Huppertz/Ryans: Herr Hepperlin und die vergessenen Schuhe

Schuster sterben aus. Sie machen bestenfalls heute Schlüssel nach, pappen Sohlen auf industriell gefertigte Massenware und verkaufen Schnürsenkel – so wie Bents Vater. Doch einen Kunden hat er noch, der Wert legt auf maßangepasste Schuhe: Herr Hepperlin. Er kommt regelmäßig mit seinen Schuhen vorbei. Und immer bringt er Bent ein Stück Eiskonfekt mit, aus dessen Papier dieser dann bunte Sterne bastelt.

Doch eines Tages, es wird schon langsam Winter, wundern sich Bent und sein Vater. Wo bleibt nur Herr Hepperlin? Es dauert nur Tage, bis sie sich richtig Sorgen machen. Der Vater telefoniert nach, sie gehen zur Wohnung des alten Mannes … nichts. Doch da hat Bent eine Idee …

Dieses Bilderbuch handelt von alten Werten: Verlässlichkeit, Vertrauen, Sicherheit und dem Kümmern umeinander. Und damit von Werten, die gerade in Zeiten wie diesen wieder auftauchen.

Eierlikörtage: Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 1/4 Jahre

[aartikel]386952328X:left[/aartikel]Eins mal vorweg: Das ist eines der besten Hörbücher seit Langem. Und das ist wirklich ein Buch, das man hören sollte. Denn die Art und Weise, wie von Felix von Manteuffel den grummeligen Hendrik verkörpert, ist einfach unbeschreiblich.

Eigentlich passiert ja gar nichts Spektakuläres, was fast schon wieder das Geniale daran ist. Was soll auch schon groß passieren in einem Altenheim der Mittelklasse. Hendrik beschließt trotzdem ein Jahr lang Tagebuch zu schreiben und dabei darauf zu hoffen, dass er den nächsten Frühling noch erlebt. Umso mehr erstaunt es ihn, dass er nicht nur diesen, sondern auch noch seinen persönlichen zweiten oder dritten Frühling erleben darf. Sein bester Freund, eine coole Socke, wie man sie definitiv selbst gern zum Freund hätte, vor allem in dem Alter, dessen Hund und Hendrik sind an sich schon ein gutes Gespann. Aber als noch ein paar andere dazukommen, die keine Lust auf grässliche Kekse haben, die sie in Tee tunken sollen, wird der Club Alanito gegründet: Alt, aber nicht tot. Jedes Gruppenmitglied – und die Aufnahmekriterien sind streng – muss sich ein Event ausdenken, das alle ein wenig aus ihrem Heimalltag reißt.

Dieses Buch hat alles. Es ist lustig, traurig, macht nachdenklich, tröstet und lässt einen fürchten – der 83-jährige nimmt einen mit auf eine Reise in die eigene Zukunft. Der Autor selbst sagt über sein Buch: „Kein Satz ist eine Lüge, aber nicht jedes Wort ist wahr“. Was wohl schon damit anfängt, dass er weder Hendrik Groen heißt, sondern Peter de Smet. Und uralt ist er auch nicht. Trotzdem: Die bereits in den Niederlanden erschienene Fortsetzung wird hierzulande mit Spannung erwartet. Zeigt uns Hendrik doch, dass man im Leben nicht alles hinnehmen sollte und schon gar nicht das Leben selbst. Annehmen sollte man es. Mit allem, was es zu bieten hat.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Nadine Ahr: Das Versprechen

[aartikel]3426301121:left[/aartikel]Eine Geschichte von Lieben und Vergessen – so lautet der Untertitel dieses Romans, der auf einer wahren Begebenheit beruht.
Protagonisten sind Ria und Edwin, die Großeltern der Autorin, die eigentlich füreinander bestimmt sind, dies eigentlich auch wissen, aber trotzdem sehr lange aufeinander warten müssen. Da ist der Krieg, da sind falsche Entscheidungen – doch letztendlich wird alles gut. Und Edwin verspricht seiner Ria, sie nie mehr zu verlassen. Aber so einfach, wie er dachte, ist ein solches Versprechen nicht zu halten, wenn der Partner zunehmend dement wird, einen nicht mehr nur nicht mehr erkennt, sondern einen auch noch verwechselt und aufgrunddessen täglich aufs Übelste beschimpft.

