Joanne Fedler: Endlich wieder Weiberabend

Sechs Jahre sind vergangen, die Kinder fast alle groß, die Mütter nicht mehr wirklich taufrisch – sondern an Körper und Seele mit einigen neuen Schrammen versehen. Wie es sich für Frauen in den Vierzigern gehört, haben sie alle ihr Päckchen zu tragen. Diesmal schleppt es die Gruppe rund um Jo und Helen auf eine Art Herrensitz, in den die Damen peu à peu eintrudeln. Ein geschickter schriftstellerischer Schachzug, um die Charaktere einen nach dem anderen (wieder) einzuführen und zu beleuchten. Durch eigene Aussagen, Lästerei und erklärende Elemente.

Am unsympathischsten kommt Jo selbst rüber. Allein ihre Angst, nur ein Gramm mehr auf die Waage zu bringen lässt einen genauso verkrampfen wie ihre Ansichten über Kinder und Familie an sich. Der Wiedererkennungseffekt ist trotzdem groß. Nicht nur in Bezug auf den vorhergehenden „Weiberabend“ sondern auch in Bezug aufs eigene Umfeld. Kaum eine Frau über Vierzig, die sich nicht zumindest ansatzweise in einem der Charaktere wiederfindet und somit genau diesen ein bisschen gespannter verfolgt als die anderen. Doch trotz der teilweise durchaus interessanten Hintergrundgeschichten bleibt Joanne Fedler doch sehr an der Oberfläche. Bedient sich gern mal an Klischees und lässt es an Spannungsbögen oder gar tiefgründigem Humor eher fehlen. Ein Hörbuch, das an keiner Stelle tatsächlich überrascht und dem es nicht gelingt, die Atmosphäre eines wirklichen Weiberabends bzw. eines Weiberwochenendes einzufangen. Trotz der guten stimmlichen Leistung von Nana Spiers.

Die Autorin Joanne Fedler kommt ursprünglich aus Südafrika. Heute lebt sie im australischen Syndey, mit ihrem Mann, zwei Teenagerkindern und einer Katze, engagiert sich im sozialen Bereich, schreibt Sachbücher und immer wieder auch Romane. Ihr erstes Buch, das auf Deutsch übersetzt wurde, schaffte es monatelang auf die Bestsellerliste des Spiegels und war der Vorgänger dieses Romans.
1.9 Stars (1,9 / 5)

Kathryn Littlewood: Die Glücksbäckerei – das magische Rezeptbuch

Die Bäckerei der Familie Glyck wird nicht umsonst die Glücksbäckerei genannt. Man reißt ihnen die Sing-Sang-Ingwer-Cookies, die Tiefschlaf-Snickerdoodles und Liebesmuffins regelrecht aus der Hand. Versteht es Roses Mama doch nur zu gut, ein wenig Magie walten zu lassen und so ein ganzes Städtchen in Zufriedenheit zu hüllen. Ihr ganz besonderes Backbuch mit den zauberhaften Rezepten halten sie und ihr Mann vor den Kinder gut verschlossen – bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie verreisen müssen. Die Verantwortung, die jetzt auf den Schultern der Kinder liegt, liegt dort schwer und der Versuch, in die Fußstapfen der Mutter zu treten, führt zu einem absoluten Chaos. Im ersten Moment sind die Kinder da ziemlich erleichtert, als Tante Lilly auftaucht und sich als Retterin in der Not beweist. Doch Rose ist kritisch – ihr Bauchgefühl sagt ihr, dass mit der ach so liebenswürdigen Tante irgendetwas nicht stimmt: Wieso lässt sie sich jahrelang nicht blicken und kommt genau dann, wenn ihre Eltern nicht da sind? Und warum hat sie so ein ausgeprägtes Interesse an den Familienrezepten?

Die Geschichte, die sich für Mädchen ab der dritten, vierten Klasse eignet, hat sehr viel Zauberhaftes an sich. Ein bisschen erstes Schwärmen fürs andere Geschlecht, viel Magie und eine sympathische Heldin sind die richtigen Zutaten dafür, dass Kathryn Littlewood mit der Glücksbäckerei ein ganz wunderbares Buch gelungen. Und das, obwohl sie von sich selbst behauptet, eine gute Köchin, aber eine fürchterliche Bäckerin zu sein.

