Katja Reider/Henrike Wilson: Saumüde

Der Tag war lang, Mama Schwein ist müde, um es ganz genau zu nehmen sogar saumüde. Nicht so der Nachwuchs. Das kleine Ferkel ist hellwach und es ist ihm auch ganz egal, dass die Hühner schon gähnen. Es weckt sie einfach ganz schnell wieder auf. „Ich glaube, ich bin auch nachtaktiv“, stellt es begeistert fest, als es die Eule kennenlernt. Mama Sau sieht das ein bisschen anders und gibt ihr Bestes, um ihr Kleines zur Ruhe zu bringen. Das allerdings glaubt, kein bisschen müde zu sein und wird immer überdrehter. Fast kommt es zum Unglück … aber zum Glück sind Mamas ja immer dann hellwach, wenn es darauf ankommt. Eine Thematik, die fast alle Eltern kennen: Man selbst kann kaum mehr die Augen aufhalten, die Kinder allerdings finden tausend Gründe, um nicht ins Bett zu müssen. Schließlich gibt es ja noch so viel zu erleben. Ein schönes Bilderbuch, um abends einen ereignisreichen Tag abzuschließen. 

Emma Sternberg: Liebe und Marillenknödel

Zugegeben, die Geschichte ist etwas kitschig. Aber wer romantischen Kitsch ab und zu mal mag, ist bei dieser Geschichte schon richtig. Eigentlich passiert der Hamburgerin Sophie genau im richtigen Moment das, was sie braucht. Sie erbt einen Hof in den Bergen – mitsamt Gastronomie. Und weil sie sowieso gerade ihren Job verloren hat und ihr Freund lieber den Mund seiner Chefin an sein bestes Stück lässt, macht sie sich auf den Weg, um die Pension zu führen. Was sie allerdings erwartet, ist ein hartes Stück Arbeit. Denn irgendetwas stimmt mit dem Hausmeister und dem Zimmermädchen nicht, der Gasthof hat keine Gäste mehr und das Essen … Irgendwann taucht Nick in der Geschichte auf und gemeinsam … na, wie das halt so ist. Es kommen ein paar Schwierigkeiten, sie meistern sie erfolgreich und schlagen die Konkurrenz.

Wenn man nicht viel nachdenken möchte, einfach einmal wieder eine Geschichte braucht, die einem die Zeit vertreibt und auf andere Gedanken kommen lässt, dann ist diese von Britta Steffenhagen gelesene CD durchaus das Richtige. In Frage stellen, darf man aber weder das Glück der Protagonistin, noch deren Unfähigkeit, mit 33 Jahren einen Tisch so zu decken, dass die Gabel richtig liegt.

Schindler/Zachenhofer: Die geteilte Seele

Wer möchte nicht eins mit sich werden? Ein Facharzt für Psychiatrie und eine Neurochirurgin, die inzwischen ebenfalls in der Psychiatrie arbeitet, sind davon überzeugt, dass vier Persönlichkeiten in unserer Seele wohnen. Ganz neu ist dieser Gedanke nicht, man kennt ihn nicht zuletzt von Herrn Faust und nicht zuletzt aus verschiedenen Kulturen und Richtungen. Den beiden Autoren ist es ein Anliegen, dass jeder in der Lage ist, die verschieden stark ausgeprägten Anteile in sich zu erkennen und miteinander ins Lot zu bringen.

Die vier verschiedenen Persönlichkeiten in uns – die mit multiplen Persönlichkeiten gar nichts zu tun haben – helfen uns, die Herausforderungen, die das Leben an uns stellt, in den Griff zu bekommen. In der Regel gelingt das ganz gut und wir richten uns in einer Hauptpersönlichkeit ein bisschen ein. Das allerdings nimmt uns Möglichkeiten. Um sich selbst ein bisschen mehr kennenzulernen – dafür eignet sich der Selbsttest sicher. Ob das Buch an sich einen weiterbringt ist die Frage – denn das Problem ist: Es bringt zum einen nichts wirklich Neues auf dem Selbsterkenntnismarkt und zum anderen ist es nicht wirklich flüssig geschrieben und irgendwie schwer zu lesen, ohne schwere Kost zu sein. Vielleicht hätten die beiden einen Linguisten ins Boot holen sollen. Denn eigentlich treffen sie den Nerv der Zeit.

