Janie Bynum: „Das Plapperküken“

Kennen Sie auch so ein Kind, das den ganzen Tag redet? Und das, wenn ihm keiner (mehr) zuhören kann, einfach mit sich selbst weiterquasselt? Ohne Punkt und Komma? So ein Exemplar ist auch das kleine süße Plapperküken, dessen Schnabel einfach nicht stillstehen will oder kann und das seinen Eltern und Geschwistern mit seinem Dauergepiepse ziemlich auf den Geist geht. Jeder schickt das kleine Küken woandershin. Was es sich allerdings nicht besonders zu Herzen nimmt. Erkundet es eben alleine die Welt. Und findet dabei einen wahren Schatz …

Ein Bilderbuch zum Hinknien. Ganz einfach gehalten, aber mit so viel Humor geschrieben, dass jedes menschliche Plapperküken sich sofort wiedererkennt und so ganz nebenbei auch noch lernt, über seine kleine Macke zu lachen. Prädikat wertvoll.

Sonja Danowski: Im Garten mit Flori

Linns Opa muss ins Krankenhaus. Doch wer soll sich denn jetzt um seine vielen Blumen im Garten und das Gemüse im Gewächshaus kümmern? Kein Problem, das übernimmt Linn – schließlich hat sie sich immer alles genau aufgeschrieben, was Opa über seine Pflanzen gesagt hat. Gemeinsam mit ihrem Hund Flori und ihrer Freundin Emi gießt sie, hegt und pflegt und sammelt die verflixten Schnecken ein, um sie dort wieder auszusetzen, wo sie keinen Schaden anrichten können. Doch dann finden die kleinen verfressenen Tierchen ihren Weg ins Gewächshaus und fressen genau an dem Tag, an dem Opa aus dem Krankenhaus entlassen wird, alles nieder. Doch wie sind sie reingekommen? Flori!

Diese Art von Bilderbuch muss man mögen, denn so wirklich bilderbuchalterkindgerecht ist sie nicht, wirkt mit ihren detailgenauen und sehr realistischen Zeichnungen antiquiert, unterstrichen noch durch die nicht wirklich immer altersangepasste Sprache. Aber gerade das kann auch den Charme eines Bilderbuchs ausmachen: Dass es eben nicht so ist, wie alle anderen und damit dem kleinen Leser die große Vielfalt auf dem Büchermarkt erst so richtig eröffnen kann.

Valeri Gorbachev: Die gute Pute

Die Pute auf dem Bauernhof ist unzufrieden. Sie findet keine Freunde, hat an jedem etwas auszusetzen und fühlt sich allein. Der Hahn ist ihr zu laut, die Ziege zu gefährlich, das Schwein zu missmutig, die Henne zu sehr mit ihren Küken beschäftigt. Egal, denkt sich die Pute, such ich mir halt woanders Freunde. Am Teich angekommen, betrachtet sie ihr Spiegelbild und findet sich richtig toll. Wenn man so gut aussieht und so phantastisch ist, warum will denn dann niemand ihr Freund sein? Als der Fuchs auftaucht und ihr anbietet, sozusagen gemeinsam Abend zu essen, will sie das lieber nicht. Der Fuchs versucht sie in den Wald zu zerren und gerettet wird sie von … ja, von echten Freunden. Die es ihr verzeihen, dass sie sich vom Hochmut hat blenden lassen.

Natürlich sollte man sich seine Freunde gut aussuchen. Sie sollen ja möglichst ein Leben lang bleiben. Und natürlich sollte man auch selbst ein guter Freund sein, denn sonst tun sie genau das nämlich nicht. Aber manchmal gilt es zweimal hinzusehen, ob sich nicht doch ein guter Freund da verbirgt, wo man es gar nicht vermutet hat.

Renata Calindo: Meine neue Mama und ich

[aartikel]3314103948:left[/aartikel]Wenn man das erste Mal zu einer neuen Mama kommt, dann mischt sich Neugier mit Verzweiflung, Angst mit Hoffnung. So geht es auch dem Protagonisten dieses Buches, der jetzt zum ersten Mal ein eigenes Zimmer hat, zum ersten Mal jemanden hat, der ihm zuhört und sich um ihn wirklich mit Achtsamkeit kümmert. Dass die neue Mama ihm nicht ähnlich ist, macht ihm nur anfangs zu schaffen, dass er sie manchmal nicht mag und oft ganz plötzlich traurig wird, ist auch nicht einfach – aber so langsam kommt er an und beide lernen, eine Familie zu sein.
Pflegekinder sind ein Thema, das relativ selten Eingang findet in die Bilderbuchwelt. Gerade deswegen ist es so schade, dass es diesem Buch nicht gelingt, den traurigen Schleier des Themas abzuwerfen. Die Bilder sind in ihrer Einfachheit und Farbwahl regelrecht bedrückend. Auch wirft es viele Fragen auf, die so nicht beantwortet werden. Wenn man bedenkt, dass eben nicht jeder eine Mama hat, die ihm vorliest und dabei die Welt erklärt, dann wäre es unter diesem Aspekt angebracht, die Geschichte entweder anders aufzubauen oder, wie in vielen anderen Büchern zu Problemthemen auch, das Thema Pflegeltern noch einmal kindgerecht auf ein paar Extraseiten zu erklären.

