Scott Hutchins: Eine vorläufige Theorie der Liebe

Der frisch geschiedene Neill Bassett jr. hat einen ziemlich interessanten Job. Mithilfe des Tagebuchs seines verstorbenen Vaters haucht er einem Computer Leben ein. Mit den rund 5000 Seiten soll er einen Computer programmieren, der zu Gefühlen fähig sein soll. Eine Arbeit, die nicht nur den Computer emotional weiterbringt, sondern auch den jungen Mann. Gemeinsam entwickeln sie sich, lernen die Frauen verstehen und so ganz nebenbei kommt Neill dem Selbstmord seines Vaters auf die Schliche. Ein paar Verwicklungen und Missverständnisse um die künstliche Intelligenz inklusive. Indem man Neill über die Schulter sieht, bekommt man einen ungeschönten Blick auf die Defizite, die er mit sich herumträgt, auf das oft Erniedrigende seiner Situation.

Dieses Hörbuch gehört zu denen, die einem die Zeit gut vertreiben können. Auch, wenn man bisweilen, wenn es ein wenig herbeigezogen ordinär wird, lieber mal schnell weghört. Eine Stilblüte, die dem Autor eigentlich gar nicht steht und bei der der Lektor seinen Job hätte ein wenig besser machen können. Ist der Debütroman sonst doch so was von gelungen.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Anne-Gaelle Balpe/Eve Tharlet: Der rote Faden

Oli hat einen roten Faden gefunden. Doch der Wind weht stark und reißt dem Jungen den Faden aus der Hand, direkt in ein Vogelnest. Zur Freude der Vogelmutter, denn das war genau das Bauteil, das ihr noch gefehlt hat. Sie gibt Oli dafür zwei Federn und die wiederum werden dringend von der Ameise gebraucht. Letztendlich landet der Faden wieder da, wo er schon anfangs hinwollte. Doch diese kleine Reise zeigt spielerisch und ohne erhobenen Zeigefinger, dass Geben seliger ist denn Nehmen.

Es ist bereits das zweite Buch über den ‚Bonhomme‘, übersetzt kleiner Kerl bzw. Strichmännchen. Und seine selbstlose Art, mit der er ganz wunderbar und voller Vertrauen durchs Leben kommt. Anne-Gaelle Balpe und Eve Tharlet ist ein Bilderbuch gelungen, das nicht nur durch seine kleine, aber feine Geschichte lebt, sondern vor allem durch die hübschen Zeichnungen in der ganz typischen Eve-Tharlet-Art. Ein Buch, das für Minedition wie geschaffen ist. Mal sehen, was nach dem blauen Stein und dem roten Faden als nächstes auf der Farbskala dran ist. 4.1 Stars (4,1 / 5)

Trixi von Bülow: Ich wünsche mir, dass endlich mal was Schönes passiert

Sie ist mit 39 zwar nicht mehr jung, alt aber auch noch nicht. Fühlt sich aber so. Abgehetzt zwischen Kind und Job, alleinerziehend mit all den Widrigkeiten, die das Leben dann bereithält, kämpft sich Friederike Berger durchs Leben. Und träumt davon, dass endlich mal was Schönes passiert. Obwohl sie eher befürchtet, dass an ihrem 40. Geburtstag die Welt untergehen wird. Doch dann kommt es anders. Ihre Freundin Johanna entführt sie an einen kleinen, aber feinen Ort am Meer. Und sorgt damit ungewollt dafür, dass Fritzi einem wahren Traummann begegnet. Romantisch, sexy, zuvorkommend und offensichtlich ebenfalls über beide Ohren verliebt. Was soll da noch dazwischenkommen?