Kai Lüftner: Sei kein Frosch

Hope ist ein Laubfrosch und weil bei der Vererbung der Farbe Grün das Gelb gefehlt hat, ist er eben blau. Hope ist anders als andere Frösche. Was vor allem auch daran liegen kann, dass er eine andere Erziehung genossen hat. Seine Mutter hat eine Weile bei den Menschen gelebt und dort einiges aufgeschnappt. Leider ist sie bereits früh verstorben und Hope, einziger Überlebender seiner Familie, muss sich mehr oder weniger alleine durchschlagen. Was ihm dank seiner Intelligenz auch ziemlich gut gelingt. Eines Tages findet er einen Toten im Teich und er weiß auch, wer das ist: ein Umweltschützer, der versucht hat, ein Bauprojekt auf den Wiesen, auf denen Hopes Heimat liegt, zu verhindern. Der kleine blaue Frosch macht sich ans Werk, um den Mörder zu finden. Und bekommt dabei menschliche Unterstützung.

Man kennt ihn von Furzipups und den Finstersteins – Kai Lüftner hat sich inzwischen durchaus einen Namen gemacht auf dem Kinderbuchmarkt. Und auch dieses Buch ist nicht schlecht. Wirklich hervorragend allerdings ist es leider auch nicht. Das liegt vor allem an einer Sprache, die alles andere als kindgerecht ist und bei der Wörter verwendet werden, die ein normaler Zehnjähriger jetzt nicht unbedingt auf dem Schirm hat. Beim Vorlesen ist man also dauernd gezwungen zu stoppen, um zu erklären und beim Selbstlesen wird im besten Fall darüber weggelesen. Beides nicht optimal. Doch der Erwachsenenblick scheint sich von dem der Zielgruppe in diesem Fall gewaltig zu unterscheiden. Denn die findet den kleinen blauen Detektivfrosch spannend und cool.

Tracey Garvis Graves: Annika Rose und die Logik der Liebe

Noch vor gar nicht langer Zeit hätten die meisten einfach nur gesagt, Annika spinnt ein bisschen. Die junge Frau hat nämlich zahlreiche Eigenarten, die sehr seltsam anmuten. Sie ist nicht gern unter Leuten, fremde Situationen machen ihr Angst, Routine gibt ihr Halt. Routine und das Schachspiel, in dem sie komplett aufgeht. Ihre einzige Freundin Janice hilft ihr, die aufgrund ihrer Verhaltensmuster jahrelang zuhause unterrichtet wurde, sich auf dem Uni-Campus zurechtzufinden. Und bewahrt sie vor dem Gespött der anderen. Sie ist es auch, die den Schachclub auftut und Annika den Weg dorthin ebnet. Endlich hat die junge Frau einen Ort, der ihr Sicherheit bietet. Und an dem Jonathan auftaucht und ihr Leben durcheinanderwirbelt. Die beiden führen eine gute Beziehung – bis Jonathan beruflich weg muss und Annika nicht in der Lage ist, ihm zu folgen. Ihre Wege verlieren sich. Doch wie so oft im Leben treffen auch Annika und Jonathan sich ein zweites Mal …

Dieser Roman der New-York-Times-Bestseller-Autorin Tracey Garvis Graves behandelt ein Thema, das immer mehr an die Öffentlichkeit drängt: Autismus bzw. seine Facetten. Annika Rose leidet unter ihrer  Autismus-Spektrum-Störung und findet ihre Mitmenschen meistens verwirrend, bisweilen sogar beängstigend. Sie tut sich schwer damit, das Verhalten anderer richtig einzuordnen und braucht den Schutz derer, die es gut mit ihr meinen. Jonathan ist, genau wie Janice, eine wichtige Stütze. Wie sehr sie ihn liebt, wird ihr allerdings erst dann bewusst, als sie ein zweites Mal im Begriff ist, ihn zu verlieren.

