Regina Schwarz/Susanne Szesny: Wenn kleine Tiere Pipi müssen

Pipi machen ist für kleine Kinder ein ganz großes Thema. Vor allem dann, wenn sie gerade dabei sind, sauber zu werden. Zu dem Thema gibt es zahlreiche Bücher, das hier fällt allerdings ein bisschen aus dem Rahmen: Es zeigt, wie alle anderen Pipi machen, dass die Tiere dafür keine Windel brauchen und dass es selbst im Tierreich nicht alle einfach laufen lassen, sondern viele ebenfalls ein Klo benutzen. Auch wenn dieses ein bisschen anders aussieht als unseres.
Etwas weniger schön, weil nicht ganz so gelungen in der Versform, sind die Reime, aus denen der Text gestaltet ist. Die Bilder dafür haben genau den altmodischen Charakter, der sich gerade wieder ein wenig durchsetzt. Und der es Kleinkindern ermöglicht, jedes Detail genau zu betrachten. Trotzdem kann auch hier Susanne Szesny ihren Stil nicht verleugnen.

Wenn man übrigens ein Geschwisterkind zuhause hat, das gerade das Lesen lernt, dann wird dieses mit „Wenn kleine Tiere Pipi müssen“ ebenfalls viel Spaß haben. Denn dieses Thema ist und bleibt aktuell – nur bekommt es dann einen humorvolleren Charakter.
3.8 Stars (3,8 / 5)

Cuno/Kraushaar: Mein erstes Arztkofferbuch

Gerade für die Zweijährigen ist das Thema Arztbesuch ein großes Thema. Zum einen, weil sie selbst öfter hinmüssen, zum anderen aber auch, weil sie beginnen, sich für ihren Körper zu interessieren. Dass es hierzu also zahlreiche Bücher auf dem Markt gibt, ist naheliegen. Dieses Buch fällt da hübsch aus dem Rahmen. Denn es ist tatsächlich aufgemacht, wie ein kleines Köfferchen und die wichtigsten Arztutensilien wie der Reflexhammer, die Spritze oder das Stethoskop kann man herausnehmen, sie wieder hineinpuzzeln oder auch gleich damit spielen. Die Texte sind einfach, kurz gehalten und absolut altersentsprechend.

Eine hübsche Idee aus dem Hause Ravensburger.
4.1 Stars (4,1 / 5)

Fleur Smithwick: Wo du auch bist

Alice und Sam sind unzertrennlich. Sie spielen jeden Nachmittag zusammen, sie erzählen sich alles, sie gehen sogar in die gleiche Klasse – aber Sam ist nicht real. Er ist einer der häufig auftretenden imaginären Freunde, die viele Kinder haben und die gerade in schwierigen Lebenssituationen sehr hilfreich sein können. Und wie es mit diesen Wesen ist – irgendwann sind sie weg und keiner weiß, wann genau sie nicht mehr gebraucht wurden. Und so war das auch bei Alice.

Bis bei einem fürchterlichen Unfall, an dem sich die junge Frau die Schuld gibt, ihr bester Freund Rory stirbt. Plötzlich ist Sam wieder da. Inzwischen selbst zum Mann gereift kümmert er sich um die angeschlagene Alice, tröstet und unterstützt sie. Und er wirkt völlig real. Sie kann ihn sehen, sie kann ihn fühlen, wenn er mit ihr allein ist, kann er sogar Dinge bewegen. Ihr Umfeld reagiert mit zunehmenden Unverständnis. Was Alice nichts ausmacht, bis auch Sam anfängt, sie unter Druck zu setzen und dabei immer mehr Macht bekommt.

Das ist bei Weitem nicht alles, was diese Geschichte hergibt. Es ist ein wundervolles Buch über die Kraft der Liebe, aber auch die der Trauer und Verzweiflung, über Realitäten und wie diese von jedem unterschiedlich wahrgenommen werden und über die Wucht von Macht.

