Krimi. Er ist überhaupt nicht spannend, an keiner Stelle überraschend, eher ein Buch, bei dessen Lektüre man aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt. Nur ein Beispiel: Frank Janek gelingt es, die Überreste einer äußerst blutige Auseinandersetzung in seinem Wohnzimmer innerhalb kürzester Zeit so zu beseitigen, dass die Spurensicherung ins Leere läuft. Klaaar.

Dabei ist Wolfgang Schneider für seine guten Stories eigentlich bekannt, er ist Drehbuchautor für Serien wie „Der Fahnder“ oder „Soko 5113“ und es ist auch bei Weitem nicht der erste Chiemgau-Krimi mit dem Ermittlerduo Gruber/Bischoff.
1.0 Stars (1,0 / 5)

Maureen Stewart: Speed

Clay hat mit Drogen nichts am Hut. Schon deshalb nicht, weil seine Mutter säuft und ihm das schon genug auf die Nerven geht. Bis Clay sich in Carrie verliebt. Carrie ist anders als die anderen Mädchen. Nicht so oberflächlich, findet Clay. Seitdem er in Bio neben ihr sitzt, kann er kaum anders, als ihre Sommersprossen zu zählen. Doch eines Tages hört er ein Gespräch mit zwischen Greg, dem Schuldealer und seiner Angebeteten. Und das, was er kaum glauben kann, wird schnell zur Gewissheit. Carrie dealt. Nicht so skrupellos wie Greg, aber auch sie verkauft Drogen an andere Schüler. Durch seine Liebe zu dem Mädchen wird Clay immer mehr mitgezogen. Probiert hier mal und da, ändert seine Meinung über das, was cool ist und als Carrie auch noch mit ihm zum Schulball gehen will, ist er der glücklichste Junge der Welt. Glaubt er. Doch dann kommt alles anders.

Dieses Buch lässt weder ein Klischee noch eine der gängigen Drogen aus. Es wird gekifft, gezogen und geschluckt, was das Zeug hält. Kein Wunder, dass es da einen nach dem anderen wegbeamt. Ein bisschen übertreibt sie schon, die Autorin, aber letztendlich versucht sie ja auch nichts anderes, als den Sog zu beschreiben, in den man geraten kann, ohne es richtig zu merken. Schön der Nebenstrang mit Sivesh, Clays bestem Freund und dessen Zerrissenheit im Rahmen der Loyalität.

Maureen Stewart hat sich eines Themas angenommen, das viele Jugendliche beschäftigt: Drogen und wie soll man damit umgehen, wenn sie als cool gelten. Sie ist nicht so jung, diese Autorin, wie man denken würde, wenn man ihr Buch „Speed“ liest. Aber sie ist am Puls der Zeit geblieben. Mrs Stewart ist Australierin, hat über zwanzig Jahre lang unterrichtet und in dieser Zeit galt ihr Interesse den Problemen und Gefährdungen, mit denen Jugendliche heutzutage zu kämpfen haben. Ihr Ziel: Denkanstoß und Hilfestellung geben. Und das ist ihr mit diesem Buch über die Verlockung durch Drogen – zu dem es übrigens auch Unterrichtsmaterialien gibt – schon gelungen.
2.7 Stars (2,7 / 5)

Jörg Fauser: Der Schneemann

Dem halbseidenen Kleinkriminellen Siegfried Blum fallen mehr oder weniger durch Zufall fünf Pfund Kokain in die Hände. Er versucht es loszuwerden. Anfangs zu einem guten Preis, irgendwann überhaupt. Doch der „Schneemann“ hat dabei nicht wirklich viel Glück.

Malta, Frankfurt, Amsterdam – das sind noch lange nicht alle Stationen, auf denen der Hörer Herrn Blum begleiten kann. Überall versucht er sein Glück und nirgendwo findet er es. Weder emotional noch finanziell. Dieser knapp 40-jährige Typ, der versucht, ein bisschen am Wohlstand mitzumischen und doch immer wieder nur in heruntergekommenen Hotelzimmern landet und von billigen Frauen flankiert ist, kann einem irgendwie leid tun. Er erinnert an diesen ganz speziellen selbstgefälligen und schmierigen Typ mittleren Alters, der noch nicht erkannt hat, dass das Leben ihn links liegen gelassen hat und der im Brustton der Überzeugung in einem schlecht sitzenden Anzug und mit etwas zu viel Promille im Blut stets verkündet, das Leben hätte ihn auf der Sonnenseite gebettet.

Der Schneemann fühlt sich im Laufe der Zeit verfolgt, ist sich nicht sicher, ob seine Paranoia dem Genuss des weißen Pulvers oder der realen Bedrohung entspringt. Setzt auf falsche Pferde und merkt nicht, dass er von Anfang an nur eine Spielfigur im Leben anderer war.

Der Autor Jörg Fauser, 1987 an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben, hatte mit dem Roman „Der Schneemann“ seinen literarischen Durchbruch. Ich persönlich habe weder das Buch gelesen noch den Film gesehen. Ich kenne nur das Hörbuch, aber nachdem es sich um eine ungekürzte Fassung handelt, macht das wohl kaum einen gravierenden Unterschied. Sprecher Heikko Deutschmann ist professionell wie immer – wobei das „wie immer“ hier der Knackpunkt ist, denn auf Dauer ist es ziemlich langweilig, grundsätzlich die gleichen Stimmen im Hörbuchbereich zu verwenden. Aber am Sprecher lag es nur bedingt, dass mich das Werk nicht ganz überzeugen konnte. Ganze sechs CDs lang – und das ist lang! – hab ich mich gefragt, wann die Geschichte ein bisschen an Tempo gewinnt. Und das, obwohl die jeweiligen Milieustudien gut gelungen sind: Hier hat man tatsächlich teilweise das Gefühl, die schmierige Gesellschaft eines pornosüchtigen Pakistanis ertragen zu müssen, die Gedanken Blums direkt einzusaugen oder seine billigen Gespielinnen riechen zu können. Auch die immer wieder auftauchenden überzogenen Krimi-Elemente und die Grundtraurigkeit, die die Hauptfigur umspielt, sind gelungen. Doch trotzdem: Ich hatte mir von einem so hochgelobten Werk mehr erwartet. Viel mehr.
1.9 Stars (1,9 / 5)