Soheyla Sadr: Anne und Pfirsich oder: Wo unsere Seele zu Hause ist

Dieses Bilderbuch ist kein leichter Tobak. Es handelt von der Seele, ein Begriff, den wir Erwachsenen kaum verstehen und von dem es fast unmöglich ist, ihn Kindern nahe zu bringen. Aber es kann gelingen und mit Unterstützung dieses Werks aus der Feder von Soheyla Sadr noch vertieft werden.

Anne ist ein kleines Mädchen und Pfirsich ihre Oma, deren Haut so weich und schrumpelig ist wie die besagte Frucht. Wenn Oma philosophiert, dann beginnt sie immer mit den gleichen Worten: An und für sich… – Anne und Pfirsich.

Oma erzählt Anne vom Lichtergarten, den sie in sich trägt. Davon, wie dieser verdorren kann, dass es dort auch regnen und donnern kann und wie man ihn jederzeit wieder zum Blühen bringt. Von meditativen Momenten, von der Wichtigkeit, auch mit sich selbst allein sein zu können. Und dann bäckt die lebensweise alte Frau mit dem Kind einen Kuchen, sie singen Lieder und spielen mit der Katze. Und düngen mit all diesen schönen Erlebnissen ihren Lichtergarten.

Dieses Buch ist zauberhaft. Die Zeichnungen Soheyla Sadrs sind dem Thema entsprechend, einziger Kritikpunkt: die Sprache. Sie ist sehr erwachsen, wenig kindgerecht. Und doch hören schon Vierjährige, gerade dann, wenn sie mit diesem Thema vertraut sind, fasziniert zu. Kein Bilderbuch für mal eben zwischendurch, aber eines mit tröstendem Charakter, das sich für viele Situationen – unter anderem zum Beispiel auch für einen Gottesdienst – verwenden lässt.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Géraldine Elschner/Alexandra Junge: Das Osterküken

Hilda hatte ein wunderschönes Ei gelegt. Aber das Küken will partout nicht ausschlüpfen, es findet der richtige Zeitpunkt wäre der Ostersonntag. Doch wann ist der? Die Mama weiß es nicht, die anderen Tiere auf dem Hof auch nicht, aber Max, der Steinkauz, der weiß Bescheid. Also wartet das Küken bis zum Frühjahrsanfang, dann noch auf den nächsten Vollmond und am darauffolgenden Sonntag ist es endlich soweit.

Dieses Bilderbuch ist etwas ganz Besonderes. Nicht nur, weil die Zeichnungen wirklich niedlich sind – das beste Beispiel ist das Küken, das mithilfe eines Strohhalms den Verlauf des Mondes beobachtet –
sondern, weil man hier etwas erfährt, was wohl den meisten Erwachsenen auch nicht klar ist: Warum Ostern in einem Jahr so früh und in einem anderen so spät ist.

Die Französin Géraldine Elschner, die heute in Heidelberg lebt, ist bekannt in der Bilderbuchwelt. Besonders schön sind ihre Bücher ‚Hokuspokus Blumibus‘ oder ‚Das Weihnachtszicklein‘. Alexandra Junge ist ebenfalls eine Fachfrau. Sie studierte Kinderbuchillustration in Hamburg und Straßburg und ihre Bilder waren bereits in zahlreichen Ausstellungen zu sehen.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Birte Müller: Fritz Frosch pupst!

Fritz Frosch muss dauernd pupsen. Er kann nichts dafür, es kommt einfach so über ihn. Die anderen Kinder finden es lustig, die Erwachsenen eher weniger. Seine Mama schleppt ihn zum Arzt, der Lehrer ist wütend auf ihn und als seine Mama ihm androht, ihn nirgendwo mehr mit hinzunehmen, wenn er nicht mit dem Pupsen aufhört, unterdrückt Fritz das Bedürfnis, die Luft zu entlassen. Doch das hat gravierende Folgen…

Birte Müller lebt und arbeitet heute in Hamburg, wo sie auch Kinderbuchillustration studierte. Zwischenstopps in Australien, Mexiko und Bolivien erweiterten ihren Horizont. Heutzutage werden ihre Bilderbücher in16 Sprachen übersetzt und überall auf der Welt mit Erfolg verkauft.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Claudia Gürtler/Ralf Butschkow: Das Loch

Patrick hat eine ganz andere Vorstellung von Ordnung als seine Mutter. Die Schatzhaufen, die er liebevoll in seinem Zimmer auftürmt, nennt sie verächtlich Misthaufen und selbst große Geschenke kann sie nicht leiden, weil die alles vollstellen. Als Oma kommt, selbstverständlich nur mit Kleinigkeiten im Gepäck, wird Paddy von seiner Mum gezwungen, aufzuräumen und dabei entdeckt er unter dem Bett ein Loch, in das er alles hineinkehrt, was grad nicht niet- und nagelfest ist. Zuerst ein voller Erfolg, doch dann wird es dem Loch schlecht…

Die Idee ist putzig, hat sich doch jeder von uns schon einmal gefragt, ob wir schwarze Löcher unter dem Bett, hinter Schränken oder in Waschmaschinen haben – aber die Umsetzung ist nicht hundertprozentig kindgerecht. Die Sprache, die die Autorin gewählt hat, ist zu hochgestochen, die Schrift schwer lesbar – das allerdings wird wettgemacht durch die Zeichnungen von Ralf Butschkow, fleißigen Bilderbuchlesern und -leserinnen in der Regel bekannt. Sie retten das Ganze grad nochmal. Doch trotz Bilderbuchcharakter: Für Vierjährige und Jüngere nur äußerst bedingt geeignet.

