Ann-Kristin Gelder: ON-OFF

Die ziemlich kaltblütig und berechnend wirkende 17-jährige Nora arbeitet für eine Firma, die langfristig eine spektakuläre Idee vermarkten will – der Technologiekonzern NGS arbeitet daran, Menschen zu verlinken, denn so könnte der eine zum Beispiel den Thrill eines Freeclimb-Kletteres erleben, während der andere einfach nur im Sessel rumsitzt und die gleichen Emotionen verspürt. Doch der Konzern geht für seine Forschungen über Leichen und das merkt Nora erst, als sie sich in eine ihrer Zielpersonen verliebt. Was das Paar daraufhin erleben muss, ist Horror pur. Und zwar im Detail beschrieben.
Es handelt sich hier um ein Jugendbuch und so startet es auch. Die intimen Szenen sind etwas sehr detailliert, die Szenen, in denen die Chefs von NGS ihre gesamte sadistische Brutalität rauslassen auch – muss man mögen. Für jüngere Jugendliche ist es noch nicht geeignet, denn selbst, wer Dystopien mag, dürfte mit einer solche bestialischen Morderei leicht überfordert sein. Auch ist die Geschichte in sich nicht ganz schlüssig. Zu wenig herausgearbeitet wird zum Beispiel die Beziehung zwischen Tom und Rebecca, die im Koma liegt und mit Tom synchronisiert ist, oder auch die Frage, warum sich eigentlich sowohl die Familie von Alex als auch die von Nora so gar nicht darum zu kümmern scheint, was mit den beiden ist. Nicht schlecht das Buch, aber leider auch nicht wirklich überzeugend.

Chandler Baker: Das Ende ist erst der Anfang

Lake wird in wenigen Wochen 18. In der Gesellschaft, in der sie lebt, hat sie dann die Möglichkeit, einen Menschen vom Tod auferstehen zu lassen. Für ihre Eltern ist schon lange klar, dass das ihr querschnittsgelähmter Bruder Matt sein wird. Und Lake, die ihren Bruder so wie er seit seinem Unfall ist, gar nicht mehr leiden kann, hat sich in ihr Schicksal gefügt. Doch dann passiert ein fürchterlicher Unfall und nicht nur ihr Freund, sondern auch ihre beste Freundin sterben dabei. Lake weiß nicht, was sie tun soll und verzweifelt fast. Bis sie Ringo trifft, der ihr den richtigen Weg aufzeigt.

Ein wunderbares Jugendbuch über die Themen Selbstbestimmung und die Qual der Wahl. Der Weg, den Lake geht, ist kein einfacher. Wie soll man entscheiden, wer wichtiger ist? Der Mann, den man liebt und der vielleicht doch nicht der war, den man gesehen hat? Die beste Freundin – die einem so arg fehlt und die Geheimnisse hatte, von denen man nichts ahnte oder doch der Bruder, den man als kleines Kind verehrt hat und von dem man erst jetzt versteht, warum er so griesgrämig geworden ist … man möchte nicht in ihrer Rolle stecken. Und kann das Buch kaum weglegen, bis man weiß, wie Lake sich entschieden hat.

Bohlmann, Schöne: Der kleine Siebenschläfer – Das ist noch nicht gemütlich!

Kleine Kinder lieben den kleinen Siebenschläfer. Schon allein deswegen, weil es ihm meist genauso geht wie ihnen. Diesmal kann er machen, was er will, sein Bett wird nicht gemütlicher. Egal, wie viel Heu, Blätter und Klee er anschleppt, irgendwas passt nicht. Er findet nicht die richtige Position zum Schlafen. Bis er auswandert, zu den anderen Siebenschläfern – ins Eltern- und Geschwisterschlafzimmer sozusagen – und schwuppdiwupp eingeschlafen ist.

Es gibt immer noch viele Eltern, die sich vehement weigern, ihr Kind bei sich schlafen zu lassen. Meist aus Angst, ihr Schlafzimmer nie wieder für sich alleine zu haben. Manchmal aber auch, weil sie keine Lust haben, ihren Schlafplatz zu teilen. Aber letztendlich schläft jedes Kind besser, wenn es nicht alleine schlafen muss, denn das liegt nicht in der Natur des Menschen und in der des Siebenschläfers eben auch nicht. Aber die, die wissen das!

Sabine Bohlmann allein ist schon ein Garant für gute Kinder- und auch Elternbücher. Ergänzt durch die Zeichnungen von Kerstin Schöne ist auch dieses Buch wieder einmal ein Volltreffer.