Edwin muss eine Entscheidung treffen, so schwer es ihm auch fällt, aber glücklich wird er damit nicht. Manchmal wünscht er sich sogar, ebenfalls dement zu sein. Denn alles wäre besser als die Tatsache, Ria einfach nicht vergessen zu können.

Diese Liebesgeschichte geht einem so richtig zu Herzen, das Buch ist eines von denen, die in der Seele noch nachklingen, lange, nachdem man die letzte Seite gelesen hat. Die „taz“ spricht von „glasklar und tieftraurig“ und besser könnte man es nicht beschreiben.

Die Autorin, 1982 geboren, erhielt ein Stipendium für begabte Journalisten der Süddeutschen Zeitung und schreibt seit 2011 für die Zeit.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Gioconda Belli: Mondhitze

[aartikel]3426281317:left[/aartikel]“Mondhitze“ ist der neueste Roman der lateinamerikanischen Autorin Gioconda Belli, aus deren Feder auch die „Bewohnte Frau“ stammt. Der Roman spielt in Nicaragua und erzählt von einer 48-Jährigen, deren plötzliches Ausbleiben ihrer Regel ihre ganze Weiblichkeit infrage stellt. Die sehr gut aussehende, schlanke und gepflegte Emma aus der Oberschicht, Arztgattin, will den Zeichen der Zeit nicht das Feld überlassen. Wehrt sich innerlich vehement gegen das Eintreten ihrer Wechseljahre.

Während sie verzweifelt darüber nachdenkt, wie sie aus dieser ihrer persönlichen Hölle wieder herauskommt, wird sie unvorsichtig und fährt einen jungen Mann an. Und ab sofort ändert sich ihr Leben. Und sie erfährt, welche weibliche, auch erotische Macht (das Spezialgebiet der Autorin) in ihrem alternden Körper noch steckt. Und wie sehr sie sich von ihrem Mann entfremdet hat.

Dieser Roman arbeitet mit Bildern. Man kann sie fast spüren die Hitze, riecht den Reis und den Schweiß, spürt die Angst derjenigen, die von ihrem miesen Job abhängig sind genauso wie die Schmuddeligkeit von Hotelzimmern. Lateinamerikanische Frauenpower. Und für Männer höchstens dann geeignet, wenn sie mal sehen wollen, wie unterschiedlich Frauen mit dem Klimakterium umgehen.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Lorenzo Marone: Der erste Tag vom Rest meines Lebens

[aartikel]3869522747:left[/aartikel]Cesare ist Witwer, die Beziehung zu seiner Tochter etwas unterkühlt, gleiches gilt für seinen schwulen Sohn. Gefühle zu zeigen wäre sowieso undenkbar – denkt er. Doch dann kommt es anders für den alten Mann.

Man kann einfach nicht anders, man muss ihn mögen, diesen schrulligen, zynischen, motzigen alten Kerl, der mit seinen paarundsiebizg Jahren versucht, sein Leben in Ruhe abzuschließen. Bloß lassen ihn die anderen nicht. Vor allem Emma nicht, seine neue Nachbarin, deren traurige, verzweifelte Augen dem Lebenserfahrenen schnell verraten, dass in ihrem Leben so ziemlich alles schiefläuft. Eigentlich wollte sich Cesare nicht einmischen, aber dann kann er nicht mehr anders. Und kämpft für Emma mit ein paar weiteren tapferen, betagten Mitstreitern – ein Kampf, der auch Cesare selbst wieder zurück ins Leben katapultiert. Ob er will oder nicht.

Der Sarkasmus, der ironische Unterton, mit dem Cesare erzählt, die brillante Leistung des Sprechers Peter Weis – es ist ein Genuss, diesem Roman zwischen Verbitterung und Optimismus zuzuhören.

Der Autor ist übrigens eigentlich Jurist – doch das Schreiben scheint ihm mehr Spaß zu machen. Was sein Leser ihm dankt.
4.1 Stars (4,1 / 5)