Übrigens: das Buch ist zwar im Januar 2014 neu erschienen, neu an sich ist es aber nicht!
1.7 Stars (1,7 / 5).

Sabine Büchner/Robert Munsch: Die Prinzessin in der Tüte

Prinzessin Lissy hat alles, was man sich nur wünschen kann. Ein tolles Schloss, die schönsten Kleider und einen attraktiven Verlobten. Doch dann kommt ein böser Drache, zerstört ihr Schloss, verbrennt ihre Klamotten und reißt sich auch noch Prinz Ronald unter die Nase. Doch das lässt sich Lissy nicht einfach so gefallen: Sie zieht sich eine Tüte über den unbedeckten Körper und zieht los, um ihren Prinzen zu retten. Auf der Spur der Verwüstung folgt Lissy dem Ungetüm bis zu seiner Höhle und trickst es dann geschickt aus. Doch was ist der Dank: Der oberflächliche Herr Prinz mokiert sich über ihr Aussehen – und bekommt dafür seine Quittung.

Ein goldiges Bilderbuch über Oberflächlichkeiten und Eitelkeiten, über selbstbewusste Frauen und eigene Entscheidungen, dessen Geschichte man durchaus noch hätte ein bisschen mehr ausschmücken hätte dürfen. Da wäre noch mehr drin gewesen an Robert Munschs typischem Wortwitz. Die kleine Kritik geht allerdings nur an den Bestsellerautor, die Zeichnungen von Sabine Büchner sind wirklich zuckersüß.
4.3 Stars (4,3 / 5)

Georg Kohler, Claudia de Weck: Jakob, das Krokodil

Man kann es kaum glauben, aber diese Geschichte ist wahr. Eine Schweizer Familie lebte 42 Jahre mit einem Krokodil in einer Wohnung. Als es einzog, war es noch ein Krokodil-Baby. Der Vater hat es von einer Reisemitgebracht. So wie vorher schon Spinnen, ein Chamäleon und andere exotische Tiere. Doch Jakob wächst – auch mit der Familie mit. Handzahm und fast wie ein Hund Teil der Menschenwelt. Als die Kinder ausziehen, bekommt er sogar ein eigenes Zimmer mit Pool und als er die Mutter aus Versehen beim Füttern einmal leicht beißt, verweigert er danach tagelang das Fressen vor lauter Kummer.

Jakob, das Krokodil, erweist sich als das perfekte Haustier : genügsam, friedlich und manchmal sogar so etwas wie anschmiegsam.
Bei der Lektüre dieses Bilderbuchs kommt man ganz automatisch ins Staunen. Und Wundern. Und Bewundern. Dass Tiere fast schon menschliche Positionen in Bilderbüchern einnehmen, ist ja nicht neu. Dass diese Geschichten aber auf wahren Geschichten beruhen, schon. Besonders gut und pädagogisch wertvoll ist das Nachwort, das nicht nur eine ganze Menge Informationen liefert, sondern auch die ethische Frage der Haustierhaltung an sich nicht außer Acht lässt. Ein Buch, das seinen Reiz erst auf den zweiten Blick entwickelt, dann aber umso stärker und nachhaltiger.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Moritz Petz und Amélie Jackowski: Der Dachs hat heute schlechte Laune

Neu ist es eigentlich nicht, dieses Bilderbuch. Aber neu aufgelegt. Und aufgelegt ist auch die Hauptperson, der Dachs. Allerdings schlecht aufgelegt, sozusagen richtig schlecht gelaunt.

Und diese miese Laune gibt er systematisch an alle weiter, die ihm begegnen. Egal ob Waschbär, Hirsch oder Eichhörnchen, sie werden angesteckt, bis zum Schluss der ganze Wald schlecht gelaunt ist. Ausgenommen die Amsel, die dem Dachs hilft, sein egoistisches Verhalten wieder gutzumachen und spielerisch die schlechte Laune aller zu verscheuchen.

