Hans Christian Andersen: Die kleine Meerjungfrau

Was gibt es gerade in diesen Tagen Schöneres als eine gute, ein bisschen melancholische und gern auch sehr alte Geschichte, eine Tasse Tee und eine Kerze auf dem Tisch? Am besten ist es, wenn die ganze Familie zusammengekuschelt auf dem Sofa liegt und einer vorliest und welche Buchreihe würde sich da besser eignen als die pracht- und fantasievoll illustrierten Märchenbücher von Coppenrath?

Neben Peter Pan, Die Schöne und das Biest und Das Dschungelbuch gibt es nun auch die kleine Meerjungfrau, kombiniert mit anderen Märchen in dieser zauberhaften, kunstvollen Umsetzung. Zwölf Andersen-Märchen setzen die Designkünstler MinaLima in dieser Ausgabe in Szene: interaktive Extras, viele Illustrationen und kunstvolle Momente bieten die Möglichkeit, fast auf jeder Seite etwas Neues zu entdecken.

Wer also noch ein echt schönes Last-Minute-Weihnachtsgeschenk für einen Bücherliebhaber – egal welchen Alters – sucht, liegt hier genau richtig.

Andersens Märchen – mit Illustrationen von Betina Gotzen-Beek

Märchen bieten alles, was ein Kind braucht. Ein bisschen Spannung, schöne Worte, Prinzessinnen und ein Ende-gut-alles-gut. Aber sie bieten noch mehr. Die alten Märchen sind in der Lage, Resilienz aufzubauen, das heißt, sie zeigen dem Kind Wege aus schwierigen, manchmal verzweifelten Situationen und helfen ihm so, auch eigene Probleme zu bewältigen.

Doch leider versinken die alten Geschichten immer mehr im Vergessen. Das Angebot auf dem Kinderbuchmarkt ist riesig und größtenteils sehr seicht, Klassiker geraten da schnell in Vergessenheit. Nicht zuletzt, weil sie oft langweilig aussehen. Umso schöner, dass es bei Ravensburger eine Sammlung von Andersens Märchen in moderner Aufmachung gibt. Betina Gotzen-Beek weiß, wie ein Bild aussehen muss, um Kinder anzusprechen und wie man auch schwierigen Szenen illustratorisch den Wind aus den Segeln nimmt.

Das hässliche Entlein, die Prinzessin auf der Erbse oder auch die Schneekönigin sind Märchen, die ein Kind kennen sollte. Mit denen man sie aber nicht alleine lassen sollte. Dieses Buch ist wunderbar geeignet, um sich aufs Sofa zu kuscheln, vorzulesen und dann über das Erlebte zu sprechen. Und es so richtig einzuordnen.

Peter Pan – in einer prachtvollen Ausgabe

Es gibt Geschichten, die sollte man einfach kennen. Die gehören sozusagen zum Kulturgut unserer Gesellschaft. Ein Klassiker ist Peter Pan von James Matthew Barrie, zunächst als Theaterstück gedacht und erst später als Roman verfasst. Nach der Figur des Peter Pan ist sogar ein psychologisches Phänomen benannt. Der Familienherapeut Dan Kiley hat den Begriff geprägt für Männer, die partout nicht erwachsen werden wollen. Denn genau so geht es Peter Pan. Er lebt im Nimmerland mit einer Horde Jungs, den Rothäuten, seinem Erzfeind Captain Hook und einem Krokodil, das einen Wecker verspeist hat und daher nicht mehr richtig tickt. Peter Pan und seine Jungs brauchen eine Mama, wollen das aber nicht so recht zugeben. Also locken sie einfach Wendy und mit ihr ihre Brüder ins Nimmerland – mit chaotischen Folgen.
Die Geschichte ist allgemein bekannt, sie wurde ins Theater gebracht, verfilmt und in zahlreichen Büchern und Ausgaben wiedergegeben – wobei Peter immer niedlicher wurde, bald schon aussah wie ein Feenjunge – in Anlehnung an seine ständige Begleiterin Tinkerbell. Dabei ist Peter Pan alles andere als niedlich. Stattdessen ist er arrogant und selbstsüchtig, es fehlt ihm an Gespür für Gefahr und Leid, er kümmert sich nur um andere, wenn er selbst etwas davon hat und sieht sich ausgesprochen gerne in der Rolle des Anführers.
Dieses Exemplar der Geschichte, die man am besten vorliest, um auch gleich auf die Reaktionen der kleinen Zuhörer eingehen zu können, ist besonders schön. Das liegt an den zauberhaften Ideen von MinaLima Design, einem preisgekrönten Grafikdesignstudio, das bereits die grafisch-visuelle Gestaltung der Harry-Potter-Filme übernommen hat. Visuell veredelt wurde dieses Buch mit Schatzkarten, Feenflügeln, 3D-Effekten und weiteren Details, die das Betrachten dieses Werks zu etwas ganz Besonderem machen.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Endres/Wiemers: Die Prinzessin und die Erbse