Wirklich gerecht wird der Roman seiner Protagonistin trotzdem nicht. Wer es liest, und nicht mehr über Autismus weiß, wird schnell denken, dass dem Begriff „strange“ einfach nur ein anderer Name gegeben wurde. Statt die Handlung gegen Ende extrem dramatisch, aber auch sehr unglaubwürdig werden zu lassen, wäre es vielleicht besser gewesen, sich tiefer mit den Facetten dieser Entwicklungsstörung zu beschäftigen.

Tiina Nopola/Mervi Lindman: Drei Freunde für Siri

[aartikel]3770753607:left[/aartikel]Mann sieht irgendwie dick aus, findet Siri und drückt mal vorsichtig, um zu sehen, ob da ein Baby drin ist. Aber da ist keines. Was Siri sehr schade findet. Das kleine Mädchen weiß grad gar nichts mit sich anzufangen. Also beschließt sie, wenn schon kein Baby, dann mindestens ein Hund. Und wie jedes Kind, das einen Hund will, kann Siri ganz schön hartnäckig sein. Frau Fröhlich will ihr ihren Hund partout nicht geben, genauso ist es bei Herrn Anton. Siri hat sich so auf das Thema versteift, dass sie gar nicht bemerkt, was um sie herum passiert … und dass eine Freundschaft mit einem, zwei, drei Menschen doch sicher mindestens so gut wäre wie ein Baby oder ein Hund. Mindestens.

Dieses Bilderbuch ist ein echter Trost für alle, die sich ein Geschwisterchen wünschen und keines bekommen, einen Hund wünschen und keinen bekommen – nur nicht für die, die sich Freunde wünschen und keine bekommen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bethanie Deeney Murguia: Glaubst Du an Einhörner?

[aartikel]3280035627:left[/aartikel]Da steht ein Pferd mit Hut. Ein weißes Pferd mit einem hohen Hut. Es kööööönnte ein Einhorn sein. Wenn sich das Horn unter dem Hut versteckt. Wir verfolgen es also einmal und sehen, was passiert. Und richtig spannend wird es, als das Pferd den Hut ablegt. Doch auch dann ist nie ganz klar, um was es sich handelt … Egal, wie viele Schmetterlinge und Blumen seinen Weg gesäumt haben.
Dieses Kinder-Bilderbuch ist aufgebaut wie die Unterhaltung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind. Das Kind ist sicher, dass es sich um nichts anderes als ein Einhorn handeln kann. Sooo viele Indizien. Aber der schnöde, phantasielose Erwachsene findet immer neue Argumente dafür, warum das Pferd einen Hut trägt und warum es, selbst ohne diesen, auf keinen Fall ein Einhorn sein kann. Bis er selbst zu zweifeln beginnt.

Dieses Buch lebt von den Zeichnungen. Mehr noch als andere Bilderbücher. Es lebt von optischer Täuschung, von Phantasie und Vorstellungsvermögen. Und regt auch den erwachsenen Vorleser dazu an, mal wieder auf kindliche Art und Weise seinen Horizont zu erweitern.

Peter Høeg: Durch deine Augen – gelesen von Frank Stieren

[aartikel]3958625177:left[/aartikel]Simon kommt nicht klar, versucht sich das Leben zu nehmen, obwohl er doch eigentlich alles hat, was man sich wünschen kann. Sein Freund Peter versucht ihm zu helfen und nimmt Kontakt mit Lisa auf. Sie war die Kindergartenfreundin der beiden – was sie aber aufgrund tragischer Umstände vergessen hat – und leitet heute ein Labor, in dem Experimente stattfinden, die ganz tief ans Eingemachte gehen. Mithilfe von Hologrammen gelingt es ihr, in das Bewusstsein anderer einzusteigen und deren Erinnerungen zu erleben. Sie lädt Simon ein, sie zu begleiten und das, was er dort, in den Untiefen des Unbewussten, erlebt, ist, wie so vieles Unbewusste, grausam. Missbrauch, Krieg, Elend, Traurigkeit und immer wieder der Tod – es ist schwer auszuhalten. Und doch kommen sich Lisa und er näher bei dem Versuch, Simon zu retten. Simon, der mit ihnen damals, vor so vielen Jahren, in die Träume anderer gereist ist.