Frau mit fast vierzig, beruflich in der Verlagsbranche angesiedelt, Krise, Happy End – fertig aus. Der typische Frauenroman der heutigen Zeit? Bis zur Mitte vielleicht. Dann nimmt dieses Buch eine neue Wendung. Wenn auch manchmal sehr an den Haaren herbeigezogen, doch trotzdem leicht und beschwingt. Ein Roman, der es einen für ein paar Stunden vergessen lassen kann, dass die Widrigkeiten des Lebens einen gerade ärgern. Vor allem, wenn man weiblich, alleinerziehend und um die 40 ist!3.4 Stars (3,4 / 5)

Helena Arendt: Naturgeschenke

100 Ideen zum Gestalten mit Kindern – der Untertitel übertreibt nicht. Egal, ob als reine Deko, als Geschenkidee, als Tischschmuck oder zur Körperpflege – in diesem Buch stecken richtig gute Ideen. Wobei es dabei nicht zu den Büchern gehört, an denen man spätestens dann verzweifelt, wenn man versucht, etwas nachzumachen ohne die Königin der Kreativität zu sein. Genaue Anleitungen, gut bebildert, „Zutaten“, die man wirklich leicht finden kann und ein übersichtliches Verzeichnis helfen einem, genau das Richtige zu finden – egal, in welcher Stimmung man gerade ist.

Kinder lieben es, wenn man mit ihnen bastelt, noch mehr lieben sie es, wenn man die dazu benötigten Materialien nicht einfach nur kauft, sondern gemeinsam mit ihnen in Wald und Flur zusammensucht. Bohnenketten, Erdnussfiguren und Steinpralinen – hier findet sich auch das Richtige für ein liebevoll gemachtes Weihnachtsgeschenk. Ein tolles Buch, das sich nicht nur für Eltern, sondern ganz prima auch für Kindergärten und Schulen eignet.
4.8 Stars (4,8 / 5)

Louise Erdrich: Das Haus des Windes

Joe ist 13, als seine Mutter Opfer eines grausamen, aber in Reservaten häufigen Verbrechens wird. Sie ist eines Tage von einer Erledigung nicht wiedergekommen. Sie wurde vergewaltigt und entgeht einem Mord nur knapp. Auf die Tat folgt eine handfeste Depression. Wie in eine Höhle zieht sich die Indianerin in ihr Bett zurück und kommt dort eine für den Jungen gefühlte Ewigkeit nicht mehr heraus. Bis Linda kommt. Die Zusammenhänge zwischen der leicht missgestalteten Frau vom Postschalter und der Tat werden erst langsam klar. Vorher erlebt man mit, wie sich Joe und seine Kumpels Cappy, Angus und Zack auf die Suche nach dem Täter machen. Denn da nicht klar ist, in welchem der drei aneinandergrenzenden Territorien sich der Übergriff ereignet hat, gibt es rechtliche Schwierigkeiten, denen auch Joes Vater als Stammesrichter nichts entgegensetzen kann.

Louise Erdrich weiß, worüber sie schreibt. Als Tochter einer Indianerin und es eines Deutsch-Amerikaners. Aber sie schreibt nicht nur Romane, sondern ist auch bekannt für ihre Kinderbücher und Lyrik. All das und vieles andere verkauft sie in ihrer eigenen, natürlich völlig unabhängigen Buchhandlung in Minneapolis.

Dass Joe später selbst Jurist wird, wird immer mal wieder am Rande erwähnt. Genau wie vieles andere, was die Autorin scheinbar unbeabsichtigt und dafür umso gezielter einfließen lässt. Die in Blut und Hass getauchte Geschichte der Reservate findet hier ein Sprachrohr – gut geschrieben und nur teilweise ein wenig zerrissen. Und vor allem mit einem ganz phantastischen Cover versehen.
Mehrfach preisgekrönt.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Quentin Gréban: Minchen – Ein Geschenk für Mama

Minchen möchte ihrer Mama eine Freude machen. Gemeinsam mit ihren Schuldfreunden bastelt sie einen Blumentopf mit bunten Papierblumen. Doch das Geschenk, auf das das kleine Marienkäfermädchen so stolz ist, sicher nach Hause zu bringen, stellt sich als große Herausforderung dar. Und es klappt nicht. Ein starker Wind bläst das Käferchen in die Luft, das Geschenk kann es grad noch halten, aber die Blumen sind alle zerknickt. Und dann fängt es auch noch an zu regnen!