Swoboda/Glitz: Prinz Franz total Papa

Papas machen alles ein bisschen anders als gewohnt. Aber das ist in der Regel nicht schlechter: Als Ziegenbock Franz nach einem langen Tag nach Hause kommt, möchte er eigentlich nur noch das, was alle nach einem langen Arbeitstag wollen: ausruhen – lesen – Stille. Aber seine Frau fühlt sich nicht wohl, hat Rücken und so drückt sie ihm die gesamte Kinderschar aufs Auge und verzieht sich mit den Worten „Das schaffst Du schon!“ auf’s Sofa. Also zieht er los und natürlich dauert es nicht lange, bis die Kinder anfangen zu jammern: Eines möchte getragen werden, ein anderes muss mal – das übliche Programm eben. Noch nimmt es Papa Franz gelassen, als dann die Lämmer aber nicht mehr vollzählig sind, wird er nervös …
Letztendlich gelingt es dem Bock seine Lämmerschar heil und gut gelaunt nach Hause zu bringen. Und auch Gerda ist wieder ganz entspannt … so ein paar Stunden ohne die Kinder lassen einen schnell merken, dass man die Stille, die man sich sonst so herbeisehnt, gar nicht allzu lange braucht.
Bilderbuchliebhaber kennen Prinz Franz bereits seit vielen Jahren und auch dieses Bilderbuch aus dem Hause Thienemann ist gelungen. Am lustigsten ist es, wenn man es einen Papa nach einem langen Tag vorlesen lässt und dabei sein Gesicht beobachtet.
Das Einzige, was ein bisschen Punktabzug gibt, ist die Sprache. Das Gereime hätte es hier nicht gebraucht, die Geschichte und vor allem die Bilder verlieren dadurch ein bisschen.
2.5 Stars (2,5 / 5)

Sebastian Meschenmoser: Rotkäppchen hat keine Lust

Der hungrige Wolf kann zunächst sein Glück nicht fassen, als ihm glatt ein süßes kleines Mädchen über den Weg läuft. Perfekt als Mahlzeit, denkt er sich und da er weiß, dass man kleine Mädchen erst umgarnen muss, wenn man möchte, dass diese mit einem mitgehen, fragt er höflich nach, wohin des Weges sie denn sei. Sie will zur Großmutter. Oder besser gesagt, sie will eigentlich nicht. Denn sie kann sich Schöneres vorstellen, als an einem Sonntagnachmittag durch den Wald zu hatschen, nur um der Oma zu gratulieren. Der Wolf kann es nicht fassen: Was ist sie nur für eine Enkelin? Hat als Geschenk einen ollen Kaugummi, einen Ziegelstein und eine alte Socke dabei. Keinen Wein, keinen Kuchen, keine Blumen – nichts von dem, was Großmütter eben so mögen. Das kann er nicht mit ansehen und der Wolf kümmert sich darum, dass Omas Geburtstag sich auch wirklich Jubeltag nennen kann. Dabei verstehen sich Wolf und Oma gleich so gut, dass der Vierbeiner bei ihr einzieht.

Allein Rotkäppchens Gesicht ist unübertroffen. Der Trotz steht ihr gut. Aber das ist nicht das einzige Geniale an diesem Kinderbuch. Einfach anders ist auch die Art und Weise, mit der die kindlichen Leser hier erklärt bekommen, warum man nicht allein im Wald umherstreifen sollte und wie die bösen Wölfe dieser Welt vorgehen. Allein lesen lassen sollte man die Kinder dieses Bilderbuch aber nicht – es ist doch durchaus erklärungsbedürftig. Und am Schluss leider auch nicht logisch. Punktabzug.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Die Geschichte vom kleinen Siebenschläfer, der nicht aufwachen wollte

Sabine Bohlmann ist fast schon ein Garant für gelungen. Und auch dieses Buch, das dem aufgeweckten, bereits bekannten Siebenschläfer gilt, der diesmal gar nicht aufwachen will, ist wieder eines aus der Kategorie putzig.

Ganz klar, wer am „Abend“ zu lang wach ist, kommt am Morgen nicht aus den Federn. Und so geht es auch dem kleinen Siebenschläfer, der zu Frühlingsbeginn so gar nicht in die Gänge kommt. Egal, was die anderen Tiere auch versuchen, er pennt tief und fest. Bis es plötzlich ganz still ist. Denn da ist er nun mal wie alle Kinder: Die totale Stille ist beunruhigend – ein nett verpackter Hinweis an all die Eltern, die ihr Telefon und ihre Klingel abstellen, wenn das Kind schläft und die sich wundern, warum genau das so gar nicht richtig klappen will…
Und genau das ist es, was Sabine Bohlmann auszumachen scheint: Sie ist entspannt, nimmt nicht alles bitterernst. Sieht man sich so manches ihrer Bücher an, ist man fast überzeugt davon, dass in ihr ein noch ziemlich großes Kind steckt. Und das spüren auch die kleinen Leser.
4.5 Stars (4,5 / 5)

Ulrike Kuckero: Das doppelte Christkind

Die Klasse 4c ist der Alptraum jedes Lehrers. Keinerlei Disziplin, Chaos pur, stehengeblieben auf dem Wissen der zweiten Klasse. Doch dann kommt die neue Lehrerin und verblüfft die renitenten Schüler mit pädagogischen Methoden, die die Klasse so nicht kennt. Und dann will sie mit ihnen auch noch bei einem Wettbewerb mitmachen und zur Vorbereitung in eine Schullandheim – das haut sogar den Direktor um, der sich dann aber sogar überreden lässt, die Klasse zu begleiten. Und der ziemlich positive überrascht wird.