Peter Høeg, 1957 in Kopenhagen geboren, ist mit dem Roman „“Fräulein Smillas Gespür für Schnee““ zum internationalen Bestsellerautor geworden. Dieses Buch ist deutlich schwerer zu lesen bzw. zu hören. Und es besteht die Gefahr, dass der ein oder andere kapituliert anhand all der Grausamkeiten und seelischer Abgründe. Dabei lohnt es sich, dabeizubleiben. Was einem der Sprecher auch einfach macht, denn obwohl es durchaus leicht langatmige Passagen gibt, er überspielt das gekonnt.
Besonders erwähnenswert ist das Cover, das sowohl die Stimmung als auch den Inhalt des Buches perfekt wiedergibt.

Martin Muser: Kannawoniwasein – Manchmal muss man einfach verduften

[aartikel]3551553750:left[/aartikel]Kannawoniwasein! Da fährt man das erste Mal allein mit dem Zug und dann sowas: Finn wird beklaut. Und als ob das nicht schon genug wäre, landet Finn ohne seine Fahrkarte irgendwo im Nirgendwo. Könnte schlimm sein, ist es aber nicht, denn nur so lernt der Junge Jola kennen. Die coole Jola, die sich nichts gefallen lässt und weiß, wo’s langgeht. Im übertragenen wie im wahrsten Sinne des Wortes. Und diese Reise zurück in die City beinhaltet einiges an Aufregung. Und wie das so ist in solchen Situationen: Das schweißt zusammen.

Dieses vertonte Buch galt als das Überraschungsbuch des Jahres 2018 und ist genau das Richtige für Fans von Emil & die Detektive oder Rico & Oskar. Stefan Kaminski als Sprecher holt dann noch den letzten Rest raus und macht das Hörbuch zu einem echten Highlight.

Daniel Glattauer: Vier Stern Stunden

[aartikel]9783957131409:left[/aartikel]Eines gleich vorweg: Ein typischer Glattauer ist dieses (Hör-)Buch nicht. Schlecht ist es aber auch nicht.

Bei den Kulturtagen im Hotel Reichenshoffer ist die Unlust dem Romanautor Frederic Trömerbusch, der hier interviewt werden soll, direkt ins Gesicht geschrieben. Und dabei ist es dem in die Jahre gekommenen Herrn auch ziemlich egal, dass die ihm gegenübersitzende Journalistin Mariella Brem eigentlich ein großer Fan von ihm ist und sich diese eine Begegnung doch so ganz anders ausgemalt hatte. Trömerbusch will zurück ins Hotelzimmer zu seiner jungen Geliebten, die ihn, den Autor mit der Schreibblockade, wieder auf junge, frische, erfrischende Pfade führen soll. Doch dazu hat diese, eine Bloggerin, überhaupt keine Lust. Und mischt die Veranstaltung lieber ein bisschen auf.

Das Stück, das in einem etwas abgehalfterten Vier-Sterne-Hotel spielt, ist kurzweilig, die 90 Minuten vergehen wie im Flug, einzig der Sprecher des Hotelerben überzeugt ganz und gar nicht. Kritisieren könnte man auch, dass Glattauer die sonst so fein geschliffenen Wendungen des Lebens, die er normalerweise spitz und pointiert zur Sprache bringt, hier eher nicht zur Geltung kommen lässt. Stattdessen entstand ein Stück, das an persönlicher Tragik, genau weil ebendiese Tragik fehlt, nichts zu wünschen übrig lässt.