Das schöne Geschenk ist kaputt, und nun hat sie nichts für Mama. Die Schnecke versucht sie zu trösten. Doch weder ihr Vorschlag noch der der anderen Tiere eignen sich für Minchens Mama. Sie kann keine Netze spinnen wie ihre Freundin und auch keine Herzen in Blätter knabbern wie die kleine Raupe. Aber dann fällt ihr etwas auf: Die Biene hat ein gestreiftes Geschenk, die Schnecke eines mit Spiralen, die Raupe eines mit Löchern, die Spinne eines wie ein Stern… Also braucht sie auch eines, das ihr ähnlich ist: Rot mit schwarzen Punkten. Und was sie dann bastelt, ist für ihre Mama das schönste Geschenk, das sie je gesehen hat.

Quentin Gréban hat mit „Minchen – ein Geschenk für Mama“ ein Bilderbuch schon für die ganz Kleinen geschaffen. Einfache, aber gefühlvoll und ausdrucksstarke Zeichnungen, leicht verständliche Texte und ein Thema, das jedes Kind kennt. Ein hübsches Bilderbuch für zwischendurch.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Sarah Bosse: Fass dir ein Herz, Anna

Auch hier dreht sich mal wieder alles rund um die von vielen Mädchen so heiß geliebten Pferde, aber immerhin werden diesmal keine Pferdediebe gestellt oder Stutenbissigkeiten ausgetragen. Im Gegenteil, dieses Hörspiel ist sehr einfühlsam und das sollte es bei einem so heiklen Thema auch sein. Es geht nämlich ums heilpädagogische Reiten.

Nora, Annas Cousine, hat Schreckliches hinter sich. Sie musste miterleben, wie ihre Eltern bei einem Autounfall lebensgefährlich verletzt wurden. Solange die beiden im Krankenhaus sind, kümmern sich Annas Eltern um das geschockte Mädchen, das nicht in der Lage ist, zu sprechen. Das Erlebte sitzt zu tief.

Doch mithilfe der Tiere, die auf dem Ponyhof im Mühlental leben, gelingt es, die kleine Nora wieder aus ihrer Reserve zu locken. Für Anna ist das Ganze ebenfalls nicht leicht. Sie hat größtes Mitgefühl mit dem Mädchen und ist auch gern bereit zurückzustecken, aber irgendwann wird es ihr zu bunt – denn alles dreht sich nur noch um Nora….

Anna und ihre Erlebnisse auf dem Ponyhof ihrer Eltern im Mühlental sind bereits vielen pferdebegeisterten Mädchen hinreichend bekannt. Mehrere Geschichten sind inzwischen erschienen, sowohl als Buch als auch als Hörspiel („Du schaffst das, Anna“).

Grundsätzlich ist die CD mit der etwas anderen Pferdegeschichte, an der zwölf Sprecher und Sprecherinnen beteiligt waren, gut gemacht – inklusive dem Bonustrack zum Thema „Heilpädagogisches Reiten“. Was man sich allerdings hätte sparen können, sind die musikalischen Einlagen, die nicht nur den erwachsenen Mithörern gewaltig zu schaffen machen, sondern auch die Kinder ziemlich stören.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Soheyla Sadr: Anne und Pfirsich oder: Wo unsere Seele zu Hause ist

Dieses Bilderbuch ist kein leichter Tobak. Es handelt von der Seele, ein Begriff, den wir Erwachsenen kaum verstehen und von dem es fast unmöglich ist, ihn Kindern nahe zu bringen. Aber es kann gelingen und mit Unterstützung dieses Werks aus der Feder von Soheyla Sadr noch vertieft werden.

Anne ist ein kleines Mädchen und Pfirsich ihre Oma, deren Haut so weich und schrumpelig ist wie die besagte Frucht. Wenn Oma philosophiert, dann beginnt sie immer mit den gleichen Worten: An und für sich… – Anne und Pfirsich.