Wenn man dieses Buch vorliest, wünscht man sich in einer Tour mehr Lehrer wie Frau Klopstock. Das Buch, das man übrigens nicht nur in der Vorweihnachtszeit lesen kann, ist witzig geschrieben, prima zum Selber- aber auch zum Vorlesen geeignet und wirkt in manchen Punkten wie ein Spiegel einer jeden Klasse – denn überall gibt es Kinder wie die dort beschriebenen. Deren Potenzial einfach noch niemand erkannt hat.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Martin Gülich/Amélie Jackowski: Herr Lotti findet ein Paket

Eltern, die mal wieder ein Bilderbuch suchen, mit dem Kinder richtig mitfiebern, der ist bei diesem Buch genau richtig. Herr Lotti ist Briefträger und als er eines Tages ein herren- bzw. frauenloses Paket mit ganz vielen Löchern findet, in dem es faucht und kratzt, nimmt er sich dessen an. Er füttert das Etwas, langsam wächst Fell aus den Löchern und als eines Tages eine Maus durchs Wohnzinmmer rennt, hüpft das Paket begeistert hinterher. Langsam dämmert es Herrn Lotti, was er da großzieht…

Diese Geschichte ist nicht nur extrem putzig geschrieben, sie ist auch sehr schön gezeichnet. Sie beinhaltet viel von dem, was man seinen Kindern mitgeben möchte und zwar ohne auch nur einmal den moralischen Zeigefinger zu heben.
Getestet an einer ganzen Gruppe von Kindergartenkindern und: für sehr gut befunden.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Sabine Bohlmann/Kerstin Schoene: Die Geschichte vom kleinen Siebenschläfer, der nicht einschlafen konnte

Sabine Bohlmann scheint ein Allround-Talent zu sein. Sie ist Schauspielerin, Sprecherin, sie schreibt wirklich gute Erziehungsratgeber und jetzt auch noch Bilderbücher vom Feinsten. Denn dieses Werk ist außergewöhnlich niedlich. Es geht um einen kleinen Nachwuchssiebenschläfer, der einfach nicht einschlafen kann. Und was ist ein Siebenschläfer schon ohne Schlaf? Die anderen Tiere versuchen ihm zu helfen, schlafen aber über ihren Versuchen alle selbst ein. Der Fuchs beim Schäfchenzählen, der Bär beim Kuscheltierknuddeln und die Nachtigall beim Liedervorsingen. Doch dann entwickelt Mini-Siebenschläfer seine eigene Methode, das Problem in den Griff zu bekommen.

Doch noch nicht nur die Idee zum Buch sowie der Text, auch die Zeichnungen und die Bild-Text-Anordnungen stechen aus der Menge. Kerstin Schoene ist keine unbekannte Illustratorin. Das wohl bekannteste, von ihr illustrierte Buch ist wohl „Monster gibt es nicht“.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Joachim Friedrich: Die furchtlosen zwei von Bahnsteig 3

Billy und sein bester Kumpel Pommes, der seinen Spitznamen nicht von ungefähr hat, sind Tauben und leben auf Bahnsteig 3. Gemeinsam mit ihrer Gang und ihrem Boss. Das allerdings gefällt dem Bahnhofswärter gar nicht und er versucht mit allen Mitteln, die Viecher zu vertreiben. Eines Tages gelingt es ihm, alle Tauben sind auf einen Schlag verschwunden – entführt. Doch Billy, Pommes und ihre neuen Freunde aus dem edlen Taubenhaus lassen sich das nicht gefallen.

Es gibt ein bestimmtes Alter, da finden vor allem Jungs das Benützen von Wörtern aus dem Fäkalienbereich wahnsinnig komisch. Und die kommen hier voll auf ihre Kosten. Es macht richtig Spaß, dieses Buch einem Fünfjährigen vorzulesen, der sich jedes Mal bei dem Wort Kack-Attack und den dazugehörigen Zeichnungen kaputtlacht. Wobei man auch als Erwachsener zugeben muss, dass das Buch in seiner Art so witzig geschrieben ist, dass man selbst nicht umhin kann, bei der Vorstellung – und nicht nur bei dieser – grinsen zu müssen. Ein echt gelungenes Buch, das seine Zielgruppe zwischen fünf und elf perfekt erreicht.
4.9 Stars (4,9 / 5)