Durch die Vertonung mit Sascha Icks gewinnt die Glücksbäckerei noch an Wert. Nur das Ende, das kommt reichlich überraschend und ist irgendwie nicht ganz befriedigend – und lässt damit die Option auf eine Fortsetzung offen. Die in Buchform in Amerika bereits erschienen ist und auch hier nicht lange auf sich warten lassen wird.
3.4 Stars (3,4 / 5)

Louise Millar: Allein die Angst

Ein guter Thriller bringt unsere verborgensten Ängste zum Klingen. Und das hier ist ein verdammt guter Thriller für Mütter – denn nichts ist schlimmer, als die Vorstellung, sein eigenes Kind in falsche Hände gegeben zu haben.
Allein die Angst ist das, was immer bleibt.

Callie ist alleinerziehend. Und hat niemand außer Suzy von gegenüber. Denn die anderen Frauen wollen nichts mit ihr zu tun haben. Warum, weiß Callie nicht. Noch nicht. Aber sie leidet sowieso weniger für sich als vielmehr für ihre herzkranke Tochter Rae, die so gerne eine Freundin hätte. Als Callie, die von Beruf Sounddesignerin ist, von ihrem ehemaligen Chef ein Topangebot bekommt, greift sie zu. Und kämpft von nun an mit den typischen Problemen vieler berufstätiger Mütter: die Zerrissenheit zwischen Job und Kind, das gehetzte Gerenne zwischen Arbeitsplatz und Hort, das Angewiesensein auf andere und nicht zu verachten: dieses unglaublich schlechte Gewissen, das sich zu bestätigen scheint, als Rae, betreut von einer Nachbarin, auf der Straße stürzt und ins Krankenhaus muss. Und das ist nur der Anfang.
Wem kann man das Leben seines Kindes wirklich anvertrauen?

So viel zur Grundlage der Geschichte. Aber Louise Millar hat sich damit nicht zufrieden gegeben. Und einen Plot erschaffen, der nicht nur von einer Angst, sondern gleich von mehreren lebt. Von Abhängigkeiten, Bedürfnissen und Vertrauen. Denn, was ist, wenn man nicht mehr weiß, wem man trauen kann, wenn vertraute Personen offensichtlich Geheimnisse vor einem haben, wenn die Verrückten letztendlich die Normalen sind und wenn sich die gesamte Realität als verzerrt herausstellt. Gänsehaut und man weiß nicht, warum!

Noch viel besser als das Buch ist das Hörbuch. Denn der für diese Fassung geschickt gekürzte Psychothriller lebt vor allem von den Stimmen der Schauspielerinnen Caroline Peters, Andrea Sawatzki und Stefanie Stappenbeck, denen es gelingt, die Geschichte, die in verschiedenen Erzählformen geschrieben ist, so subtil vorzutragen, dass man sich ganzer Gänsehautschwärme kaum erwehren kann. Das Geniale an ‚Allein die Angst‘ ist, dass der Text an sich eigentlich nichts Beängstigendes hat. Er ist mehr wie Spannung erzeugende Hintergrundmusik zu harmlosen Bildern. Man fühlt sich beunruhigt, weiß aber nicht genau, warum.

Louise Millar ist selbst Mutter zweier Kinder, hat auch einen Mann und man kann nur hoffen, dass sie eine Freundin hat, auf die sich wirklich verlassen hat.

Lissa Price: Starters

Ausrottung und Aussterben sind genauso Thema der meisten Zukunftsvisionen in Romanform wie ungleiche Verteilung, Angst und Elend bei den Übriggebliebenen. Lissa Price allerdings kam mit der gleichen Basis auf eine ganz neue Idee.
Sind es in Stephenie Meyers Science Fiction mit dem Titel „Seelen“ Außerirdische, die die Körper der Menschen übernehmen, so werden sie in ‚Starters‘ von Alten ersetzt. Sporen haben dafür gesorgt, dass Menschen zwischen zwanzig und vierzig von der Bildfläche verschwunden sind. Überlebt haben vor allem die schwachen Mitglieder der Gesellschaft. Diejenigen, die zuerst geimpft wurden. Inzwischen gibt es fast nur noch Teenager, wenige Kinder und eine ganze Menge Alter. Die locker bis zu 200 Jahre alt werden können. Die sogenannten ‚Enders‘ fühlen sich zwar nicht so, sehen aber entsprechend aus. Mit all den Zipperlein, die so dazugehören. Wen wundert es da, dass sie sich nichts sehnlicher wünschen als einen jungen Körper für ihr erfahrenes Bewusstsein.