Richtig gelesen. Es ist nicht die Prinzessin AUF der Erbse, sondern die mit der Erbse. Eine Erbse, die dem kleinen Frollein, das sonst immer bekam, was es wollte, tierisch auf der Nase herumtanzt. Sie springt ihr übermütig vom Teller und lässt sich von dem geplärrten „Soooooofort stehenbleiben“ nicht im Geringsten beeindrucken. Sie verfolgt sie durch den Park, durch Mäuselöcher, auf Bäume und sie landet ihretwegen im Schweinetrog und wird dabei immer und immer wütender – dass das Personal kein Mitleid mit ihr hatte, war klar. Wer sich sonst so herrisch aufführt … Da wird es der kleinen Prinzessin irgendwann zu bunt, sie schmeißt sich auf den Boden und heult und heult. Und die Erbse tanzt um sie herum, als würde sie sie auslachen. Erst als die Prinzessin ihr etwas ins Ohr flüstert, lässt sie sich von ihr einfangen – und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute miteinander. Was die Prinzessin der Erbse wohl gesagt hat … das soll der kleine Leser selbst herausfinden.

Wer die Prinzessin auf der Erbse erwartet, weil er nicht so genau hingesehen hat, der wird im ersten Moment enttäuscht sein. Aber eigentlich ist es dann doch ein sehr ähnliches Märchen – denn die Protagonistin ist und bleibt ein verzogenes Gör.
Das Buch wird mit einem Poster fürs Kinderzimmer geliefert. Den Stil der Zeichnerin allerdings, den muss man mögen.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Sebastian Meschenmoser: Rotkäppchen hat keine Lust

Der hungrige Wolf kann zunächst sein Glück nicht fassen, als ihm glatt ein süßes kleines Mädchen über den Weg läuft. Perfekt als Mahlzeit, denkt er sich und da er weiß, dass man kleine Mädchen erst umgarnen muss, wenn man möchte, dass diese mit einem mitgehen, fragt er höflich nach, wohin des Weges sie denn sei. Sie will zur Großmutter. Oder besser gesagt, sie will eigentlich nicht. Denn sie kann sich Schöneres vorstellen, als an einem Sonntagnachmittag durch den Wald zu hatschen, nur um der Oma zu gratulieren. Der Wolf kann es nicht fassen: Was ist sie nur für eine Enkelin? Hat als Geschenk einen ollen Kaugummi, einen Ziegelstein und eine alte Socke dabei. Keinen Wein, keinen Kuchen, keine Blumen – nichts von dem, was Großmütter eben so mögen. Das kann er nicht mit ansehen und der Wolf kümmert sich darum, dass Omas Geburtstag sich auch wirklich Jubeltag nennen kann. Dabei verstehen sich Wolf und Oma gleich so gut, dass der Vierbeiner bei ihr einzieht.

Allein Rotkäppchens Gesicht ist unübertroffen. Der Trotz steht ihr gut. Aber das ist nicht das einzige Geniale an diesem Kinderbuch. Einfach anders ist auch die Art und Weise, mit der die kindlichen Leser hier erklärt bekommen, warum man nicht allein im Wald umherstreifen sollte und wie die bösen Wölfe dieser Welt vorgehen. Allein lesen lassen sollte man die Kinder dieses Bilderbuch aber nicht – es ist doch durchaus erklärungsbedürftig. Und am Schluss leider auch nicht logisch. Punktabzug.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Hans Christian Andersen: Die Schneekönigin

Es ist einer der wahren Klassiker, geschrieben von einem der wahren Meister: Die Schneekönigin verliert nie an Bedeutung und auch nie an Aktualität. Eines Tages zerbricht den Teufeln ein Spiegel und seine Splitter, überall verteilt auf der Erde, bringen böse und misstrauische Gedanken in die Herzen derer, die von ihnen erwischt werden. Eines Tages bekommt auch Kay Splitter ab. Einen ins Auge und einen direkt ins Herz. Er wird kalt, verändert sich total. Aber Gerda, seine Freundin, mag ihn trotzdem. Als Kay eines Tages wie vom Erdboden verschluckt ist, versucht sie ihn zu finden. Doch der Junge wurde von der Schneekönigin geraubt, von ihr in ihr eiskaltes Schloss entführt und Gerda muss einen langen und beschwerlichen Weg durch ihre Kindheit auf sich nehmen, bis sie in der Lage ist, ihren Freund zu befreien.
Gerda ist gut. Und deswegen findet sie auch immer jemanden, der ihr hilft. Und genau deswegen siegt sie letztendlich auch über die Kälte und kann Kay befreien. Da sie beide nach dieser langen Reise der Veränderung keine Kinder mehr sind, kommt es, wie es kommen muss.

Dieses Exemplar von Minedition ist besonders schön. Die Zeichnungen von Yana Sedova sind nicht unbedingt immer auf den ersten Blick kindgerecht, aber sie sind ausgezeichnet, wirken wie Träume.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Britta Schwarz/Iris Hardt: Die wirklich wahre Geschichte von Hänsel und Gretel

Alles hat seine zwei Seiten und so ist es, dachten sich Britta Schwarz und Iris Hardt, auch mit den klassischen Märchen. Denn wer weiß, ob die Version, die wir alle so kennen, überhaupt stimmt? Lassen wir es unsere Kinder selbst herausfinden.