Andrej Usatschow und Anke Faust: Bin ich anders?

[aartikel]3314100787:left[/aartikel]Ein Schnabeltier, das in Europa lebt, das hat es nicht einfach. Es sieht aus wie ein Maulwurf, hat einen Entenschnabel und legt Eier. Die anderen Tiere wollen nichts mit ihm zu tun haben, machen sich lustig über sein Aussehen und versuchen es gar soweit zu bringen, dass es sich etwas antut. Egal, was das Schnabeltier probiert, es ist und bleibt unbeliebt und ausgestoßen. Zuerst vergräbt es sich, taucht nur nachts im Fluss nach Würmern und Krebsen. Doch dann beschließt es irgendwann verzweifelt, vor der Situation davonzulaufen – bis ans Ende der Welt. Doch als es da ankommt, erwarten das kleine Schnabeltier eine ganze Menge Überraschungen.

Mal abgesehen davon, dass die Übersetzerin Simone Peil einen massiven Grammatikfehler eingebaut hat, der auch dem Lektorat entgangen zu sein scheint und mal abgesehen davon, dass so etwas bei einem Bilderbuch eigentlich nicht passieren sollte: Das Buch ist klasse. ‚Bin ich anders?‘ zeigt sehr schön, wie einsam und verzweifelt sich Menschen fühlen, die von anderen gemobbt werden, die keine Freunde finden und niemanden haben, dem sie sich zugehörig fühlen können. Der in Russland ziemlich bekannte Autor Andrej Usatschow hat die Angst und das Misstrauen des kleinen Tieres bei seiner Ankunft in Australien mit wenigen Worten eingefangen, perfekt unterstrichen durch die raffinierten Illustrationen von Anke Faust. Das Wort Toleranz bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

‚Bin ich anders?‘ ist ein Bilderbuch. Allerdings eines, das nicht nur die eigentliche Zielgruppe anspricht, sondern sich an jede Altersgruppe wendet. Es eignet sich als optimale Grundlage für Gespräche zum Thema Mobbing. Im Unterricht, aber sicher auch schon im Kindergarten.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Linda Wolfsgruber: Fisch!

[aartikel]3314103395:left[/aartikel]Dass die Bilderbücher aus dem Nord-Süd-Verlag nicht zum Mainstream gezählt werden können, ist nichts Neues. Und dieses hier reiht sich ganz typisch in die von dort herausgegebenen Titel ein. Mit ‚Fisch!‘ ist der Autorin ein Buch gelungen, das fast ausschließlich durch seine Bilder lebt. Wobei diese sich erst auf den zweiten Blick enorm voneinander unterscheiden. Es geht um eine kleine Otterbande, die sich gezielt auf einen großen Fischfang vorbereitet. Wasser bereitstellt, Gewürze sammelt und sich voller Vorfreude aufmacht, den dazugehörigen Fisch zu fangen. Aber dann kommt alles anders…

Zum Vorlesen ist dieses Bilderbuch kaum geeignet, es sind mehr Ausrufe als Sätze, auf die Linda Wolfsgruber hier zurückgreift. Dafür eignet es sich umso besser, um sich lange mit den Bildern und ihren Aussagen zu beschäftigen. Und mit diesem unerwarteten Ende, das gerade kleinere Kinder entzücken und trösten wird.
3.5 Stars (3,5 / 5)

Annette Langen/Anne-Kathrin Behl: Graciella will ein Einhorn sein

[aartikel]3314102968:left[/aartikel]Allein der Titel und das niedliche Nashornmädchen vorne drauf versprechen ein lustiges Bilderbuch über die Eitelkeit, über das Finden dessen, was zu einem passt und Träume, die man sich verwirklichen kann, wenn man nur richtig will. Egal, wie aussichtslos die Situation erscheint.