Und hier kommen die ‚Starters‘ ins Spiel. In Ermangelung von Bezugspersonen leben viele von ihnen auf der Straße. Immer auf der Flucht vor den Häschern, die sie, wenn sie sie erwischen, bis zu ihrem 18. Lebensjahr in Heime stecken, die mehr lieblosen Kasernen denn einem Zuhause gleichen. Hier beginnt die Geschichte von Callie. Das junge Mädchen, das sich hingebungsvoll um seinen kleinen Bruder kümmert, ist verzweifelt. Tyler ist lungenkrank und braucht teure Medikamente und er braucht dringend ein warmes Dach über dem Kopf. Um ihm dies zu bieten, wählt sie den Weg zur Body Bank. Das Unternehmen Prime Destinations bietet eine Menge Geld für einen zu mietenden jungen Körper. Versehen mit einem im Gehirn implantierten Neurochip kann das Bewusstsein eines alten Menschen, eines Enders, den Körper übernehmen. Sex ist nicht erlaubt, gefährliche Sportarten auch nicht und nach ein paar Tagen, vielleicht einem Monat ist der Spuk vorbei. Die Sechzehnjährige lässt sich trotz aller Zweifel auf den Deal ein, wacht aber dummerweise zu früh auf und findet sich wieder im Leben einer reichen alten Frau, die sich zur Aufgabe gemacht hat, ihre verschwundene Enkelin zu suchen und dabei den Kampf gegen Prime Destinations aufnehmen will. Zwei Seelen wohnen nun in dieser Brust und nachdem sich die beiden zunächst bekämpfen, gehen sie später eine Allianz ein.

Lissa Price hat mit diesem futuristischen Thriller ein ganz beachtliches Debüt abgelegt, das – vor allem in der Hörbuchfassung gelesen von der Synchronstimme des jungen Vampirlieblings Bella – ziemlich unter die Haut geht. Abgesehen von ein paar wenigen, überschaubaren Nebenschauplätzen konzentriert sich die Autorin auf den eigentlichen Plot und hält den Leser so bei der Stange.
Das Ende allerdings kommt zu abrupt und lässt dabei doch auch der Phantasie zu wenig Spielraum. Was dazu führt, dass der Roman so eigentlich nicht für sich selbst stehen kann. Welch ein Glück für die Leser und Hörer, dass Lissa Price bereits an einer Fortsetzung arbeitet. Mit dem wenig erstaunlichen Titel „Enders“.
Lissa Price: Starters, erschienen als Hörbuch bei Osterwold im März 2012, gelesen von Annina Braunmiller, der Preis für sechs CDs liegt bei rund zwanzig Euro.