Die Autorin Britta Schwarz lässt nicht nur Hänsel den bekannten Erzählstrang ausführen, sie lässt auch die Hexe zu Wort kommen. Sie und ihre Freundin Ulla, die Stiefmutter der beiden Kinder, haben eine ganz andere Version von ‚Hänsel und Gretel‘, die der ursprünglichen in einzelnen Abschnitten, direkt und gut zu vergleichen, gegenübergestellt ist.

Eine Diskussion im Kinderzimmer bleibt nach diesem Bilderbuch nicht aus und wie in der Realität auch, weiß nach wie vor keiner, was wirklich geschehen ist. So kann man seinen Kindern prima zeigen, dass man lernen muss, sich ein eigenes Bild zu machen und nicht einfach zu glauben, was einem erzählt wird.
3.9 Stars (3,9 / 5)

Emily Rodda: Elfenzauber – das goldene Armband

Lena ist die Enkelin eines ganz besonderen Paares. Ihre Großmutter, Magdalena, ist eigentlich eine Elfenkönigin und ihr Großvater der einzige Mensch, der den Zugang zur Elfenwelt gefunden hat, sich verliebte und die Elfin mit sich nahm. Doch das weiß Lena gar nicht. Sie weiß nur, dass ihr Großvater vor seinem Tod wunderschöne Bilder malte mit kleinen, feinen Wesen darauf und dass ihre Großmutter immer ein Armband bei sich trug, das sie an etwas Wichtiges erinnern sollte.

Doch die Großmutter stürzte über eine Katze und die klaute ihr das Armband. Und seitdem geht alles drunter und drüber. Lena kommt hinter das Geheimnis der Elfenwelt, sie erfährt, dass es unbedingt notwendig ist, dass ihre Großmutter genau jetzt mit ihr für kurze Zeit dorthin zurückgeht und sie versucht alles, um den Frieden in der Welt ihrer Vorfahren zu erhalten und sie gegen die bösen Trolle und Kobolde von jenseits der Hecke zu verteidigen.

Es ist eine schöne Geschichte über Wesen, die es vielleicht doch gibt, über Zugehörigkeitsgefühl und Loyalität. Gesprochen wird das Hörbuch von Claudia Jahn, die das Thema allerdings manchmal einen Tick zu herb angeht.

Die 1948 geborene Emily Rodda gilt als die erfolgreichste Autorin Australien. Sie gewann inzwischen bereits fünfmal den Preis „Book of the year“. Und damit ist sie die Einzige, der so etwas bis jetzt gelungen ist.
4.0 Stars (4,0 / 5)

E.D. Baker: Esmeralda, Froschprinzessin

Welche Frau hat sich nicht schon mindestens einmal im Leben gefragt, was passieren würde, käme ein leibhaftiger Frosch daher und ließe sich küssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mal einem Frosch irgendwo in weiter Flur begegnet mag ja noch angehen, aber geküsst wird er in der Regel nicht – aus welchen Gründen auch immer. Und doch – es hätte der berühmte Prinz sein können! Die amerikanische Autorin E. D. Baker rollt die althergebrachte Geschichte mal von einer anderen Seite auf und hat auf diese Art und Weise ein Kinderbuch zustande gebracht, das auch Erwachsenen vergnügliche Lesestunden beschert.

Esmeralda ist alles andere als die von ihrer Mutter gewünschte Bilderbuchprinzessin. Sie ist tollpatschig, schlaksig, lacht zu laut und hat eine – das findet zumindest das königliche Umfeld – viel zu große Nase, die sie grundsätzlich in Dinge steckt, die sie nichts angehen. Von blonden Locken ist auch keine Spur und den für sie ausgewählten stinklangweiligen Prinz Jorge, den will sie nicht. Basta. Dieses sympathische Prinzessinnen-Persönchen wundert sich erst mal nicht besonders, als sie, vor dem Prinzen in den Sumpf flüchtend, dort auf einen sprechenden und schlecht gelaunten Frosch namens Eadric trifft. An Zauberei ist sie gewöhnt, denn ihre Tante Grassina ist eine Hexe und in Entenküken verwandelte Hunde oder laufende Krabbenfleischklößchen gehören zu ihrem Schloß-Alltag. Die Amphibie verlangt von ihr geküsst zu werden – aber wo käme man denn hin, wenn man jeden Dahergehüpften einfach so küssen würde.

Doch so ganz geht ihr der Herr Frosch und dessen direkte Art nicht aus dem Kopf: Sie küsst ihn irgendwann doch – und wird selbst zum Frosch. Wie das Fräulein Froschprinzessin nun seine neue Welt kennenlernt, was es heißt, Insekten zu verspeisen und wie Eadric ihr dieses Leben im wahrsten Sinne des Wortes schmackhaft macht, lässt den Leser nicht mehr los. Äußerst amüsant und spannend beschreibt E.D. Baker den Weg zurück ins Menschendasein!
5.0 Stars (5,0 / 5)