So denkt man, wenn man dieses Bilderbuch in die Hand nimmt – und wird dann leider total enttäuscht.
Zum einen ist es zu wenig Text und dieser ist sozusagen unvorlesbar, ein absolutes No-Go bei einem Bilderbuch, und dann ist Graciella nicht nur ein fürchterlich vorlautes Gör, die Geschichte nimmt auch noch eine sehr unschöne Wendung. Es soll ein Buch sein über das Selbstständigwerden, über den Mut, den man braucht und über die Macht des inneren Glauben. Aber Annette Langen, die Mutter des berühmten kleinen Hasen Felix, hat hier deutlich daneben gegriffen. Und auch die Illustrationen verlieren zunehmend, sozusagen von Seite zu Seite mehr, an Charme. Ein Bilderbuch, von dem man leider sagen muss: Absolut nicht zu empfehlen.
0.5 Stars (0,5 / 5)

Drew Daywalt/Oliver Jeffers: Der Streik der Farben

[aartikel]331410359X:left[/aartikel]“Wir müssen reden“ ist ein Satz, den keiner von uns gerne hört. Denn in der Regel bedeutet er nichts Gutes. Wenn der Satz dann gleich mehrfach von allen Seiten kommt, dann muss man sich echt was einfallen lassen. So geht es Duncan gerade, dem vonseiten seiner Buntstifte ein ziemlicher harter Wind entgegenweht. Das Beige beschwert sich, dass es dauernd „senfgelb“ oder „hellbraun“ genannt wird und nie auch mal einen Bären malen darf wie das Braun, sondern höchstens mal doofes Getreide. Das Grau ist völlig überarbeitet, weil alle grauen Tiere, wie Elefanten oder Nashörner, so immens groß sind, das Rot hat viel zu viel zu tun, sogar in den Ferien muss es Weihnachtsmänner und Ähnliches malen, das Pink hat auch mal Bock auf Drachen und das Grün ist zwar grundsätzlich mit dem Malen von Drachen zufrieden, ist aber höchst genervt vom Streit zwischen Gelb und Orange, wer denn nun Duncans Sonnenfarbe sei. Aber kein Problem für einen kreativen Jungen…

Dieses Bilderbuch verdient tausend Preise. Die Idee ist wirklich genial und die Umsetzung, man kann es nicht anders sagen, total putzig. Man hat richtig Mitleid mit den Stiften, vor allem dem nackten Rosa. Es gibt Bilderbücher, die eignen sich nicht nur für Vorschulkinder, sondern die werden auch von den Großen geliebt und dieses ist eines davon. Chapeau!
5.0 Stars (5,0 / 5)

Rafik Schami: Der Schnabelsteher

[aartikel]3314101651:left[/aartikel]Rafik Schami ist einer der besten Autoren, die Deutschland heute zu bieten hat. Und sein aktuelles Kinderbuch „Der Schnabelsteher“ ist eines der herausragendsten Werke des Jahres 2013.

Auf einem alten Walnussbaum lebten einst viele Raben – so beginnt das Buch, das die Geschichte eines kleinen Vogels erzählt, dessen Vater das Opfer eines Adlers wurde und dessen Mutter ihn nun alleine aufzieht. Und ihn deswegen auch oft alleine lassen muss. Doch anstatt Solidarität von den anderen Rabenmüttern zu erfahren, schimpfen diese nur über den Jungen, der immer wieder aus dem Nest klettert, um mit den anderen zu spielen. Sie sind gemein zu ihm und die einzige, die ihn tröstet, ist Mama. Doch der Kleine wird von Tag zu Tag selbstständiger und kommt auf immer irrwitzigere Ideen, seine Zeit zu verbringen. Unter anderem perfektioniert er das Schnabelstehen – tief beneidet von seinen Freunden, die das auch gern könnten, denen ‚solche Flausen‘ aber schnell ausgetrieben werden. Doch als Mini-Rabe dann auch noch die Daseinsberechtigung des Vogelkönigs anzweifelt und dem eitlen Pfau Paroli bietet, wandelt sich das Blatt.

Diese Geschichte über einen kleinen Rabenjungen, der so viel Mut hat, seinen eigenen Weg zu gehen und der von seiner Mama in einer kalten Welt so viel Liebe erfährt, dass er mühelos diesen Mut aufbringt, ist rührend. Und sie öffnet die Augen. Für Kinder, die es im Leben nicht leicht haben, weil ihre Eltern einen dornigeren Weg gehen müssen, als andere. Die aber umso mehr von deren Liebe profitieren.
4.7 Stars (4,7 / 5)