Die Auswahl: Cassia und Ky von Ally Condie

Wenn die Zukunft Geschichten schreibt, dann kann es schon mal unheimlich werden: Faszinierend, dabei aber eher erschreckend ist Cassias Welt, irgendwo in der Zukunft. Hier ist alles duchorganisiert. ‘Utopia’ und Huxleys ‘Schöne neue Welt’ lassen grüßen.
Modernes Utopia
Man lernt nur, was für die eigenen Fähigkeiten wichtig ist, man isst nur, was für den Kalorienhaushalt und die Gesundheit des Körpers notwendig ist und man stirbt genau an dem Tag, an dem man 80 wird. Wie, das hinterfragt keiner. Genau wie alles andere in diesem Jugendroman nicht hinterfragt, sondern einfach hingenommen wird. Die “Gesellschaft” in “Die Auswahl – Cassia und Ky” hat dafür gesorgt, dass alles seine Richtigkeit hat und: Sie macht keine Fehler – davon wird man von klein auf überzeugt.
Und dann scheint die Gesellschaft doch einen Fehler zu machen. Auf Cassias Hochzeitsbankett, dem Tag, an dem die jungen Leute erfahren, wer ihr optimaler Partner ist, stellt sich heraus, dass ihr bester Freund der Mann ihres Lebens sein soll. Selten, aber nicht unmöglich. Doch als sie sich seinen Chip ansieht, auf dem alle wichtigen Daten gespeichert sind über ihren Zukünftigen, da erscheint plötzlich ganz kurz ein anderes Gesicht: Ky. Auch ihn kennt sie, doch er ist eigentlich gar nicht für die Partnerwahl vorgesehen. Der vermeintliche Systemfehler bringt Cassia aus dem Tritt. Sie verliebt sich in Ky und beginnt zu rebellieren. Und langsam aber sicher durchschaut sie die Gesellschaft und erkennt, worauf das Ganze zusteuert. Doch die Gesellschaft durchschaut Cassia noch nicht…
“Die Auswahl – Cassia und Ky”: als Hörbuch ein Hörgenuss
Was die Autorin mit ihrer Dystopie zu verfolgen scheint, ist wie bei allen Dystopien verängstigend, scheint aber zu klappen, denn man kommt nach der Lektüre kaum umhin, über Missstände in der Gegenwart nachzudenken.
Dieses Buch ist das, was man durchaus als “spannend” bezeichnen darf. Allerdings ist die von Ally Condie erzeugte Spannung so subtil, gleitet so langsam und vorsichtig ins eigene Bewusstsein, dass man hinterher froh ist, jederzeit die Wahl zu haben. Und man kann es kaum erwarten, Band 2 der geplanten Trilogie in die Finger zu bekommen – auf den wir hier in Deutschland allerdings noch eine Weile warten werden müssen. Ein Jugendroman genau auf seine Zielgruppe zugeschnitten ist: ein bisschen Romantik, eine gute Story – fern ab von der Girlie-Buchwelt, die sich immer mehr durchzusetzen scheint. Hier handelt es sich nämlich noch um eine richtige Geschichte.
In der Hörbuchform, die erfreulicherweise ungekürzt ist, zeigt sich endlich mal wieder das ganze Können von Josefine Preuß. So brillant wie hier hat sie lange nicht mehr vertont. Chapeau!
Die Auswahl – Cassia und Ky, erschienen in Hörbuchform bei argon hörbuch im April 2011. 370 Minuten Laufzeit, 5 CDs für rund 14,99 Euro.

Kerstin Gier: Smaragdgrün – Liebe geht durch alle Zeiten

Rubinrot, Saphirblau und nun Smaragdgrün: Kerstin Gier hat mit ihrer Zeitreiseromanze einen Nerv getroffen. Und wen die mehrere hundert Seiten starke Bücher abschrecken, der kann sich auch gemütlich zurücklehnen und sich die Geschichten erzählen lassen.

Alle, oder aber auch nur eine. Das ist letztendlich egal, denn vor allem die letzte der drei Geschichten steht auch völlig autark für sich. Der einzige Nachteil, man bringt sich um ein paar schöne Stunden Lese- bzw. Hörgenuss.
Doch worum geht es eigentlich? Gwendolyn ist, ganz entgegen aller Erwartungen der meisten Familienmitglieder, mit einem Zeitreisegen behaftet, das man eigentlich bei ihrer Cousine vermutete. Wider Willen muss sie nun täglich einen Sprung durch die Zeit machen und dabei nicht nur eine Menge Abenteuer erleben, sondern sich auch noch im wahrsten Sinne mit einem jungen Mann herumschlagen, der ihr einiges bedeutet, der sie aber lediglich auszunutzen scheint.

Um die Romanze herum hat die Autorin eine wunderbare Geschichte geschaffen von einem Grafen, der in der Vergangenheit bereits Fäden gesponnen hat, die unglaubliche Auswirkungen auf die Gegenwart haben bzw. haben könnten. Was es dabei mit zwei Zeitmaschinen, einem weiteren jungen Pärchen, ebenfalls beide Zeitreisende und einer geheimnisvollen Essenz auf sich hat, das erfährt man von Josefine Preuß, die bei diesem vertonten Bestseller wirklich äußerst gekonnt den Hörer in ihren Bann zieht. Ein besonderer Spaß ist ihre Vertonung des kleinen Wasserspeiergeistes, der Gwen wie ein Haustier zur Seite steht…
4.5 Stars (4,5 / 5)

Sarah Weeks: Jamies Glück

Jamie hat nicht nur kein Glück, er hat eine ganze Menge Pech. Und nicht nur er, sondern auch seine Familie. Sein Vater haut ab, seine Tante, bei der er und seine Mutter leben, hat einen Unfall, bei der sie das Gedächtnis verliert, seine Katze wird überfahren. Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen. Denkt Jamie.