Moritz Petz und Amélie Jackowski ist ein Bilderbuch gelungen, das mit einfachen Mitteln zeigt, wie wichtig es ist, sich auch einmal zurückzunehmen. Nicht nur auf die eigenen Bedürfnisse zu hören, sondern sich auch Gedanken über die der anderen zu machen. Extrem goldig dabei der von mieser Laune gebeutelte Dachs, den die Französin ganz herrlich mit ihrem Pinsel einfängt.
3.7 Stars (3,7 / 5)

Das verflixte Bummeltier

Bummeltier

Wenn man Kinder beobachtet, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass sie ein völlig anderes Zeitgefühl haben als wir. Sie nehmen sich die Zeit, die wir bräuchten, um unser Leben mal zu entschleunigen. Sie besichtigen ausgiebig Blumen und Schnecken am Wegesrand, sind gedankenverloren ins Spiel vertieft oder finden es spannend, Schneeflocken dabei zuzusehen, wie sie an die Fensterscheibe geweht werden. Doch dieses Wahrnehmen der kleinen Wunder unserer Welt kann Erwachsene rasend machen, sitzt ihnen doch irgendwie immer die Zeit im  Nacken. Der Bus fährt, der Arzttermin muss eingehalten werden, man muss zur Arbeit – Beispiele gibt es viele. So wie bei Lena, deren Mutter ihr am liebsten ein „Bummeln verboten“-Schild umhängen würde Doch was würde es nützen? Gar nichts. Denn nicht Lena ist an der Bummelei schuld, sondern das verflixte Bummeltier. Ein grünes Wesen mit großen Augen, einer kalten Nase, einer warmen Zunge, weichem Fell und einem lustigen Schwanz, dem immer etwas einfällt, wie man die Zeit ein wenig stehen lassen könne. Aus Klopapier Schiffchen falten, statt sich die Zähne zu putzen, mit den Socken Handpuppe spielen, statt sie anzuziehen oder Schuhe im Kindergarten tauschen… Es braucht eine Weile, bis Lenas Mama versteht, dass sie gegen das Bummeltier nicht ankommt, sondern sich besser mit ihm arrangiert.

Martina Steinkühler / Angela Holzmann: Wie schön, dass du mich gefunden hast

Eine kleine Geschichte gegen große Angst – so nennen Martina Steinkühler und Angela Holzmann ihr Bilderbuch über David, die Schafe seines Vaters und das kleinste Lämmchen, das der Junge besonders behütet, auf seinen Schultern trägt und umsorgt. Bis es eines Tages verschwunden ist. David geht los, um es zu suchen, nimmt viele Mühen auf sich und könnte sich nicht mehr freuen, als er es wohlbehalten wieder zurück zu seiner Herde bringen kann.
Doch David fühlt sich auch einsam, fragt sich, wer ihn behütet und vor Schaden bewahrt und wünscht sich, eines seiner Schäfchen zu sein.

Frei nach dem Motto „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ arbeitet dieses Bilderbuch mit einem biblischen Thema. Psalm 23 wird hier kindgerecht umgesetzt. Und mal abgesehen von der für kleine Kinder an manchen Stellen ein wenig zu hochtrabenden Sprache ist den beiden Autorinnen hier ein sehr ansehnliches Bilderbuch gelungen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Zeichnungen sind äußerst gelungen.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Rafik Schami: Der Schnabelsteher

Rafik Schami ist einer der besten Autoren, die Deutschland heute zu bieten hat. Und sein aktuelles Kinderbuch „Der Schnabelsteher“ ist eines der herausragendsten Werke des Jahres 2013.

Auf einem alten Walnussbaum lebten einst viele Raben – so beginnt das Buch, das die Geschichte eines kleinen Vogels erzählt, dessen Vater das Opfer eines Adlers wurde und dessen Mutter ihn nun alleine aufzieht. Und ihn deswegen auch oft alleine lassen muss. Doch anstatt Solidarität von den anderen Rabenmüttern zu erfahren, schimpfen diese nur über den Jungen, der immer wieder aus dem Nest klettert, um mit den anderen zu spielen. Sie sind gemein zu ihm und die einzige, die ihn tröstet, ist Mama. Doch der Kleine wird von Tag zu Tag selbstständiger und kommt auf immer irrwitzigere Ideen, seine Zeit zu verbringen. Unter anderem perfektioniert er das Schnabelstehen – tief beneidet von seinen Freunden, die das auch gern könnten, denen ‚solche Flausen‘ aber schnell ausgetrieben werden. Doch als Mini-Rabe dann auch noch die Daseinsberechtigung des Vogelkönigs anzweifelt und dem eitlen Pfau Paroli bietet, wandelt sich das Blatt.

Diese Geschichte über einen kleinen Rabenjungen, der so viel Mut hat, seinen eigenen Weg zu gehen und der von seiner Mama in einer kalten Welt so viel Liebe erfährt, dass er mühelos diesen Mut aufbringt, ist rührend. Und sie öffnet die Augen. Für Kinder, die es im Leben nicht leicht haben, weil ihre Eltern einen dornigeren Weg gehen müssen, als andere. Die aber umso mehr von deren Liebe profitieren.
4.7 Stars (4,7 / 5)