Das Einzige, was man diesem Buch ankreiden könnte, ist das Cover. Denn das Original trifft es deutlich besser. Das deutsche Cover ist absolut nichtssagend und wirkt, gemeinsam mit dem Titel wie eine dieser langweiligen Liebesgeschichten – dabei ist der Roman, der bisweilen schon Thriller-Aspekte beinhaltet, alles andere als das. Er gehört zu den Besten. Und um die sonst so verhasste Floskel mal wieder zu bemühen: Man darf gespannt sein auf das zweite Buch der Autorin.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Gernot Gricksch: Morgens in unserem Königreich

Nur wenige verstehen es wie Gernot Gricksch, sowohl Männer als auch Frauen zu faszinieren mit ihren Geschichten. Auch diese ist wieder für beide Geschlechter geeignet. Es geht um Arne, die durch das Zusammenkommen einiger ungünstiger Umstände ausgerechnet bei den Zeugen Jehovas unterschlüpfen muss. Eine andere Welt, eine andere Denkweise – und doch irgendwie faszinierend für den jungen Mann, der normalerweise seine paar Kröten in einer Würstchenbude in der Nähe der Rotlichtmeile verdient und sonst am allerwenigstens mit Menschen zu tun hat, die so viel anhaben, so viel denken und so vehement überzeugt sind von etwas, was ihm wie ein völliger Unsinn erscheint. Aber da ist eben auch Johanna, die zwar bis dato nie an ihrem Glauben und vor allem der dazugehörigen Gemeinschaft gezweifelt hat, die aber auch nie wirklich hineingepasst hat.

Arne öffnet ihr die Augen und zwar nicht nur darüber, sondern auch gleich noch über ihren Verlobten Matthias – und sie hilft ihm, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen. Und setzt damit einiges aufs Spiel.

Das Thema Zeugen Jehovas ist extrem gut gewählt, denn darüber weiß man in der Regel wenig. Die Einblicke, die Gricksch einem in die Glaubensgemeinschaft gibt, mögen nicht komplett authentisch sein, aber sie sind sicher überzeugend. Dass er wie fast immer den richtigen Ton trifft, dass seine Bücher echtes Filmpotenzial haben und die reinsten Pageturner sind – das weiß man und da wurde man auch diesmal nicht enttäuscht. Leichte Lektüre mit tiefem Hintergrund.
4.7 Stars (4,7 / 5)

Schirin Homeier: Sonnige Traurigtage

Hauptperson ist Mona. Sie hat eine psychisch kranke Mutter. An manchen Tagen ist alles gut, an anderen schafft es ihre Mama nicht einmal, vom Sofa aufzustehen, um ihr die Haustüre zu öffnen. Sie ist zu schwach zum Kochen und überall liegt alles herum. Doch nicht nur Mama ist traurig, Mona auch. Vor allem dann, wenn sie das Gefühl hat, alle um sich herum anlügen zu müssen. Die Lehrerin, die Freundin – Mona spürt, dass sie nicht über Mamas Krankheit sprechen kann. Und versucht, alles zu tun, damit Mama sich freut, gibt sich die Schuld, wenn es nicht klappt. Doch manchmal wird sie auch wütend. Zum Beispiel dann, wenn sie sich geniert, Freunde zu sich einzuladen, denn es könnte ja einer der Traurigtage sein. Eines Tages nimmt sie allen Mut zusammen und erzählt ihrer Lehrerin von der Situation und damit ändert sich alles….

Im ihrem Vorwort erklärt die Autorin zunächst einmal, was es für ein Kind bedeutet, wenn ein Elternteil psychisch krank ist. Das fängt schon damit an, dass niemand gerne und vor allem offen darüber spricht, es wird unter den Tisch gekehrt, man schämt sich, auch die Angehörigen. Für die Kinder macht es das nur noch schwerer. „Sonnige Traurigtage“ ist einer der gelungenen Beiträge in der jüngsten Vergangenheit, um Kindern in dieser Situation zu zeigen, dass sie erstens nicht schuld sind und zweitens nicht allein. Auch, wenn es ihnen oft so vorkommt.

Die Autorin geht sehr praktisch an das Thema heran, lässt Mona im zweiten Teil selbst alles erklären, was sie vom Hausarzt, dem Psychiater und den Beratungsstellen weiß – und hilft mit praktischen Tipps wie der Nummer gegen Kummer weiter.