Dass er in der Schule keine Freunde findet, gehänselt wird und auch die Lehrerin nicht wirklich begeistert ist von ihm und seinen Leistungen – und ihn das täglich spüren lässt – ist eigentlich nur Staffage. Jamie schwankt zwischen totaler Resignation und immer wieder aufkeimender Hoffnung auf ein bisschen Zuneigung. Und genau das macht ihn anfällig für den schmierigen Hausmeister. Der Junge ist über die Vorfälle so entsetzt, dass er mit niemandem darüber reden kann. Mit niemandem außer mit Tante Sapphy, denn deren Gehirn vergisst seit dem Unfall alles innerhalb von Minuten…

Diese Geschichte ist eine Geschichte über das Glück – das man genau da finden kann bzw. nur da finden kann, wo man am wenigsten damit rechnet. Und es ist eine Geschichte über Vertrauen, Freundschaft und die Tatsache, dass oft Menschen, von denen man es nie im Leben gedacht hätte, die besten Freunde werden. Und dass die Lösung für ein schwieriges Problem oft näher ist als man denkt. Großen Raum nimmt aber auch das Unglücklichsein in diesem Werk ein. Denn damit Jamie realisieren kann, was Glück bedeuten kann, muss er seelisch ziemlich tief fallen…

Der Sprecher Stefan Wilkening fängt die Stimmungen Jamies gut ein, verliert aber zwischendrin immer wieder ein bisschen an Tempo. Das liegt vielleicht auch daran, dass man für den Mittelteil der Buchvorlage etwas Durchhaltevermögen braucht, um dann das durchaus gut gelungene Ende wieder genießen zu können. Sarah Weeks beschreibt sehr detailgenau die jeweiligen Szenen, sie führt den Leser und in diesem Fall den Hörer gekonnt hinein in die triste Wohnwagensiedlung am Rande der Gesellschaft.
3.0 Stars (3,0 / 5)

Sara Pennypacker: Vorhang auf für Clementine

Da ist sie wieder, die kleine Clementine, die so chaotisch ist, dass man sie schon fast gernhaben muss. Diesmal möchte die Schule eine Talentshow veranstalten, nur dummerweise ist sich Clementine sicher, dass sie nicht das winzigste Talent hat – für nichts. Doch da täuscht sie sich gewaltig.

Denn Clementine strotzt eigentlich nur so vor Talenten. Okay, sie kann nicht steppen, nicht Rad schlagen und auch nicht singen, dafür aber wunderbar malen, ihren kleinen Bruder zum Lachen bringen, sich überall herausreden, für alles eine Idee finden und – organisieren.

Die Stimme von Josefine Preuß muss man mögen. Tut man das nicht, kann sie einem schon bisweilen auf den Geist gehen. Aber, das muss man ihr lassen, zu Clementine passt sie. Dieses Persönchen, das seinen eigenen Obstnamen nicht leiden kann und daher seinen kleinen Bruder immer wieder mit den witzigsten Gemüsenamen versorgt, könnte tatsächlich so vor sich hin schnoddern und scheppern.
5.0 Stars (5,0 / 5)

Jörg Fauser: Der Schneemann

Dem halbseidenen Kleinkriminellen Siegfried Blum fallen mehr oder weniger durch Zufall fünf Pfund Kokain in die Hände. Er versucht es loszuwerden. Anfangs zu einem guten Preis, irgendwann überhaupt. Doch der „Schneemann“ hat dabei nicht wirklich viel Glück.

Malta, Frankfurt, Amsterdam – das sind noch lange nicht alle Stationen, auf denen der Hörer Herrn Blum begleiten kann. Überall versucht er sein Glück und nirgendwo findet er es. Weder emotional noch finanziell. Dieser knapp 40-jährige Typ, der versucht, ein bisschen am Wohlstand mitzumischen und doch immer wieder nur in heruntergekommenen Hotelzimmern landet und von billigen Frauen flankiert ist, kann einem irgendwie leid tun. Er erinnert an diesen ganz speziellen selbstgefälligen und schmierigen Typ mittleren Alters, der noch nicht erkannt hat, dass das Leben ihn links liegen gelassen hat und der im Brustton der Überzeugung in einem schlecht sitzenden Anzug und mit etwas zu viel Promille im Blut stets verkündet, das Leben hätte ihn auf der Sonnenseite gebettet.

