Albrecht Vorster: Warum wir schlafen

Wenn man die eine oder andere Frage zum Thema Schlaf beantwortet haben möchte und sich wissenschaftlich gesehen gerne an der Oberfläche bewegt, dann eignet sich dieses Buch perfekt. Man kann einfach nachschlagen. Egal, ob es darum geht, ob und wenn ja wie man einen Schlafwandler wecken kann, soll oder muss oder ob man wissen möchte, was unser Gehirn in welcher Schlafphase „aufräumt“, hier finden sich die Antworten. Gut gegliedert, nicht zu kompliziert und auch auch nicht zu lang und doch ausführlich genug, um mit seinem neu gewonnenen Wissen auch mal hausieren gehen zu können. Mit außergewöhnlichen Experimenten – wer feiert schon mit Schnecken die Nacht durch? -, partytauglichen Anektdoten und vielen Beispielen aus unser aller Schlafalltag lockert der Autor, ein Biologe, Philosoph und Science-Slam-Gewinner, das gesamte Schlafwissen auf und verhindert so, dass wir über seinem Buch einschlafen. Obwohl das doch fast besser wäre, denn laut Albrecht Vorster wacht, wer schläft, hinterher klüger auf als vorher.

Elke Satzger/Jann Wiennekamp: Lotti kann nicht pupsen

Es scheint ja daaas Thema schlechthin in diesem Sommer zu sein, denn kaum ein Kinderbuchverlag beschäftigt sich nicht in einem seiner neuen Exemplare mit dem Thema Flatulenzen. Aber man muss sagen, Annette Betz hat die beste Auswahl getroffen. Dieses Bilderbuch im Giraffenformat hat eine urkomische Geschichte: Lotti, die Giraffe hat ein Problem, irgendetwas kribbelt, kratzt und zwickt in ihr drin. Ihre Freunde versuchen ihr zu helfen und die Schlange Spirellina schaut mal nach, was da so los ist: „Du hassst eine Fliege verschluckt. Ich kann sssie aber nicht sehen. Wahrscheinlich issst die in deinem Bauch oder schon bei deinem Popo!“, stellt sie fest. Aber daaaa kriecht sie auf keinen Fall hin, das steht schon mal fest. Also muss es anders gehen. Der Affe Paule ist nicht ganz so empfindlich und schaut mal von außen nach. Und was entdeckt er: eine im Po feststeckende Fliege. Da hilft nur eines: kräftig pupsen. Aber wer kann das schon auf Kommando? Sie versuchen alle alles, bis es dann …. aber nein, das wollen wir hier nicht erzählen …

Die Zeichnungen einfach, aber ansprechend, das Thema gerade für Jungs bis ins Grundschulalter mindestens zum Piepen komisch und die Umsetzung einfach toll. Ein sehr schönes Bilderbuch!

Natur – Entdecken * Verstehen * Mitmachen

Der Titel verrät es eigentlich schon: Dieses Buch hat tausend Seiten. Zwar nicht im wahrsten Sinne des Wortes, da sind es „nur“ 64, aber die haben es in sich. Das Buch, das einen erstaunlich festen Einband hat und auch mal was aushält, lädt ein zum Experimentieren, zum Entspannen und vor allem zum Stöbern. Wissenswertes ist immer wieder eingestreut, gerade in der Menge, dass auch Lesemuffel hängen bleiben können. Die Sätze sind nicht schwer und sprechen selbst Legastheniker an. Die Zeichnungen sind naturgetreu und trotzdem phantasievoll und die Machart – wenn auch zunächst etwas verwirrend vom Aufbau her – ist extrem kindgerecht. Wobei sicher der ein oder andere Erwachsene ebenfalls daran hängenbleiben dürfte.

Paula Kuitunen: Mein Tabulu – ein Kinderfachbuch über Angst und Angststörungen

Tabea ging es gut, da wo sie wohnte. Sie hatte eine Freundin und sie hatte ihre Hobbies. Doch dann sind Tabeas Eltern umgezogen und sie musste mit. Der erste Tag in einer neuen Klasse ist immer aufregend, aber Tabea hatte plötzlich ein noch viel größeres Problem. Es hieß Tabulu, machte es sich auf ihrer Schulter bequem und quälte sie. Tabea wollte sich das nicht gefallen lassen und versuchte, Tabulu loszuwerden, aber bei jedem Versuch es abzuschütteln, wurde das Vieh noch größer- und es dauerte eine Weile bis Tabea verstand: Tabulu war ein Teil von ihr. Ein Teil, der wahrgenommen werden wollte und als Tabea das gelang, als sie offen darüber sprach, da stellte sich heraus, dass es von diesen Etwassen deutlich mehr gab als sie dachte. Auf fast jeder Schulter saß eins, mal kleiner, mal größer, aber immer erschreckend. Doch sobald alle merkten, sie sind nicht alleine mit ihren Ängsten, wurden diese leiser.