Oma erzählt Anne vom Lichtergarten, den sie in sich trägt. Davon, wie dieser verdorren kann, dass es dort auch regnen und donnern kann und wie man ihn jederzeit wieder zum Blühen bringt. Von meditativen Momenten, von der Wichtigkeit, auch mit sich selbst allein sein zu können. Und dann bäckt die lebensweise alte Frau mit dem Kind einen Kuchen, sie singen Lieder und spielen mit der Katze. Und düngen mit all diesen schönen Erlebnissen ihren Lichtergarten.

Dieses Buch ist zauberhaft. Die Zeichnungen Soheyla Sadrs sind dem Thema entsprechend, einziger Kritikpunkt: die Sprache. Sie ist sehr erwachsen, wenig kindgerecht. Und doch hören schon Vierjährige, gerade dann, wenn sie mit diesem Thema vertraut sind, fasziniert zu. Kein Bilderbuch für mal eben zwischendurch, aber eines mit tröstendem Charakter, das sich für viele Situationen – unter anderem zum Beispiel auch für einen Gottesdienst – verwenden lässt.
4.0 Stars (4,0 / 5)

Katherine Hannigan: Die Wahrheit, wie Delly sie sieht

Delly ist anders als andere Elfjährige. Ganz anders. Und Schüchternheit gehört nicht zu ihrem Repertoire. Meistens bringt ihr ihr Verhalten eine ganze Menge Ärger ein. Sie lässt Tiere frei, prügelt sich, wenn ihr was nicht passt und oft tritt sie mit ihren Aussagen anderen gewaltig auf die Füße, ohne es überhaupt zu merken. „Delly Pattinson war winzig. Ihr Haar lag in festen Locken um den Kopf wie ein kupferroter Heiligenschein, und ihre Stimme war so rau, als wäre ihr Hals ein Schotterweg. Delly Pattinson, das bedeutete Ärger: kleiner ärger, der sich anschickte, GROSSER ÄRGER zu werden und der seinem Ziel täglich näher kam.“ Bis Ferris auftauchte. Die Neue in der Klasse wollte weder sprechen noch berührt werden. Alle akzeptierten das, aber Delly war das unmöglich. Doch ihre Haudrauf-Einstellung klappt bei Ferris nicht. Das Mädchen muss sich in Demut üben, wird dafür aber reichlich belohnt.

Katherine Hannigan aus New York, ist studierte Mathematikerin und unterrichtet Studenten in Kunst und Design an der Uni Iowa. Ihr Debüt „Ida B“ war Bestseller der New York Times und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sprecherin Jodie Ahlborn ist im deutschen Fernsehen wohlbekannt. Und auch im Hörbuchbereich hat sie inzwischen einen ziemlichen Namen gemacht. Ihr Können verleiht dem Buch noch das restliche bisschen Würze.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Mark Twain: Tom Sawyer

Es ist ziemlich spannend, wenn Tom mit Huckleberry auf dem Friedhof vermeintliche Mörder belauscht oder auf Schatzsuche geht, aber genau das ist es, was dieses Buch auch für Jungs durchaus interessant macht.

1876 erschienen, gilt „Tom Sawyer“ als Fingerübung des berühmten Autors. Tom hat nur Blödsinn im Kopf. Der Waisenjunge, der bei seiner für diese Zeit in der Erziehung sehr gutmütigen Tante Polly lebt, fasziniert den Leser mit seinen Einfällen und mit seinem Hang zu Huck, einem Jungen, den man heutzutage ‚keinen guten Umgang‘ nennen würde. Mark Twain, der eigentlich Samuel Langhorne Clemens hieß, beschreibt hier – ganz im Gegenzug zu seinen literarischen Mitstreitern – das Leben eines Jungen so wie es war. Wie in einer Milieustudie überlässt er das Werten anderen und beobachtet lediglich. Detailgetreu. Was für den Autor nicht zu schwer gewesen sein dürfte, denn Tom Sawyer soll einiges von Mark Twain in sich tragen….
4.0 Stars (4,0 / 5)