Kleine Kinder, die ja ebenso unter einer psychischen Erkrankung leiden, müssen beim Lesen des Buches noch unterstützt werden, am besten, man sortiert vorher ein wenig aus und sucht altersgerecht heraus, was sich eignet. Aber ab etwa 8 Jahren ist es kein Problem, gerade einem Kind, das sich schwer tut, darüber zu reden, ein solches Buch auch einfach einmal in die Hand zu drücken. Sozusagen als Gesprächsbasis. Zudem sollte es in Beratungseinrichtungen und auch in Kindertagesstätten nicht fehlen. Denn die Zahl der psychischen Erkrankungen scheint zu steigen – vielleicht sieht man aber auch heute nur genauer hin. 4.0 Stars (4,0 / 5)

Antje Szillat: Maja und Motte

Die Hufnagel-Zwillinge sind so, wie man sich Zwillinge vorstellt. Sie ergänzen sich optimal, sind wie zwei Seiten eines Ganzen. Aber das birgt auch Ärgerpotenzial, nämlich dann, wenn die aufgewecktere von beiden, Motte, mal wieder ziemlich dämliche Ideen hat, die schon von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Dabei hat das Mädel ja im Kern Recht, wenn es sich das nicht gefallen lässt, dass an einer Waveboard-AG nur Jungs teilnehmen. Und Gleichberechtigung einfordert. Doch ihr Plan baut auf Lügen auf – und irgendwann wird das Maja zu viel. Und sie bricht den hochheiligen Zwillingsschwur…

Antje Szillat weiß, wie man Kinderbücher schreibt, manchmal allerdings hat man das Gefühl, sie bedient bestimmte Knöpfe und dann läuft das schon. Dieser Band von Maja und Motte, der fünfte übrigens, ist nur bedingt spannend, an manchen Stellen zu überzogen, doch die Zeichnungen, die überall im Buch verteilt sind und diesem einen Tagebuchcharakter verleihen sowie die Briefe, die sich die Zwillinge selbst dann schreiben, wenn sie richtig Knatsch haben, treffen den Geschmack der Zielgruppe genau. Wobei diese bei Mädchen mit etwa sieben, acht, neun, zehn angegeben werden kann und bei Jungs mit sieben – dann wird es ihnen definitiv zu mädchenlastig.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Vom 16. bis 21. Juli: White Ravens Festival

Kurzmitteilung

Das White Ravens Festival ist auch in diesem Jahr wieder Schau- und Tummelplatz der Kinder- und Jugendliteratur. Hier trifft man Autoren und Illustratoren, hier können Lehrer noch was lernen und Kinder Schreibwerkstätten besuchen. Hauptveranstaltungsort ist Schloss Blutenburg, Sitz der Internationalen Jugendbibliothek in München. Aber die eingeladenen Gäste gehen auch auf Bayerntour. Schulen, Bibliotheken und andere Veranstalter, die interessiert sind, haben noch Chancen, müssen sich aber beeilen.

Maya Shetreat-Klein: Darm heilt Hirn heilt Körper

Eigentlich ist sie Neurologin, aber sie hat sich auf Ernährung spezialisiert: Dr. Maya Shetreat-Klein findet es nicht gut, dass man Kindern, die zum Beispiel Verhaltensauffälligkeiten zeigen, Medikamente verschreibt, statt sich erst einmal anzusehen, wie sie sich ernähren. In ihrem Buch erklärt sie, wie die heutige Anbauweise, wie Gentechnik und Zusatzstoffe die Maschine Körper mitsamt Geist zum Stolpern bringen, wie man lernt, auf den Körper zu hören und welche Rolle Keime spielen.
Sie ist nicht die erste, die erkannt hat, dass Bakterien, Viren, selbst Parasiten und Pilze etwas mit unserer Gesundheit zu tun haben und der Darm unsere eigentliche Steuerzentrale ist. Aber sie schreibt so, dass jeder es verstehen kann. Bringt Beispiele und Rezepte, Anleitungen für das gemeinsame Essen und Tipps, wie man mit Situationen umgehen kann, in denen ungesunde Nahrungsmittel kaum umgänglich sind. Obwohl bezweifelt werden darf, dass ein normales Kind an einem Kindergeburtstag den Kuchen ausschlagen wird und sich stattdessen die mitgebrachten Algen, Ingwerstückchen und Süßkartoffelchips zugute führen wird.
Grundsätzlich hat diesen Buch einen guten Ansatz und nimmt man das Übertriebene und Alltagsferne nicht ganz so ernst beim Lesen, dann kann man einiges dazulernen und vielleicht doch das eine oder andere in seinen Alltag integrieren.
2.9 Stars (2,9 / 5)