Etwa jedes zehnte Kind leidet irgendwann im Laufe seiner Kindheit einmal unter einer Angststörung. An einem ängstlichen Verhalten, das über die natürliche und oft auch hilfreiche Angst weit hinausgeht. Eine Herausforderung auch für die Eltern und andere Bezugspersonen, denn sie sind gefordert, angemessen damit umzugehen. Ohne professionelle Hilfe ist das oft nicht ganz einfach, vor allem auch, weil die Abgrenzung sehr schwer fällt. Die Buchreihe MindOlino beschäftigt sich mit schwierigen Themen und die Initiative, die dahintersteht, kämpft für eine offenen und akzeptierenden Umgang mit psychischen Problemen und Erkrankungen.

Das Buch ist aus der Ich-Perspektive erzählt und schafft so eine gute Verbindung zum Leser, am Schluss findet man einen Steckbrief, in dem das Kind seine Angst ausformulieren kann und ein paar Hintergrundinformationen zum Thema. Ein Kinderfachbuch, das an vielen Orten zum Einsatz kommen kann. Vom Kindergarten über die Schule bis hin zu Kindertagesstätten, Horten und auch Praxen aller Art. Überall da, wo Gesprächsbedarf zum Thema Angst herrschen dürfte.

Anne Ameling/Günther Jakobs: Hektor spielt nicht mit Mädchen!

Der kleine Igel Rocky hat ziemlich genaue Vorstellungen davon, was Jungssache und was Mädchenkram ist. Und natürlich ist Wölfchen Hektor da ganz seiner Meinung. Theoretisch zumindest, denn praktisch würde ihm das schon durchaus mal gefallen, was die Mädels da spielen. Aber das traut er sich nicht zu sagen. Die Mädchen, eine Eule und ein Eichhörnchen allerdings lassen sich diese Vorurteilerei nicht gefallen und zeigen Rocky bei einem überraschenden Fußballspiel, was sie können …
Es ist sicher keines der absoluten Highlights der Saison, aber es ist gut, dieses Bilderbuch. Denn gerade Jungen tun sich heute besonders schwer, ihre Rolle zu finden. Und die Umwelt macht es ihnen nach wie vor nicht leicht. Ein Mädchen, das mit Autos spielt? Wunderbar. Ein Junge, der den ganzen Tag eine Babypuppe rumträgt – hmmmm, da kommt schon mal ein Spruch. Das Schöne an diesem Buch ist die Herangehensweise ans Thema: unaufgeregt und nicht polarisierend – optimal geeignet auch für Kindergärten und ähnliche Einrichtungen. Am besten ist der Wolfsvater, der – auf Hektors Hinweis hin, dass Schmetterlinge ja wohl Mädchenkram seien – nur lapidar antwortet: Schmetterlinge sind Schmetterlinge. Und am Schluss spielen alle alles: Jungskram und Mädchenkram, Eichhörnchenkram, Wolfskram, Igelkram und Eulenkram und am allerliebsten Schmetterlingskram.

Bridget Collins: Die verborgenen Stimmen der Bücher – gelesen von Frank Stieren

Emmet, ein einfacher Bauernsohn, erleidet das Buchbinderfieber und wird von seiner Familie weggeschickt. Schließlich leben sie in einer Zeit, in der Bücher verpönt sind und die Kreuzzüge gegen das geschriebene Wort noch fest in den Erinnerungen verankert sind. Ein „Irrsinniger“ wie Emmet ist da nicht gern gesehen. Auch dann nicht, wenn die Eltern sehr gut wissen, dass das Erlebte mit Wahnsinn eigentlich gar nichts zu tun hat. Emmet kommt zur alten Buchbinderin Seredith, die fast ein bisschen wie eine Hexe aus einem Bilderbuch wirkt. Tief im Inneren ihres kleinen Häuschens sind zahlreiche Bücher versteckt, die sie selbst gebunden hat – bzw. bei denen sie die Erinnerungen der Personen, um die es geht, gebunden hat. Denn das ist die Handwerkskunst, die Emmet lernen soll. Doch soweit kommt es nicht, Seredith stirbt und ihr Sohn nimmt sich Emmet an, nicht ganz uneigennützig …

Und von da an beginnt die Geschichte sich ein bisschen zu ziehen, jetzt ist der Moment, wo man mehr wissen möchte. Über die Buchbinder an sich, ihr Handwerk, die Hintergründe, die Kreuzzüge, aber die Autorin hält sich eher bedeckt, auch die Liebesgeschichte, die sie spannt, wirkt irgendwie oberflächlich, und es wird zeitweise schwierig, die Motivation aufzubringen, weiterzuhören. Was auch am Sprecher liegen mag, denn auch, wenn seine Stimme sehr schön ist und er die einzelnen Charaktere gut rüber bringt: auf Dauer wirkt es ein bisschen monoton. Aber letztendlich lohnt es sich, dranzubleiben.