Der Schneemann fühlt sich im Laufe der Zeit verfolgt, ist sich nicht sicher, ob seine Paranoia dem Genuss des weißen Pulvers oder der realen Bedrohung entspringt. Setzt auf falsche Pferde und merkt nicht, dass er von Anfang an nur eine Spielfigur im Leben anderer war.

Der Autor Jörg Fauser, 1987 an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben, hatte mit dem Roman „Der Schneemann“ seinen literarischen Durchbruch. Ich persönlich habe weder das Buch gelesen noch den Film gesehen. Ich kenne nur das Hörbuch, aber nachdem es sich um eine ungekürzte Fassung handelt, macht das wohl kaum einen gravierenden Unterschied. Sprecher Heikko Deutschmann ist professionell wie immer – wobei das „wie immer“ hier der Knackpunkt ist, denn auf Dauer ist es ziemlich langweilig, grundsätzlich die gleichen Stimmen im Hörbuchbereich zu verwenden. Aber am Sprecher lag es nur bedingt, dass mich das Werk nicht ganz überzeugen konnte. Ganze sechs CDs lang – und das ist lang! – hab ich mich gefragt, wann die Geschichte ein bisschen an Tempo gewinnt. Und das, obwohl die jeweiligen Milieustudien gut gelungen sind: Hier hat man tatsächlich teilweise das Gefühl, die schmierige Gesellschaft eines pornosüchtigen Pakistanis ertragen zu müssen, die Gedanken Blums direkt einzusaugen oder seine billigen Gespielinnen riechen zu können. Auch die immer wieder auftauchenden überzogenen Krimi-Elemente und die Grundtraurigkeit, die die Hauptfigur umspielt, sind gelungen. Doch trotzdem: Ich hatte mir von einem so hochgelobten Werk mehr erwartet. Viel mehr.
1.9 Stars (1,9 / 5)

Stephenie Meyer: Biss zum Morgengrauen

Ein junges Mädchen, dessen Eltern getrennt sind, entscheidet sich – notgedrungen – für das Leben beim Vater. In einem langweiligen, dunklen, verregneten Kaff in Washington State. Bereits bei ihrem ersten Besuch in der neuen Schule fällt ihr Edward auf… und man denkt, man hätte ein seichtes Collegemärchen vor sich. Doch es ist deutlich mehr.

Edward und seine Familie sind Vampire. Da kommt Bella schnell dahinter. Und Edward ist von Bella genauso fasziniert wie sie von ihm. Er vertraut ihr seine Geschichte an und begibt sich damit voll und ganz in ihre Hände, genau wie sie sich ihm ausliefert – Vertrauen steht gegen Vertrauen. Bis eine zweite Vampirfamilie im Ort auftaucht und einer von ihnen es auf das Menschenmädchen abgesehen hat. Der Kampf kann beginnen….

Eigentlich ist das Buch mit dem besonders schönen (deutschen) Cover für Jugendliche geschrieben, aber es ist definitiv kein Jugendbuch im typischen Sinne. Das Hörbuch ist von der Schauspielerin Ulrike Grote übrigens eine Spur zu mädchenhaft vertont worden. Man hätte Edwards Charakter sicher auch mit einer Frauenstimme deutlich geheimnisvoller darstellen können. Doch trotzdem: Die Entwicklung der Beziehung zwischen Bella und Edward, die typischen und untypischen Momente, die die beiden miteinander erleben, der Spannungsbogen, der gegen Ende massiv erhöht wird – durchaus gelungen!

Das Nachfolgebuch ist bereits auf dem Markt. Doch über den Sinn von Fortsetzungsgeschichten lässt sich streiten. Irgendwann ist immer die Luft raus und dann bereut man es, den zweiten Band überhaupt noch in die Hand genommen zu haben. Doch manche Erzählung ist so dicht, dass sie durchaus noch Stoff für Hunderte von Seiten in sich trägt. Diese hier könnte eine davon sein. Schade ist allein, dass durch die Existenz des zweiten Buches das Ende des ersten lächerlich erscheint. Denn manches sollte man vielleicht doch lieber der Phantasie überlassen. Vor allem, wenn sie so gekonnt angeregt wurde.
4.6 Stars (4,6 / 5)