Into the wind

Kurzmitteilung

Vom 25. Mai bis 3. Juni 2016 veranstaltet der Verein kulturkind in Berlin die ersten „Into the Wind! Nordische Kinder- und Jugendliteraturtage“. Neben Dänemark, Finnland, Island und Grönland werden auch Autoren und Illustratoren von unbekannteren nordischen Weltflecken wie den Färöer-Inseln ihre Werke vorstellen.

Nicola Schmidt: artgerecht

“Das andere Babybuch“ lautet der Untertitel dieses allein schon optisch hervorragenden Buches, geschrieben von jemanden, der wirklich Ahnung von Babys hat. DAs merkt man schnell. Nicola Schmidt fragt sich hier, warum wir immer nur von artgerecht in Zusammenhang mit Hühnern und Schweinen sprechen, aber nie in Zusammenhang mit Babys. Denn gerade diese brauchen zum Teil etwas ganz anderes als sie heute bekommen. Und vor allem in den letzten Jahrzehnten bekommen haben.

Nicola Schmidt ist eigentlich Wissenschaftsjournalistin. Doch seit der Gründung des artgerecht-Projekts vor einigen Jahren berät sie Eltern und bietet Fortbildungen zum Thema an. Ihr Buch beschäftigt sich ausführlich damit, wieso sich die Bedürfnisse von Babys seit der Steinzeit eigentlich nicht verändert haben und wie wir ihnen genau das Umfeld schaffen, das wir brauchen. Nicola Schmidt erzählt von Affenmamas, die, weil nur im Zoo aufgewachsen, erst lernen mussten, mit ihren Babys umzugehen und denen es damit nicht anders geht als uns: Wir alle lernen von Vorbildern und in Ermangelung der Sippe um uns herum wissen auch wir Menschenfrauen oft nicht, was zu tun ist, wenn wir zum ersten Mal ein Baby bekommen. Denn weder Geburt noch Stillen und selbst nicht das Schlafen sind selbstverständliche Dinge – und wenn man nicht weiß, wie man mit einem Baby umgehen muss, dann hat man anstrengende Wochen vor sich, bis sich alles eingespielt hat. Doch das kann man einfacher haben. Allein die Lektüre dieses Buches hilft schon bei der Vorbereitung. Und beim Entspanntbleiben – dem wichtigsten Aspekt.

Die Art und Weise, wie Nicola Schmidt mit dem Thema umgeht, hebt sich erfrischend von all den anderen Ratgebern auf dem Markt ab. Denn auch, wenn die Tendenz tatsächlich dahin geht, sich dem Thema Baby deutlich natürlicher zuzuwenden, mehr zu tragen, das Kind im Beibett bei sich zu haben und möglichst zu stillen, so ist noch ein weiter Weg, bis all dies wirklich selbstverständlich wird. Doch Nicola Schmidt verurteilt niemand, und auch das ist so gut an diesem Buch. Sie beschäftigt sich auch mit Themen wie Kaiserschnitt, Flaschennahrung oder Windeln, ohne etwas zu verteufeln.

Schön auch die Rubriken „Ammenmärchen“ und die kleinen, aber ausgewählten Fenster mit Tipps, Tricks und Zusatzinfos. Dieses Buch sollte jeder werdenden Mama mitsamt dem Mutterpass ausgehändigt werden.
5.0 Stars (5,0 / 5)