Jeder von uns birgt wohl ein tiefes Geheimnis, eine ferne Erinnerung, die man nicht unbedingt bräuchte. Auf die man gut verzichten könnte. Und die sich doch immer wieder und äußerst ungewollt in die Gegenwart schleicht. Ein absolutes Vergessen wäre da doch wünschenswert. Oder? Und genau bei diesem Oder bleibt man nach der Lektüre dieses Buches hängen. Ein tröstlicher Gedanke, den Bridget Collins da pflanzt.

Kai Lüftner, Wiebke Rauers: Furzipups, der Knatterdrache

Furzipups, der Knatterdrache hat ein Problem, denn während die anderen Drachenkinder alle Feuer spucken können, kommt bei ihm nur heiße Luft.
Schaut man sich im derzeit aktuellen Angebot der Verlage mal ein bisschen um, dann fällt eines ganz besonders auf: Das Pupsen ist ein Riesenthema in diesem Jahr. Und auf jeden Fall eines, was bei der Zielgruppe der Kindergartenkinder, vor allem, wenn sie männlich sind, besonders gut ankommt. Kaum einer kann so über das Entweichen von Körperluft und den dazugehörigen Geruch so lachen wie vier- bis fünfjährige Jungs. Denen kommt ein Buch wie dieses, das auch noch einen Furzbutton hat, doch gelegen – sollte man meinen. Aber leider – und man weiß nicht, liegt es am gequälten Geräusch des eingebauten Buttons oder doch eher an den Reimen, die dermaßen hingebogen wurden, dass man sie nicht mal mehr schön vorlesen kann … Es könnte auch daran liegen, dass die Geschichte nicht stimmig ist. Denn ob der Rat, sich einfach ins Bett zu legen und den Flatulenzen freien Lauf zu lassen, wenn man anders ist als andere und darunter leidet, wirklich pädagogisch wertvoll ist, bleibt anzuzweifeln. Da hilft es leider auch nicht mehr, dass der Drache eigentlich ganz süß gezeichnet ist – denn auch eigentlich ist eine Einschränkung. Aus dieser Geschichte wäre deutlich mehr rauzuholen gewesen.

Caroline Stürmer: Für Jungs, die anders sein wollen

Man muss nicht ganz fest daran glauben, dann kann man alles werden: Fußballprofi, Rockstar oder sogar der Wissenschaftler, der den Krebs besiegt … das ist die Botschaft dieses Buches, das aufzeigt, wie unterschiedlich die wirklich großen Männer der letzten Jahrhunderte waren bzw. sind und was sie alle miteinander verbindet. Persönlichkeiten wie Prince Harry oder Willy Brandt werden genauso skizziert wie Freddy Mercury, James Dean oder Lawrence von Arabien. Dieses Buch richtet sich gezielt an Juns, erzählt die Lebensgeschichten von 50 Männern und erklärt, was diese so besonders macht. Sie waren nicht alle gut in der Schule, aber sie alle haben an ihre Ziele geglaubt, haben gelernt, an ihren Träumen festzuhalten und mit Niederlagen umzugehen. Und sie alle können jedem von uns – auch den mitlesenden Eltern – den Mut geben, den eigenen Weg zu gehen. Auch, wenn da mal Steine liegen. Denn wie heißt es so schön, frei nach Goethe: Auch aus den Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.

Kleine Kullerkrabbe – illustriert von Christine Kugler

Wo ist die Kugel? Jeder guckt. Oh, der Wal hat sie verschluckt! Und nicht nur das, die sich drehende bunte Kugel – das Zentrum dieses putzigen Bidlerbuches – macht noch viele andere Erfahrungen und ist letztendlich eine Perle – im doppelten Sinne. Sechs bis zwölf Monate sollte das Baby alt sein, um richtig Spaß mit diesem Büchlein zu haben, das Papier ist sozusagen bissfest, die Kugel gut festgemacht und das Papier – so wie es sich für unsere künftigen Generationen gehört – aus verantwortungsvollen Quellen.

w. Thomas Boyce: Orchidee oder Löwenzahn?

Wie unterschiedlich Menschen sein können, das wissen Mütter, die bereits mehrere Kinder zur Welt gebracht haben. Bereits im Bauch ist eines ganz empfindsam und das andere wehrt sich, wenn ihm was nicht passt, jeder Mensch kommt bereits mit seiner Grundpersönlichkeit auf die Welt – den Rest macht die Umwelt. Und hier kommen Begriffe ins Spiel wie Resilienz.
Der Autor, der die Menschheit grob gesagt in Löwenzahnpflanzen und Orchideen einteilt, ist Professor für Kinderheilkunde und Verhaltenspsychologie, also auf jeden Fall jemand, der weiß, wovon er spricht. Und der Studien zitiert, die staunen lassen. Der Beispiel bringt, die unter die Haut gehen und erklärt, was nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich ist. Ein Buch, das nicht nur dabei helfen kann, die eigene Persönlichkeit besser zu verstehen, sondern das vor allem auch dabei helfen kann, die Persönlichkeit des eigenen Kindes zu unterstützen und so in Bahnen zu lenken, die dem Kind guttun – auch dann, wenn wir es von außen vielleicht nicht immer verstehen.